Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз

Die Frau in Weiss - Уилки Коллинз


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Entschluß, nur die lächerliche Seite der schönen Künste, wie dieselben von ihr, ihrer Schwester und von Damen im Allgemeinen betrieben wurden, zu sehen, unmöglich gemacht. Es wird mir viel leichter, mich der Unterhaltung zu erinnern, als der Zeichnungen, welche ich mechanisch durchblätterte. Namentlich ist jener Theil des Gespräches, an dem Miß Fairlie Antheil nahm, mir noch so frisch im Gedächtnisse, als ob ich ihn erst vor wenigen Stunden gehört hätte.

      Ja, laßt mich es nur bekennen, daß schon an diesem ersten Tage der Reiz ihrer Gegenwart mich die Erinnerung an mich selbst und an meine Tage aus dem Auge verlieren ließ. Die unbedeutendsten Fragen, die sie über die Art und Weise, ihren Bleistift zu gebrauchen oder ihre Farben zu mischen, an mich richtete – die geringste Veränderung des Ausdruckes in den lieben Augen, wenn sie mit dem ernstlichen Wunsche, Alles zu lernen, das ich ihr zeigen konnte, in die meinigen schauten, zogen meine Aufmerksamkeit mehr auf sich als die schönsten Landschaften, an denen wir vorüberfuhren, oder die großartigsten Abwechslungen von Licht und Schatten, die über der hügeligen Haide und dem flachen Strande ineinander schmolzen.

      Ist es nicht zu jeder Zeit und unter allen Verhältnissen menschlichen Interesses seltsam zu sehen, wie wenig die Gegenstände der natürlichen Welt, in der wir leben, unsere Herzen und Gemüther festzuhalten vermögen?

      Bei der Natur suchen wir Trost in Trübsal, Theilnahme in der Freude aber in Büchern.

      Die Bewunderung der Schönheiten der leblosen Welt welche die moderne Dichtkunst auf so ausführliche und beredte Weise beschreibt, ist selbst in den Besten von uns kein ursprünglicher Instinct der Natur. Als Kinder fühlen wir sie nicht. Den Ungebildeten ist sie fremd. Diejenigen, welche am ausschließlichsten unter den immer wechselnden Wundern des Meeres und des Landes leben, sind zu gleicher Zeit die am wenigsten Empfänglichen dafür, sobald die Naturschönheiten nicht unmittelbar mit dem Interesse ihres eigenen Gewerbes in Verbindung stehen. Unsere Fähigkeit, die Schönheiten der Erde, auf der wir leben, zu schätzen, gehört in Wahrheit zu jener civilisirten Ausbildung, die wir Alle als eine Kunst lernen; und, was noch mehr ist, sie wird selten von uns in Anwendung gebracht, außer wenn unser Geist am trägsten und unthätigsten ist. Welchen Antheil haben wohl je die Schönheiten der Natur an unseren oder unserer Freunde angenehmen oder schmerzlichen Interessen gehabt? Welchen Raum nehmen sie in den tausend kleinen Mittheilungen über persönliche Erfahrungen ein, die wir täglich mündlich einander machen? Alles, was unser Geist erfassen, Alles, was unsere Herzen aufzunehmen im Stande sind, kann mit derselben Sicherheit, demselben Nutzen und derselben Befriedigung für uns sowohl in der dürftigsten als in der reichsten Landschaft, welche die Erde bietet, ausgerichtet werden. Es muß sicher einen Grund geben für diesen Mangel an angeborener Sympathie zwischen dem Geschöpfe und der Schöpfung, der vielleicht in den weit auseinander liegenden Bestimmungen des Menschen und seiner irdischen Sphäre zu finden wäre. Die großartigste Gebirgsaussicht, über die das Auge nur hinschweifen kann, ist der Vernichtung geweiht. Das kleinste menschliche Interesse, das ein reines Herz nur fühlen kann, ist der Unsterblichkeit vorbehalten.

      Wir waren beinahe drei Stunden aus gewesen, als der Wagen wieder durch die Thore von Limmeridge House fuhr.

      Auf dem Rückwege hatte ich die Damen selbst die Ansicht wählen lassen, welche sie am Nachmittag des folgenden Tages unter meiner Aufsicht zeichnen sollten. Als sie sich zurückgezogen hatten, um ihre Mittagstoilette zu machen, und ich in meiner kleinen Wohnstube allein war, schien mein Frohsinn mich plötzlich zu verlassen. Ich war unruhig und unzufrieden mit mir und wußte kaum warum, vielleicht wurde ich mir zum ersten Male bewußt, daß ich unsere Spazierfahrt mehr in der Eigenschaft eines Gastes als in der eines Zeichenlehrers genossen hatte. Vielleicht verfolgte mich noch immer jenes seltsame Gefühl eines Mangels in Miß Fairlie – oder in mir selbst – das sich mir aufgedrungen, als ich ihr zuerst vorgestellt wurde, jedenfalls aber war es mir eine große Erleichterung, als die Stunde des Mittagessens mich aus meiner Einsamkeit rief und wieder in die Gesellschaft der Damen des Hauses führte.

      Als ich in den Salon trat, frappirte mich der sonderbare Kontrast mehr der Farbe als des Stoffes der Kleider, die sie jetzt trugen, während Mrs. Vesey und Miß Halcombe (Jede nach der Weise, wie es am besten zu ihrem Alter paßte) reich gekleidet waren – die Erstere in silbergrauer, die Zweite in blaßgelber Seide, welche so schön mit dunklem Haar und dunkler Hautfarbe harmonirt – trug Miß Fairlie blos ein einfaches, beinahe allzu schlichtes weißes Musselinkleid. Es war vom reinsten Weiß und wunderhübsch gearbeitet; aber es war bei alledem ein Kleid, wie es die Tochter eines armen Mannes hätte tragen können und gab der Erbin von Limmeridge House, was die äußere Erscheinung betraf, ein ärmeres Aussehen als das ihrer eigenen Erzieherin. Später, als ich Miß Fairlie’s Charakter näher kennen lernte, entdeckte ich, daß dieser sonderbare Contrast nach der verkehrten Seite hin aus ihrem natürlichen Zartgefühle und ihrer Abneigung gegen Alles Zurschautragen ihres Reichthums entsprang, weder Mrs. Vesey noch Miß Halcombe konnten sie je überreden, durch vorteilhaftere Kleidung die beiden Damen, die arm waren, in den Schatten, und ihre eigene Person, die reich war, in’s Licht zu stellen.

      Als das Mittagessen vorüber war, kehrten wir Alle in den Salon zurück. Obgleich Mr. Fairlie (in Nachahmung der erhabenen Herablassung jenes Monarchen, der Titian’s Pinsel aufgehoben hatte) seinem Kellermeister Befehl gegeben, mich zu fragen, welchen Wein ich nach Tisch zu trinken wünsche, war ich entschlossen genug, der Versuchung, in einsamem Prunke unter Flaschen meiner eigenen Wahl zu sitzen, zu widerstehen und vernünftig genug, die Damen um Erlaubniß zu bitten, den Tisch nach Sitte anderer civilisirten Länder während meines Aufenthaltes in Limmeridge House mit ihnen zugleich verlassen zu dürfen.

      Der Salon, in den wir uns jetzt für den Rest des Abends zurückgezogen hatten, lag zur ebenen Erde und war von derselben Größe wie das Frühstückszimmer. Große Glasthüren am unteren Ende führten auf eine Terrasse, die ihrer ganzen Länge nach mit einer Masse von schönen Blumen geschmückt war. Das sanfte, dürftige Zwielicht schattirte eben Blatt und Blüthe mit seinen ernsten Tönen zu sanfter Harmonie, als wir in den Salon traten, und der süße Abendduft der Blumen drang uns durch die offenen Glasthüren mit seinem lieblichen Willkommen entgegen. Die gute Mrs. Vesey (wie immer die Erste, die sich setzte) nahm Besitz von einem Armsessel in einer Ecke und schlummerte bald darauf ein. Auf meine Bitte setzte Miß Fairlie sich an’s Klavier. Als ich ihr zu einem Sitze neben dem Instrumente folgte, sah ich Miß Halcombe sich in die Vertiefung eines der Seitenfenster zurückziehen, um das Durchlesen der Briefe ihrer Mutter bei den letzten Strahlen des Abendlichtes fortzusetzen.

      Wie lebhaft jenes friedliche, häusliche Bild des Salons wieder vor mir steht, während ich schreibe! Von der Stelle, an der ich saß, konnte ich Miß Halcombe’s graziöse Gestalt, halb in dem sanften Lichte und halb in dem geheimnisvollen Schatten, sich aufmerksam über die Briefe in ihrem Schooße beugen sehen, während neben mir das schöne Profil der Clavierspielerin sich ganz leicht auf dem Hintergrunde der inneren Wand des Zimmers abzeichnete. Draußen auf der Terrasse bewegten sich die Blumen, die Gräser und Schlingpflanzen so sanft in der leichten Abendluft, daß ihr Rauschen nicht bis zu uns drang. Der Himmel war ohne eine Wolke, und das dämmernde Geheimniß des Mondlichtes zitterte schon in den Regionen des östlichen Himmels. Das Gefühl von Frieden und Abgeschlossenheit lullte jeden Gedanken, jede Empfindung in eine verzückte, überirdische Ruhe und die balsamische Stille, welche tiefer wurde mit dem tieferen Zwielichte, schien mit noch sanfterem Einflusse über uns zu schweben, als die himmlische Zärtlichkeit von Mozart’s Musik sich durch sie hinstahl. Es war ein Abend unvergeßlicher Anblicke und Klänge.

      Wir blieben Alle an den Plätzen sitzen, die wir uns gewählt hatten – Mrs. Vesey noch immer schlafend, Miß Fairlie am Clavier und Miß Halcombe bei ihren Briefen – bis das Licht schwand. Unterdessen hatte sich der Mond um die Terrasse herumgeschlichen, und blasse, geheimnisvolle Strahlen fielen über das untere Ende des Zimmers. Der Wechsel von dem Zwielichtdunkel war so schön, daß wir einstimmig die Lampen zurückwiesen, als der Diener sie hereinbrachte, und das große Zimmer unbeleuchtet ließen, außer von den beiden Kerzen auf dem Clavier.

      Miß Fairlie setzte ihr Clavierspiel noch eine halbe Stunde fort. Dann aber verleitete sie die Schönheit der Mondlichtlandschaft, auf die Terrasse hinauszutreten, und ich folgte ihr. Als die Kerzen am Clavier angezündet worden, hatte Miß Halcombe ihren Platz verlassen, um bei ihrem Lichte die Untersuchung ihrer Briefe fortzusetzen. Sie hatte


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