Die Burg von Otranto. Horace Walpole

Die Burg von Otranto - Horace Walpole


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darin gab, Ihren Sohn zu ehelichen. Bis zu seiner Rückkehr aber, erlauben Sie mir unter Ihrem gastfreyen Dache zu verweilen, und meine trübe Stunden damit zuzubringen, daß ich Ihren Kummer, Hippolitens und Matildens zu lindern suche.

      Ich bat Sie schon einmal, sagte Manfred unruhig, daß Sie den Namen dieser Person nicht aussprechen mögten: sie muß Ihnen von dieser Stunde an so fremd werden als mir; – Kurz, Isabelle, da ich Ihnen meinen Sohn nicht geben kann, so biete ich mich an seine Stelle. – Himmel! rief Isabelle, die aus ihrem Irrthum erwachte, was hör’ ich? Sie, gnädiger Herr? Sie? mein Schwiegervater! Corrado’s Vater! der zärtlichen liebevollen Hippolite Gemahl! – Ich sage Ihnen, erwiederte Manfred herrisch, Hippolite ist nicht länger meine Gattin; ich scheide mich in dieser Stunde von ihr: zu lange trage ich den Fluch ihrer Unfruchtbarkeit, mein Schicksal hängt von männlicher Nachkommenschaft ab, – und diese Nacht eröfnet, ob Gott will! meinen Hofnungen eine neue Aussicht; bey diesen Worten ergrif er Isabellens kalte Hand. Sie war halbtod vor Schrecken und Abscheu, sie schrie auf und fuhr zurück. Manfred erhob sich sie zu verfolgen, als der Mond der jetzt aufgegangen war, und durch das entgegenstehende Fenstergeschoß fiel, seinem Anblick die Federn des unglücksweissagenden Helms zeigte, die sich zu der Höhe der Fenster erhoben, und wie im Sturm, vorwärts und rückwärts schwankten; ein holer rasselnder Ton begleitete sie. Isabelle schöpfte Muth aus ihrer Lage, und scheute nichts so sehr, als daß Manfred in seiner Erklärung fortfahren mögte. Sehn Sie, gnädiger Herr! rief sie; bemerken Sie, daß selbst der Himmel Ihren sündigen Absichten widerspricht! – Himmel und Hölle sollen meinem Vorsatz nicht einhalten, sprach Manfred, und nahte sich aufs neue der Prinzessin, sie zu ergreifen. In dem Augenblick erseufzte das Bildniß seines Großvaters, das über der Bank hing, wo sie gesessen hatten, aus tiefer Brust. Isabelle, die dem Gemälde den Rücken zukehrte, sah die Bewegung nicht, noch wuste sie von wannen dieser Laut kame, aber sie fuhr zusammen und sprach: hören Sie, gnädiger Herr? welch ein Laut ist das? zu gleicher Zeit ging sie auf die Thür zu. Manfred, getheilt zwischen dem Vorsatz Isabellens Entweichung zu verhindern, die jetzt bis an die Treppe gekommen war, und der Unmöglichkeit, seine Augen von dem Gemälde abzuwenden, das sich zu bewegen anfing, war ihr dennoch einige Schritte gefolgt, mit beständigem Rückblick auf das Bildniß, als er es seinen Rahmen verlassen sah, und ernst und schwermüthig zum Boden herabsteigen. Träum’ ich? rief Manfred zurückkehrend; oder sind die Teufel selbst gegen mich verbunden? Rede, Gespenst der Hölle! oder bist du mein Ahnherr, warum verschwörst auch du dich, gegen deinen unglücklichen Abkömmling, der zu theuer büßt was – Ehe er seine Rede endigen konnte, seufzte die Erscheinung von neuem, und winkte Manfred ihr zu folgen. Voran! rief Manfred, ich folge dir in den Abgrund der Verdammniß! Das Gespenst ging langsam und traurig bis ans Ende des Ganges, in ein Zimmer rechter Hand. Manfred folgte ihm in kleiner Entfernung, voll Bekümmerniß und Abscheu, aber entschlossen. Da er in das Zimmer treten wollte, schlug eine unsichtbare Hand die Thür gewaltsam vor ihm zu. Des Fürsten Muth wuchs durch dieses Hinderniß, er strebte die Thür mit dem Fuß aufzusprengen, aber sie widerstand seinen Kräften. Will die Hölle meine Neugier nicht befriedigen, sprach Manfred, so sollen menschliche Mittel, die in meiner Hand stehen, meinen Stamm erhalten; Isabelle darf mir nicht entgehen.

      Des Fräuleins Entschlossenheit wich, sobald sie Manfred verließ, dem Schrecken; sie floh bis an den Fuß der Haupttreppe. – Hier stand sie einen Augenblick still, und wuste nicht wohin sie ihre Schritte wenden solle, oder auf was Art der Gewaltthätigkeit des Fürsten entkommen. Die Thore der Burg waren bekanntlich geschlossen, und Wächter im Hofe ausgestellt. Ihr Herz trieb sie zu Hippoliten zu gehen, und sie auf das grausame Schicksal vorzubereiten, das ihrer wartete: ab er dort würde sie Manfred ohne Zweifel suchen, seine Heftigkeit könnte ihn verleiten, das Unrecht, das er vorhatte, zu verdoppeln, und ihnen bliebe kein Raum, den Ausbruch seiner Leidenschaft zu vermeiden. Aufschub hingegen würde ihm Zeit geben, die Abscheulichkeit seiner Entwürfe einzusehen, oder einen günstigen Umstand für Isabellen herbeyführen, wenn sie nur wenigstens diese Nacht seinem verhaßten Vorsatz entzogen würde. Wohin aber sollte sie sich verbergen? wie seiner Nachforschung entrinnen, die sich ohne Zweifel durch die ganze Burg erstrecken würde? Von diesen Gedanken bestürmt, die sich einer den andern jagten, erinnerte sie sich eines unterirrdischen Ganges, der von den Gewölben der Burg zu der San Nicola Kirche führte. Konnte sie den Altar erreichen, ehe man sie einholte, so wuste sie, selbst Manfreds Gewaltthätigkeit werde nicht wagen, eine so heilige Stätte zu entweihen; auch faßte sie den Entschluß, wenn sich kein ander Mittel zu ihrer Befreyung darböte, sich auf immer unter die heiligen Jungfrauen einzusperren, deren Kloster an den Dom stieß. In diesem Vorsatz ergrif sie eine Lampe, die am Fuß der Treppe brannte, und eilte zu dem geheimen Durchgang.

      Der untere Theil der Burg war in verschiedene sehr durcheinander laufende Kreuzgänge ausgehölt; und es war nicht leicht, für jemanden der so geängstigt ward, die Thüre zu finden, welche die Höle aufschloß. Eine schauerliche Stille herrschte in diesen unterirrdischen Gegenden. Zuweilen nur erschütterte ein Windstoß die Thüren, durch die sie gekommen war, und das Scharren ihrer rostigen Angeln hallte durch das lange Labyrinth der Finsterniß wieder. Jedes Geräusch erfüllte sie mit neuen Schrecken; und doch fürchtete sie noch viel mehr Manfreds wütende Stimme zu vernehmen, wie er seine Bedienten antriebe, sie zu verfolgen. Sie trat so leise auf als ihre Ungeduld nur erlauben konnte, und doch stand sie oftmals still und horchte, ob man ihr auch folge? In einem dieser Augenblicke kam es ihr vor, sie höre einen Seufzer. Sie schauderte und trat einige Schritte zurück. Gleich darauf schien es ihr, sie vernehme einen Fußtritt. Ihr Blut erstarrte, sie schloß es sey Manfred. Jede Vorstellung, die das Entsetzen eingeben kann, bestürmte ihre Seele. Sie verurtheilte ihre rasche Flucht, die sie seiner Wuth an einem Ort blos gegeben habe, wo ihr Geschrey wahrscheinlich niemandes Beistand herzurufen könne. Doch schien das Geräusch nicht von hintenher zu kommen. Wuste Manfred wo sie war, so muste er ihr gefolgt seyn. Noch war sie in einem der Kreuzgänge, und hatte den Fußtritt zu deutlich gehört, als daß er dort her kommen sollte, wo sie gewesen war. Diese Betrachtung gab ihr Muth. Wer nicht der Fürst war, in dem hofte sie einen Freund zu finden. Schon wollte sie vorwärts gehen, als eine Thür, die in einiger Entfernung zur linken angelehnt war, leise geöfnet ward: aber bevor ihre Lampe, die sie in die Höhe hielt, ihr entdecken konnte wer sie geöfnet habe, ging der Oefner, bey dem Anblick des Lichtes, schnell zurück.

      Jeder Vorfall war hinreichend, Isabellens Muth zu erschüttern. Sie stand an, ob sie weiter gehen sollte. Aber bald überwog jeden andern Schrecken, die Furcht vor Manfred. Selbst der Umstand, daß man sie vermeide, gab ihr eine Art Herzhaftigkeit. Sie schloß daraus, es könne nur jemand seyn, der zur Burg gehöre. Ihre Sanftmuth hatte sie vor aller Feindschaft bewahrt, und das Bewußtseyn ihrer Unschuld ließ sie hoffen, die Diener des Fürsten würden, ohne ausdrücklichen Befehl ihres Herrn, sie zu suchen, ihre Flucht vielmehr befördern als verhindern. Durch diese Betrachtung gestärkt, und in dem Glauben, so weit ihre Bemerkungen reichten, daß sie dem Eingang der unterirrdischen Höle nahe sey, ging sie auf die Thür zu die man geöfnet hatte; aber ein plötzlicher Windstoß fuhr auf sie los, eben da sie hereintreten wollte, löschte ihre Lampe aus, und ließ sie in völliger Finsterniß.

      Es ist unmöglich, die entsetzliche Lage der Prinzessin auszudrücken. Allein, an einer so fürchterlichen Stäte, ihre Seele belastet mit den schrecklichen Begebenheiten des Tages, entsagend aller Hofnung auf Rettung, jeden Augenblick in Erwartung daß Manfred erscheinen werde, und weit entfernt ruhig zu seyn, bey dem Bewußtseyn einer Nachbarschaft, die sie nicht kannte, die ihre Ursachen haben muste sich dort zu verbergen: alle diese Gedanken, bedrängten ihr aus seiner Fassung gebrachtes Gemüth, sie war nahe daran unter solchen Besorgnissen zu erliegen, da war kein Heiliger des Himmels den sie nicht anrief, dem sie nicht in stillem Herzensgebet sich empfahl. So blieb sie lange Zeit, in der Todesangst der Verzweiflung. Endlich fühlte sie so leise sie konnte nach der Thür, fand sie, und trat zitternd in das Gewölbe, woher sie Seufzer und Fußtritte vernommen hatte. Es gewährte ihr eine Art augenblicklicher Freude, einen gebrochenen Strahl des bewölkten Mondes durch die Decke des Gewölbes schimmern zu sehn, welches von oben eingedrängt schien, und woran noch ein Theil Erde oder Mauerwerk hing; was es war, konnte sie nicht unterscheiden. Hastig trat sie auf diese Oefnung zu, als sie eine menschliche Gestalt an die Mauer gedrückt erblickte.

      Sie schrie auf, indem sie glaubte, den Geist ihres Bräutigams Corrado zu gewahren. Die Gestalt näherte sich, und sprach mit unterwürfigem Ton: Erschrecken Sie nicht, Signora, ich will Ihnen


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