Der sechste Sinn. Palle Adam Vilhelm Rosenkrantz

Der sechste Sinn - Palle Adam Vilhelm Rosenkrantz


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während die starken braunen Finger des Ingenieurs über die weißen und schwarzen Tasten hinspielten, glitt Onkel Bus auf den Flügeln der Töne empor zu höheren Sphären, dort wo immer Musik gemacht wird.

      Die Sonne schien auf den Schnee draußen und warf weiße Reflexe gegen das Fenster, wo Monny stand, träumend den Kopf gegen das kalte Glas gelehnt, während sie hinausspähte zwischen den Bäumen hindurch nach dem Waldhüterhaus drüben auf dem Hügel am Waldrande, wo der schiefe niedrige Schornstein Ringe gegen den blauen Himmel emporblies. Und die Sonnenstrahlen glitten über ihr braungelocktes Haupt, streiften Tines rote Wangen, wirrten sich aus den hellen aschblonden Locken heraus und blieben ruhig auf der weißen Haube von Tante Mus liegen, die am Ende des Tisches saß und die fleißigen Finger mit großen gelben Stricknadeln arbeiten ließ, während ihre lieben mütterlichen Augen auf Tyr und Tut ruhten, die sich unter dem Tisch mit freundschaftlichen Fußtritten bedachten.

      Wie – hätte irgend ein Schriftsteller im indianischen Sommer das schöner machen können.

      »Monny komm her und wende für Ingenieur Willumsen die Seiten um,« erklang Busgaards Stimme oben von den Sphären herab. Monny zögerte.

      »Monny, Dein Vater rief,« ließ sich die milde Stimme der Mutter vernehmen.

      Und Monny ging langsam durchs Zimmer, während das Cello mit seinen tiefsten, sanftesten Flötentönen lockte, und es unter Willumsens Händen pianissimo wie Silberglöckchen läutete.

      Das Blatt wurde umgewendet und Monny ging finster und oppositionell zum Fenster und zu ihren Träumen zurück.

      Das Cello flötete so wehmütig und die Glocken klangen so schelmisch – da knarrte plötzlich die Tür – und ging ganz langsam auf, während Onkel Bus Ruhe gebietend den Kopf schüttelte.

      Es war Klemmesen.

      Er brachte Neuigkeiten – und die trieben ihn vorwärts, aber die Abwehr seines Herrn lähmte seinen Schritt; er blieb stehen und drehte den Kopf, bald nach rechts, bald nach links, trat von einem Fuß auf den anderen, geriet dann unter die Macht des Cello und begann mit dem Kopf den Takt zu schlagen, während die Neuigkeit ihm auf den Lippen brannte.

      Die Hausfrau beugte sich zu ihm.

      »Was gibt's, Klemmesen?«

      Da kam es heraus – leise flüsternd, tuschelnd aber fest und deutlich.

      »Du guter Gott, Bus« – die Frau fuhr in die Höhe – »Klemmesen sagt, daß Sau Nr. 16 Ferkel bekommt und sie ebenso schnell auffrißt wie sie kommen . . .«

      Ratsch – Die Musik brach ab, und Busgaard fuhr in die Höhe.

      »Was sagst Du, Mutter? – Monny, Tine nimm das Instrument – da mag der Teufel Landmann sein.«

      Das Violoncell fiel in Tines Schoß, Monny verwickelte sich mit den Füßen in Mutters Garnknäueln, und Tyr und Tut hüpften von ihren Stühlen. Aus der Idylle wurde ein Wirrwarr, der nur kinematographisch wiederzugeben ist.

      »Warum zum Teufel« – »Bus,« tönte es ermahnend von den Lippen der Hausfrau.

      »Warum sagten Sie das nicht gleich? – Sie Leithammel, Idiot, Oberjütländer . . .«

      »Der Herr Gutsbesitzer spielten so herrlich,« sagte der Verwalter und legte den Kopf auf die Schulter.

      Busgaard zog die Hosen hinauf und stampfte sich Zirkulation in die Beine: »Danke schön, aber wenn bei jedem Takt ein Saugferkel darauf geht, so wird es weiß Gott eine etwas zu teure Sonate. – Kommen Sie . . .«

      Und Busgaard schnurrte herum wie ein Kreisel.

      Tyr und Tut im Chor: »Ach Vater, dürfen wir mitkommen?«

      Seid ihr verrückt, Jungens, erscholl Vaters Stimme; aber Tyr blieb dabei:

      »Es ist so hübsch zu sehen, wenn eine Sau Ferkel kriegt. – Dürfen wir nicht, Mutter?« Und ehe die Frage beantwortet war, eilten Busgaard, Klemmesen und die beiden Knaben zur Tür hinaus nach den Gegenden wo es duftet, und wo eine Sau lebendige Junge bekam.

      Tine lächelte und Monny wandte sich an den Ingenieur.

      »Wollen Sie nicht mit hinaus und das ländliche Schauspiel betrachten, Herr Willumsen?«

      Augenblicklich flog der Ball zurück: »Ja, wenn die Damen meinen –.«

      Tines Lächeln löste sich in Lachen auf und Monny warf den Kopf in den Nacken. Frau Busgaard beschwichtigte freundlich. Es amüsierte sie, Monnys kleine Attacken auf den Ingenieur zu beobachten. Sie verstand sie nicht ganz, sie konnten das eine oder das andere bedeuten. Und daß sie Arthur Franck bedeuteten, wußte die zärtliche Mutter so nicht. Zärtliche Mütter wissen nicht alles, und brauchen vielleicht auch nicht alles zu wissen.

      Willumsen hatte seine Ahnungen und war im Begriff, seine Vortruppen zu einem kleinen Vorstoß zu ordnen.

      »Fräulein Monny,« sagte er äußerst freundlich, »machen Sie nicht einen kleinen Spaziergang bei dem herrlichen Wetter?«

      Monny warf den Kopf zurück und sagte spitz: »Nein, danke.«

      »Ich glaube, ich tue es,« sagte der Ingenieur darauf. »Ich bin nicht wie Sie, Fräulein Monny, die am liebsten lange Spaziergänge allein macht.«

      »Geniert Sie das?« tönte es wie eine Aufforderung zum Kampf.

      »Nur insofern, als ich Wert darauf legen würde, dabei zu sein,« erwiderte der Ingenieur und fügte hinzu: »sehr großen Wert.«

      Monny sah ihn groß an: »danke, dann bleibe ich lieber zu Hause.«

      Jetzt kam der erste scharfe Schuß: »Man sollte meinen, Sie gingen zum Stelldichein.«

      Monny richtete sich empor, schritt durchs Zimmer, stemmte die Hände in die Seiten und blieb mitten vor ihrem Feinde stehen: »Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, unverschämter Mensch!«

      »Aber Monny!« erscholl es im Chor von Mutter und Schwester. Doch Monny ging stolz und hochaufgerichtet wie Carmen im ersten Akt durchs Zimmer und verschwand durch die Eßzimmertür.

      Willumsen sah ihr lange nach, und sagte dann zu Tine gewandt: »Sie kann mich gewiß nicht recht leiden.«

      Tine lachte. »Das scheint so.«

      »Ist sie in einen anderen verliebt?« fragte Willumsen prüfend.

      »Nicht daß ich wüßte,« antwortete Tine. »Glaubst Du wohl, Mutter?«

      »Nein, da garantiere ich dafür,« sagte Frau Busgaard und legte das Strickzeug beiseite. »Machen Sie sich nichts daraus, Herr Ingenieur. Monny ist ein Kind. Sie ist ein wenig eigen. Sie meint es gut.«

      Willumsen lächelte. »Mit mir meint sie es jedenfalls ehrlich. Und Ihr Mann ist vielleicht auch zu freundlich gegen mich.«

      Frau Busgaard nickte. – »Wir nehmen das zweite Frühstück heute etwas zeitiger. Der Wagen ist nach der Stadt, meinen Neffen abzuholen. Ich habe ihm telegraphiert, er kommt mit dem Morgenzug.«

      Tine fuhr mit einem Ruck in die Höhe.

      »Thomas kommt?«

      »Es sollte eine Überraschung sein,« sagte Frau Busgaard freundlich. »Freust Du Dich darüber, Tine?«

      Tines ganze Person sprach – nur ihr Mund schwieg.

      Frau Busgaard erklärte: »Sie müssen wissen, Herr Ingenieur, daß ich kein rechtes Zutrauen zu unserem neuen Kreisrichter habe. Er wird die Diebesgeschichte kaum allein aufklären können, und mein Neffe ist ein wahres Wunder in dieser Richtung. Darum habe ich ihn gebeten, zu kommen. Ich habe meinem Mann nichts davon gesagt. Er kann Thomas Art nicht recht leiden. Aber wenn mein Neffe erst hier ist, wird er sich, meine ich, schon darein finden. Das Wichtigste ist ja, daß wir den Dieb finden. Meinen Sie nicht auch?«

      Willumsen verneigte sich »Selbstverständlich. Nichts ist so häßlich wie der Argwohn, der sich unwillkürlich auf die Leute im Hause richtet. Aber ich glaube doch, Sie tun dem Kreisrichter unrecht. Heiden ist ein stiller Mann, eine Künstlernatur, aber er ist kein dummer Mann, und sein Amt versieht er gut.«

      »Man sagt,


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