Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
denn Armgard nahte. Und schon war das Haus erfüllt von ihrem herzfrohen Lachen und Strubbels lustigem Gebell. Er wurde zuerst sichtbar und hinter ihm das liebe Frauchen. Sie brachte einen Hauch von Winterluft mit, rote Wangen und blanke Augen. Und einen Mordshunger hatte sie, den sie bald am Kaffeetisch stillen konnte. Es schmeckte ihr prächtig, wie der Großvater mit Vergnügen wahrnahm.
»Liebchen, deine Taille«, neckte er, doch sie winkte schelmisch ab.
»Und wenn schon. Wer mich liebt, lacht doch.«
»Weißt du das denn so genau?«
»Nein. Ich weiß ja überhaupt noch gar nicht, wen die liebe Vorsehung für mich bestimmt hat. Hoffentlich nicht einen, bei dem ich mich nicht sattessen darf.«
»Uijeh, nein, so einen möchte ich auch nicht nehmen«, sagte Elsbeth, die den Tisch abdeckte. »Der einen dann womöglich noch ins Hungersanatorium steckt, da würden mir schön die Knochen klappern.«
Lachend zog sie ab, der Hausherr griff zur Importe, von denen der Arzt ihm vier am Tag bewilligt hatte. Armgard versorgte sich mit einer Zigarette, machte es sich im Sessel bequem und sagte so recht aus Herzensgrund:
»Wie geht es mir bloß gut. Du darfst mich aber nicht zu sehr verwöhnen, Großpapa, sonst werde ich so anspruchsvoll, daß ich deine Güte maßlos ausnutze. Hast du denn davor keine Angst?«
»Nein, mein Kind. Du wirst nie über Gebühr anspruchsvoll oder gar unverschämt werden, dafür bist du zu sehr die Tochter deines prächtigen Vaters, wofür ich dem Herrgott nicht genug danken kann. Schade, daß sie dich nicht kennenlernen durfte, sie hätte dich sehr lieb gehabt.«
Sein Blick ging zu dem Porträt hin, das von dem flammenden Abendrot überflutet wurde, das durch die Fenster ins Zimmer leuchtete und das Frauenantlitz förmlich verklärte. Wie gebannt schauten die beiden Menschen auf das unwirklich schöne Bild und wandten erst den Blick ab, als der Schein verblaßte. Armgard verhielt sich abwartend, bis der Mann mit vibrierender Stimme fragte:
»Weißt du, wer die Frau auf dem Bild ist?«
»Ja, Tante Lottchen sagte es mir.«
»Wurde sie dabei ausführlich?«
»Nein, sie wollte dir nicht vorgreifen. Sie meinte, du würdest mir das, was dich mit der Frau verband, viel besser erklären können. Wer war diese Frau, Großpapa?«
»Die Witwe des Grafen Götz von Björn. Er war der Stiefbruder des Grafen Folko, dem jetzt die Herrschaft Dünen allein gehört, während er, als sein Stiefbruder noch lebte, das Erbe mit ihm teilen mußte, das der Vater seinen beiden Söhnen zu gleichen Teilen vermachte. Doch da er ein weitsichtiger Mann war, der seinen Ältesten nur zu gut kannte, bestimmte er im Testament, daß nur eine vorgeschriebene Summe aus dem Besitz gezogen werden durfte, welche die Brüder zu teilen hatten.
Und diese Bestimmung wurde dem Besitz zum Segen. Denn ohne die hätte Götz den ihm gehörenden Teil bald vergeudet gehabt, und der Bruder hätte das Vätererbe nicht halten können, mit dem es ohnehin nicht besonders gut stand, und zum Zusetzen hatte Folko nichts.
Götz hingegen besaß einen guten Batzen als Muttererbe, aber den in den Besitz zu stecken, wäre ihm noch nicht einmal im Traum eingefallen.
Er kümmerte sich um nichts, überließ die Verwaltung der Herrschaft vollständig seinem Bruder. Ließ sich nur seinen Anteil pünktlich auszahlen und trieb sich ansonsten ständig herum bei Frauen, Wein und Spiel. Kein Wunder, daß er mit dem von der Mutter ererbten Geld bald fertig war und sich nach einer reichen Frau umsehen mußte. Da er gut aussah und außerdem noch die Frauen zu umgarnen verstand, fiel auch eine reiche Erbin auf ihn rein, welche bereits die Dreißig überschritten hatte.
Das kam wohl daher, weil sie weltfremd war, da sie den gelähmten Vater betreuen mußte und kaum herauskam. Außerdem fühlte sie sich nach dem Tod des Vaters vereinsamt, und wenn dann so ein hübscher Charmeur kommt und ihr das Blaue vom Himmel verspricht, dann nimmt so ein weltfremdes Mädchen das eben für bare Münze.
Was sie denn auch schwer büßen mußte. Schon bald gingen ihr die verblendeten Augen auf, und zwar als der Mann Geld von ihr verlangte. Denn zum Glück lebten sie in Gütertrennung, sonst hätte der üble Patron auch noch das viele Geld seiner Frau so nach und nach vergeudet.
Na ja, zuerst bekam er das Geld, bis sie erfuhr, wie ausschweifend er lebte, da hörten die Sonderzuwendungen auf.
Und damit begann ihr Martyrium. Er beschimpfte sie auf unflätige Weise, schlug sie sogar, was sie still erduldete, aber Geld bekam er nicht. Das versetzte ihn in so rasende Wut, daß er auf sie schoß…«
»Großer Gott!« unterbrach Armgard ihn entsetzt. »Das muß ja eine Bestie gewesen sein. Sprich nicht weiter, Großpapa, dein Herz…«
»Laß nur, mein Kind«, winkte er ab. »Mein Herz kann schon wieder einen ganz guten Puff vertragen. Ausgerechnet ich mußte diese Untat mit ansehen und auch der Förster, mit dem ich durch den Wald streifte. Als wir eine vor Wut brüllende Männerstimme hörten, pirschten wir uns heran und bemerkten zwei Reiter, die wir sofort als das gräfliche Paar erkannten.
Nun, ihre Meinungsverschiedenheiten gingen uns nichts an, also war es nicht ratsam, sich da einzumischen. Der Förster durfte es schon gar nicht, da es sich um seinen Herrn handelte. Dem konnte er nicht gut verbieten, mit seiner Frau herumzuschreien, und noch weniger konnte er ihn aus seinem eigenen Wald jagen.
Was die Frau sagte, konnten wir zuerst nicht verstehen, da sie ziemlich leise sprach. Erst als sie ihre Stimme erhob, vernahmen wir die Worte: ›Du kriegst kein Geld mehr. Das schwöre ich dir bei allem, was mir heilig ist.‹
Und bevor der Förster und ich noch zur Besinnung kamen, hatte das Untier einen Revolver in der Hand und schon knallte es. Ich kam gerade zurecht, um die vom Pferd sinkende Frau in meinen Armen aufzufangen. Der Förster kriegte den Erbärmlichen beim Schlips und schüttelte ihn wie ein Bündel Lumpen. Leider hielt er nicht fest genug, so daß der Kerl ihm entwischen und im Walddickicht verschwinden konnte.
Für seinen Mordversuch gab es zwei Zeugen. Was blieb ihm übrig, als sich zu erschießen.
Zum Glück war die Verletzung der Gräfin nicht sehr schwer, die Kugel hatte nur leicht das Herz gestreift. Doch so ganz erholen konnte die Ärmste sich leider nicht mehr, zumal sie noch einen nachhaltigen Nervenschock davontrug.
Ein Vierteljahr lag sie im Krankenhaus, wo ich sie täglich besuchte. Sie klammerte sich förmlich an mich, und da auch ich sie liebgewonnen hatte, ließen wir uns im Krankenhaus in aller Stille von einem Pfarrer zusammengeben, damit ich als Ehemann das Recht hatte, für sie zu sorgen und sie zu beschützen.
Als sie das Krankenhaus verlassen konnte, brachte ich sie nach dem Süden, wo wir in einer kleinen Villa zurückgezogen lebten. Sie später hierherzubringen wagte ich nicht, weil sie schon vor Angst zitterte, sofern ich die Heimreise auch nur erwähnte. Sie fürchtete den Anblick des Schlosses, in dem sie ein wahres Martyrium hatte erleiden müssen.
So blieben wir denn unten, und ich habe ihr die beiden Jahre so schön gemacht, wie es nur in meiner Macht stand. Ich habe ihr auch den Wunsch erfüllt, sie hier auf dem Dorffriedhof begraben zu lassen. Was ich dir berichte, ist die Wahrheit, mein Kind, was deine Mutter dir in ihrem Haß einflüsterte, ist gelogen.
Es ist mir hart genug angekommen, mich meinem so sehr geliebten Enkelkind fernhalten zu müssen, weil ich fürchtete, daß die erbärmliche Frau ihren Haß auch auf dich übertragen würde, und dem wollte ich dich nicht aussetzen.
Da hielt ich mich lieber von dir fern, wenn auch blutenden Herzens. Denn wie weit der Haß dieser nichtswürdigen Lügnerin gehen konnte, ist daraus zu ersehen, daß sie mich dir gegenüber für tot erklärte.«
Es zuckte in seinem Gesicht, und Armgard, deren Augen voll Tränen standen, sagte leise:
»Quäle dich nicht mit Erklärungen ab, lieber Großpapa, ich bin ja durch Frökes von allem unterrichtet. Laß es uns eine Genugtuung sein, daß wir uns trotz Lüge und Haß dennoch gefunden haben. Darf ich noch eine Frage stellen?«
»Soviel