Die Burg von Otranto. Horace Walpole

Die Burg von Otranto - Horace Walpole


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seinem Schlafgemach führt diese Thüre hin,

      Die andre aber bringt dich zu der Königin.

      Unglücklicher Shakespeare! hättest du deinen Rosenkranz seinem Gevatter Güldenstern den Grundriß des Pallastes zu Copenhagen vorerzählen lassen, anstatt eine lehrreiche Unterhaltung des Fürsten von Dännemark mit dem Todtengräber auszustellen, so wäre das erleuchtete Pariser Parterre zum zweitenmal belehrt worden, deinen Vorzügen zu huldigen.

      Das Resultat alles dessen, was ich gesagt habe, ist, mein eignes Wagstück unter das Geschütz des grösten Genies zurükzuziehen, das wenigstens mein Vaterland hervorbrachte. Ich hätte anführen können, mir als dem Schöpfer einer neuen Romanengattung stehe frey, welche Regeln ich für ihre Behandlung annehmen wolle: aber ich bin viel stolzer, ein so meisterhaftes Muster, wenn gleich nur schwach und dürftig, und in gröster Ferne, nachgeahmt zu haben, als des ganzen Verdienstes der Erfindung zu genießen; da ich meinem Werk nicht eben so wohl den Stempel des Genies, als der Originalität aufdrücken kann. Wie es ist, hat ihm das Publicum Ehre genug erwiesen, welchen Rang ihm auch seine Stimme anweisen mag.

Horaz Walpole.

      Erster Abschnitt

      Manfred, Fürst von Otranto, hatte einen Sohn und eine Tochter. Diese, ein sehr schönes Fräulein von achtzehn Jahren, hieß Matilde. Corrado, der Sohn, war drey Jahr jünger, übel aussehend, kränklich, und ohne versprechende Anlagen; dennoch der Liebling seines Vaters, der selten Spuren einiger Zuneigung gegen Matilde blicken ließ. Manfred hatte eine Heirath für seinen Sohn mit Isabellen, der Tochter des Markgrafen von Vicenza besprochen; und ihre Vormünder hatten sie bereits in Manfreds Hände abgeliefert, damit er die Hochzeitfeyer vollziehen könne, sobald Corrado’s schwacher Gesundheitszustand es erlaubte. Manfreds Hausgenossen und Nachbarn bemerkten seine Ungeduld, die Feyer zu vollziehen. Jene freylich scheuten seine Strenge, und unterstanden sich daher nicht, ihre Muthmaßungen über diese Eilfertigkeit zu äußern. Hippolite, seine Gemahlin, eine liebenswürdige Dame, wagte zuweilen ihm die Gefahr vorzustellen, die mit einer frühen Verheirathung ihres Sohnes, in Rücksicht seiner großen Jugend, und größeren Schwachheit, verbunden wäre. Aber sie erhielt nichts zur Antwort, als Vorwürfe über ihre eigne Unfruchtbarkeit, da sie nur einen Erbherrn gebohren habe. Manfreds Vasallen und Unterthanen nahmen sich in ihren Reden minder in Acht: sie schoben diese hastige Vermählung, auf Rechnung der Furcht ihres Fürsten, eine alte Weissagung erfüllt zu sehn, nach welcher es hieß: die Burg und Herrschaft Otranto, sollten dem Geschlecht ihrer gegenwärtigen Einhaber entwendet werden, wenn dem wirklichen Besitzer seine Behausung zu enge würde. Es war schwer in dieser Weissagung einen Sinn zu finden; und noch schwerer zu begreifen, was sie mit der vorseyenden Vermählung für eine Verbindung habe. Doch blieb das Volk, dieses Räthsels oder Widerspruchs ohngeachtet, nicht minder fest auf seiner Meinung.

      Corrado’s Geburtstag war zum Trauungsfest bestimmt. Die Gesellschaft befand sich in der Burgcapelle versammelt, und alles zur priesterlichen Einsegnung bereit, als man Corrado selbst vermißte. Manfred konnte keinen Verzug ertragen, er hatte nicht bemerkt daß sein Sohn sich entferne, und sandte einen seiner Begleiter den jungen Fürsten herbeyzurufen. Der Bediente blieb nicht so lange weg, als er Zeit bedurfte über den Hof nach Corrado’s Zimmern zu gehn, sondern lief athemlos zurück, und sah aus wie ein Wahnwitziger, seine Augen starrten, Schaum stand vor seinen Lippen. Er sprach kein Wort, und zeigte auf den Hof. Die Gesellschaft ergrif Schauder und Entsetzen. Die Fürstin Hippolite wuste nicht was vorgefallen seyn konnte, aber aus Angst um ihren Sohn fiel sie in Ohnmacht. Manfred, minder besorgt, als aufgebracht über die Verzögerung der Trauung, und die Albernheit seines Bedienten, fragte gebieterisch, was es gäbe? Der Bursch antwortete nicht, sondern fuhr fort nach dem Hofraum hinzudeuten; und rief endlich, nachdem er sich zu wiederholtenmalen fragen lassen: O weh! der Helm! der Helm! Unterdessen waren schon einige der Gesellschaft in den Hof gelaufen, woher man ein verwirrtes Getöse von Schrecken, Abscheu und Entsetzen vernahm. Endlich ward Manfred bestürzt als sein Sohn nicht erschien, und ging selbst, um der Ursache dieser seltsamen Verwirrung nachzuforschen. Matilde blieb zum Beystand ihrer Mutter, und Isabelle leistete ihr darin Gesellschaft, die ohnedem keine Ungeduld nach einem Bräutigam bezeigen wollte, für den sie in der That wenig Neigung besaß.

      Was Manfreds Augen zuerst auffiel, war ein Kreis seiner Bedienten, die etwas in die Höhe zu heben sich bemühten, das einem Berge schwarzer Federn ähnlich sah. Er staunte und traute seinem Gesicht nicht. Was treibt ihr da? rief Manfred wütend: wo ist mein Sohn? Ein Chor von Stimmen antwortete: O, gnädigster Herr! der Prinz! der Prinz! der Helm! der Helm! Ihn erschütterten die Klagetone, die Furcht unbekannter Dinge überfiel ihn, er trat hastig hinzu – was erblickten die Augen des Vaters? – er sah sein Kind zerschmettert, begraben gleichsam, unter einem ungeheuren Helm, hundertmal größer als irgend eine Sturmhaube die je für einen Sterblichen geschmiedet ward, und von einem verhältnißmäßig großen Busch schwarzer Federn beschattet.

      Dieser grauenvolle Anblick, die Unwissenheit aller Umstehenden auf was Art sich der Unfall ereignet habe, und über alles, die furchtbare Erscheinung vor ihm, benahmen dem Fürsten die Sprache. Doch schwieg er länger, als selbst der Kummer schweigen kann. Seine Augen starrten auf das hin, was er vergebens wünschte für ein Gesicht halten zu können; und er schien minder empfindlich gegen seinen Verlust, als in Betrachtung verlohren, über den erstaunenswürdigen Gegenstand der ihn veranlaßte. Er berührte, untersuchte, den unglückbringenden Helm; selbst die blutenden zerstückelten Ueberreste des jungen Prinzen, konnten Manfreds Blicke von diesem Schreckenswunder nicht abziehn. Wer seine partheyische Zärtlichkeit für den jungen Corrado gekannt hatte, war eben so verwundert über die Unempfindlichkeit des Fürsten, als betroffen über das Zeichen des Helms. Man trug den entstellten Leichnam in die Halle, ohne darüber im geringsten Manfreds Befehl zu erhalten. Eben so wenig achtete er seiner Gemahlin und Tochter, die in der Capelle zurück blieben. Die ersten Worte aus seinem Munde waren: Sorgt für Fräulein Isabelle!

      Den Bedienten fiel dieser sonderbare Befehl nicht auf. Liebe zu ihrer Herrschaft ließ sie annehmen, daß von ihr allein die Rede seyn könne: sie eilten zu ihrem Beystand. Man brachte sie in ihr Schlafzimmer mehr todt als lebendig, und gleichgültig gegen alles seltsame das man ihr hinterbrachte, ausgenommen gegen den Verlust ihres Sohnes. Matilde, kindlicher Zärtlichkeit voll, erstickte eignen Schmerz und Entsetzen, und dachte nur darauf ihre betrübte Mutter aufzurichten und zu trösten. Isabelle, die wie eine Tochter von Hippoliten behandelt war, und diese Zuneigung mit gleicher Erkenntlichkeit und Liebe erwiederte, war kaum weniger thätig um die Fürstin; und suchte zu gleicher Zeit das Gewicht des Grams mit zu tragen und zu vermindern, das ihre Matilde zu unterdrücken strebte, für welche sie das wärmste Mitgefühl der Freundschaft empfand. Doch konnte sie gleichfalls nicht umhin an ihre eigene Lage zu denken. Corrado’s Tod that ihr weiter nicht leid, als weil er schmerzlich war; und es durfte ihr nicht unangenehm seyn, einer Heyrath entbunden zu werden, die ihr wenig Glückseligkeit versprach, sowohl in Ansehung des Mannes den man ihr bestimmte, als in Rücksicht auf Manfreds strenge Stimmung, der trotz der großen Nachsicht, wodurch er sie auszeichnete, ihre Seele mit Schrecken erfüllte, indem er ohne Veranlassung gegen so liebenswürdige Fürstinnen, als Hippolite und Mathilde, hart war.

      Während die Damen der unglücklichen Mutter zu Bette halfen, blieb Manfred im Hofe, betrachtete unverwand den Verderben, verkündenden Helm, und kehrte sich nicht an die Menge, welche dieser seltsame Vorfall nach und nach um ihn versammelt hatte. Nur von Zeit zu Zeit fragte er mit kurzen Worten: ob niemand wisse, woher der Helm gekommen seyn möge? Niemand konnte darüber die geringste Auskunft geben. Da dies aber der einzige Gegenstand seiner Neugierde schien, so ahmten ihm die übrigen Zuschauer bald darin nach, deren Vermuthungen eben so ungereimt und unwahrscheinlich waren, als beyspiellos der Vorgang selbst. Mitten unter ihrem unvernünftigen Rathen, bemerkte ein junger Bauer aus einem benachbarten Dorf, den der Lärmen herbeygelockt hatte, der wunderbare Helm sehe dem außerordentlich ähnlich, welchen die schwarze marmorne Bildsäule ihres hochseligen Fürsten Alfonso des Guten, in der San Nicola Kirche trage. Bube! was sagst du? rief Manfred, der aus seiner Betäubung zu stürmischer Wuth erwachte, und den jungen Mann bey dem Kragen packte; wie darfst du solchen Hochverrath aussprechen? dein Leben büße dafür! Die Zuschauer begriffen den Grimm des Fürsten eben so wenig als alles was sie sonst gesehen hatten, und wusten sich diesen neuen Umstand nicht zu enträthseln. Noch betroffener


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