Die Burg von Otranto. Horace Walpole

Die Burg von Otranto - Horace Walpole


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ihm zu antworten: Wer Sie auch seyn mögen, erbarmen Sie sich einer unglücklichen Fürstin, die am Rande ihres Verderbens steht. Helfen Sie mir, aus dieser verhaßten Burg entrinnen, oder ich mag in wenig Augenblicken verlohren seyn. Weh mir! sagte der Fremde, was kann ich thun das Ihnen helfe? Ich will sterben zu Ihrer Vertheidigung; aber die Burg ist mir unbekannt, und ich weiß – O unterbrach ihn Isabelle hastig, helfen Sie mir nur eine Fallthüre finden, die hier herum liegen muß; das ist der gröste Dienst, den Sie mir erzeigen können, denn ich habe keinen Augenblick zu verlieren. Bey diesen Worten fühlte sie auf dem Boden herum, und wieß den Fremden an, gleichfalls nach einem glatten Stück Kupfer zu suchen, das einem der Steine eingelegt sey. Das, sagte sie, ist das Schloß, welches durch eine Feder aufspringt, deren verborgenen Druck ich kenne. Finden wir das, so mag ich entkommen – wo nicht, gefälliger Fremdling, muß ich befürchten, Sie in mein Unglück eingeflochten zu haben: Manfred wird Sie in Verdacht ziehen, der Mitschuldige meiner Flucht gewesen zu seyn, und Sie fallen, ein Opfer seiner Rache. Ich achte mein Leben nicht, antwortete der Fremdling, und kann mich trösten, daß ich es verliere, wenn es im Versuch geschieht, Sie von seiner Tyranney zu befreyen. Großmüthiger Jüngling, erwiederte Isabelle, bin ich je im Stande – da sie diese Worte aussprach, fiel ein Mondstrahl, durch die Spalte der obern Trümmer, grade auf das Schloß das sie suchten. – O Glück! rief Isabelle, hier ist die Fallthür! Sie berührte seine Feder, die zur Seite sprang, und einen eisernen Ring entdeckte. Heben Sie die Thür auf, sagte die Prinzessin. Der Fremde gehorchte; und unten erschienen einige steinerne Stufen, die in ein ganz dunkles Gewölbe führten. Wir müssen hier hinabsteigen, sprach Isabelle: folgen Sie mir. So finster und unheimlich es aussieht, können wir doch unsers Weges nicht verfehlen; er führt gerade in die Kirche San Nicola. Aber vielleicht, setzte die Prinzessin bescheiden hinzu, haben Sie keine Ursach die Burg zu verlassen? Auch bedarf ich Ihrer Hülfe nicht weiter, in wenig Augenblicken bin ich vor Manfreds Wuth gedeckt – nur lassen Sie mich wissen, wem ich so viele Verbindlichkeit schuldig bin? Ich will Ihre Hoheit nie verlassen, sagte der Fremde mit Nachdruck, bis ich Sie in Sicherheit sehe; doch halten Sie mich nicht für großmüthiger als ich bin. Sie zwar sind meine vorzüglichste Sorge – Hier ward der Fremde durch ein plötzliches Geräusch von Stimmen unterbrochen, die sich zu nähern schienen, und bald vernahmen sie diese Worte: Schwazt mir nur nicht von Schwarzkünstlern! sie muß in der Burg seyn, sag’ ich euch; ich finde sie trotz aller Zauberkraft! –

      O Himmel! rief Isabelle, es ist Manfreds Stimme! eilen Sie oder wir sind verlohren! schliessen Sie die Fallthüre hinter sich! So sprach sie, und ging hastig die Treppe hinunter; und da der Fremde ihr folgen wollte, glitt ihm die Thür aus der Hand, fiel nieder, und die Feder sprang zu. Vergeblich suchte er sie zu eröffnen, denn er hatte nicht bemerkt wie Isabelle sie aufgedrückt hatte, auch ließ man ihm nicht lange Zeit Versuche zu machen. Manfred hörte das Getöse der Fallthür, der Ton leitete ihn des Weges, er eilte hinzu, seine Bedienten mit Fackeln um ihn. Das ist sicherlich Isabelle, rief Manfred, ehe er in das Gewölbe trat, sie entwischt durch den unterirrdischen Gang, aber weit kann sie noch nicht gekommen seyn. –

      Wie groß war des Fürsten Erstaunen, als statt Isabellens, das Licht der Fackeln ihm den jungen Landmann entdeckte, den er unter dem verwünschten Helm gefangen glaubte. Verräther! sprach Manfred, wie kommst du hieher? ich dachte du wärest oben auf dem Hofe eingesperrt. Ich bin kein Verräther, antwortete kühnlich der junge Mann, und nicht verantwortlich, für das was Ihre Hoheit denken. Unverschämter Sclave! rief Manfred, reizest du meinen Zorn? sprich, wie bist du oben entkommen? du hast deine Wache bestochen, sie büßt mit ihrem Leben dafür. Meine Armuth, antwortete ruhig der Landmann, wird ihre Unschuld beweisen. Die Diener Ihres grausamen Zorns sind Ihnen getreu, und nur zu willig die Befehle zu erfüllen, die Ihre Ungerechtigkeit ihnen auflegt. Bist du so verstockt meiner Rache zu trotzen, sprach der Fürst, so soll die Folterbank dir die Wahrheit abzwingen! Rede, wer sind deine Mitschuldigen? Der ist mitschuldig, antwortete der Jüngling lächelnd, und wieß auf die Decke. Manfred befahl die Fackeln empor zu heben, und ward gewahr, daß ein Bodenstück der bezauberten Sturmhaube das Pflaster des Hofes durchbrochen habe, als seine Diener sie über den Landmann fallen liessen, und in das Gewölbe eingebrochen sey. Durch diese Oefnung hatte sich der Gefangene einige Minuten vorher gezwängt, ehe Isabelle ihn fand. Bist du da herunter gekommen? fragte Manfred. Ja, antwortete der Jüngling. Woher aber kam das Geräusch, sagte Manfred, das ich bey meinem Eintritt in den Kreuzgang vernahm? Ich hörte eine Thür zuschlagen, erwiederte der Landmann. Welche Thür? fragte Manfred hastig. Ich bin unbekannt in Ihrer Hoheit Burg, sagte der Gefangene, ich betrat sie heute zum erstenmal, und bin nie weiter gekommen als in dieses Gewölbe. Ich sage dir aber, versetzte Manfred, der gerne erforschen wollte, ob der Jüngling die Fallthür entdeckt habe, von hier kam das Geräusch, meine Diener vernahmen es wie ich. Gnädiger Herr, unterbrach ihn ein dienstwilliger Beyläufer, es war sicherlich die Fallthür, durch die er eben entwischte. Schweig Dummkopf, fuhr der Prinz ihn zornig an, wenn er entwischt wäre, so ständ er nicht an dieser Seite. Aus seinem Munde will ich wissen, welches Geräusch ich hörte. Sprich die Wahrheit, dein Leben hängt davon ab. Wahrheit ist mir theurer als mein Leben, antwortete der Landmann; ich mögte dieses nicht damit erkaufen, daß ich jenes aufgäbe. Wirklich, du Tugendheld? sprach Manfred verächtlich; nun so sag’ an, welch ein Geräusch hab’ ich gehört? Fragen Ihre Hoheit mich nach Dingen die ich beantworten kann, antwortete jener, und lassen Sie mich auf der Stelle tödten, wenn ich lüge. Manfreds Geduld ermüdete, bey dem standhaften Muth und der Gleichgültigkeit des Jünglings. Nun dann, rief er, Mann der Wahrheit! antworte! hab’ ich das Geräusch der Fallthüre gehört? Ja, sagte der Jüngling. Ja, fuhr der Fürst fort, und wie wußtest du, daß eine Fallthür hier sey? Ich sah die Kupferplatte bey dem Licht des Mondscheins, versetzte er. Wer sagte dir, es sey ein Schloß? versetzte Manfred. Wer lehrte dich das Geheimniß es zu öfnen? Die Vorsehung, die mich aus dem Helm erlöste, war wohl im Stande, mir die Feder eines Schlosses anzudeuten, war seine Antwort. Die Vorsehung hätte ein wenig weiter gehen sollen, und dich auch der Erreichung meiner Rache entziehn, versetzte Manfred: die Vorsehung lehrte dich das Schloß öfnen; und gab dich wieder auf, weil du ein Narr warst, der ihre Gunst nicht zu gebrauchen verstand. Warum folgtest du dem Pfade nicht, der sich deiner Flucht öfnete? Warum schlossest du die Fallthür, ehe du die Stufen hinunterstiegst? Ich könnte Sie fragen, gnädiger Herr, antwortete der Bauer, wie ich, dem ihre ganze Burg unbekannt ist, wissen sollte, daß diese Stufen mich herauslassen würden? Aber ich mag Ihren Fragen nicht ausweichen. Wohin diese Stufen auch führen, ich hätte den Weg erkundet, ich konnte mich nie in einer schlimmern Lage befinden, als in der ich war. Aber die Wahrheit zu gestehn, die Fallthüre glitt mir aus der Hand, und unmittelbar darauf erschienen Ihre Hoheit. Ich hatte Lärm gemacht, was half es mir jetzt, eine Minute früher oder später ergriffen zu werden? Du bist für deine Jahre ein sehr entschloßner Frevler, sprach Manfred; doch scheint es mir, nach reifer Ueberlegung, du treibst deinen Spott mit mir: du hast mir noch nicht gesagt, wie du das Schloß eröfnetest? Das will ich Ihnen zeigen, gnädiger Herr, sprach der Bauer, ergrif einen Stein der von oben herab gefallen war, kniete auf die Fallthür, und hämmerte über dem Stück Kupfer, das sie bedeckte. Dadurch hofte er, der Prinzessin Zeit zur Flucht zu gewinnen. Diese Gegenwart des Geistes, und seine jugendliche Freymüthigkeit, machten Manfred wankend. Er fühlte sogar eine Neigung dem zu verzeihen, der sich nie eines Verbrechens schuldig gemacht hatte. Manfred war kein wilder Tyrann, der sich an ungereizter Grausamkeit ergötzt. Nur hatte die Lage seines Schicksals, die natürliche Milde seiner Stimmung rauh gemacht. Seine Tugenden waren immer bereit zu wirken, wenn Leidenschaften seine Vernunft nicht verfinsterten. In dem sich der Fürst in dieser Unentschlossenheit befand, hallte ein verwirrtes Geräusch von Stimmen durch entfernte Gewölbe. Wie sich das Getöse näherte, unterschied er den Ruf einiger Diener, die er durch die Burg zerstreut hatte, Isabellen zu suchen. Wo ist unser gnädiger Herr? Wo ist der Fürst? Hier bin ich, sagte Manfred, als sie in der Nachbarschaft waren; habt ihr die Prinzessin gefunden? O gnädiger Herr! erwiederte der erste der ankam, ich bin froh Ihre Hoheit zu finden. Mich zu finden! sagte Manfred, habt ihr die Prinzessin gefunden? Das glaubten wir, gnädiger Herr! antwortete der Mensch, der ganz erschrocken aussah, aber – Aber was? rief der Fürst; ist sie entflohen? Jago und ich, gnädiger Herr – Ja, Diego und ich, unterbrach ihn der andere, der noch viel verstörter hinzutrat – Sprecht nur einer auf einmal, gebot Manfred; ich frage euch, wo ist die Prinzessin? Das wissen wir nicht, antworteten beyde zugleich; vor Schrecken haben wir fast den Verstand verlohren – Das kann euch nicht schwer fallen, erwiederte Manfred;


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