Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
»Von Mühe kann keine Rede sein. Im Gegenteil, es macht mir Freude.«
Die sich bei Armgard zuerst nicht einstellen wollte. Zu überraschend war ihr die Eröffnung der Gräfin gekommen, daß sie eine reiche Erbin sei. Das mußte erst langsam begriffen werden.
Als sie jedoch all die schönen Sachen sah, die in dem erstklassigen Geschäft so verlockend ausgestellt waren, hätte sie ja kein junges Mädchen sein müssen, um keinen Gefallen daran zu finden.
»Nun sehen Sie sich das alles mal an, das muß doch selbst einen Blaustrumpf entzücken«, zeigte die Gräfin in die Runde, und Armgard meinte lachend:
»Kapitän Fröke würde sagen: den Klabautermann.«
»Wahrscheinlich auch den«, war die gleichfalls lachende Erwiderung. »Und nun hinein ins Vergnügen.«
Sie war klug genug, Armgard wählen zu lassen. Doch bevor diese es tat, sah sie immer erst ihre Begleiterin fragend an. Wenn diese zustimmend nickte, griff sie zu.
»So, jetzt ist es aber genug«, erklärte Armgard, als sie zwei elegante Kleider, dito Wäsche, Strümpfe, ein Paar entzückende Pantöffelchen, einen schicken Morgenrock, Toilettenartikel und manches andere ausgesucht hatte: »Jetzt bin ich reichlich versorgt.«
»Sie haben den Pelzmantel vergessen«, mahnte die Gräfin. »Den braucht man in unserer Ecke, wenn man nicht frieren will. Nun führen Sie bloß nicht wieder Ihren ›armen‹ Großvater an.«
»Nein, das geht ja nun nicht mehr. Aber ich verstehe nichts von Pelzen.«
»Dann lassen Sie mich die Wahl treffen.«
Und die Wahl war gut und so teuer, daß Armgard ganz blaß vor Schreck wurde, als sie auf dem Etikett den Preis sah.
»Den nehme ich nicht.«
»Und Sie nehmen ihn doch. Oder wollen Sie dem Großpapa mit einem Kaninchenfell unter die kritischen Augen treten? Dieses entzückende Pelzkäppchen und die wasserdichten Stiefelchen kommen noch dazu, und dann können wir meinetwegen den Einkauf beenden. Wollen Sie den Mantel anbehalten – nein? Nun, wie Sie wünschen.«
Als die Endsumme des Einkaufs der Gräfin vorgelegt wurde, schrieb sie einen Scheck aus, der ohne weiteres angenommen wurde, da sie in diesem exquisiten Geschäft eine bekannte und geschätzte Kundin war. Ein Page trug die Päckchen und Kartons zum Auto, der Chauffeur verstaute sie im Kofferraum und fuhr die
Damen zum Hotel zurück, wo sie in dem reizenden Kaffeestübchen Platz nahmen.
»So, jetzt Kaffee«, sagte die Gräfin vergnügt. »Den haben wir uns aber auch redlich verdient.«
So labten sie sich ausgiebig an Kaffee und Windbeuteln, die sie beide gern aßen. Sie hatten gerade den zweiten in Angriff genommen, als Graf Björn an den Tisch trat. In seiner Begleitung befand sich ein Jüngling, der den rechten Arm in der Binde trug.
»Ja, Lutz, was ist denn mit dir passiert, und wo kommst du so plötzlich her?« fragte die Gräfin erschrocken. »Etwa ein Verkehrsunfall?«
»Muß ja nicht immer gerade das sein. Tante Erdmuthe«, beugte er sich begrüßend über ihre Hand und verneigte sich dann vor Armgard, worauf der Graf vorstellte:
»Das ist Ludwig Briet, und das Fräulein von Hollgan die Enkelin des Doktor Frederik von der Gylt.«
»Hat er sie nun endlich«, platzte der Junge freiweg heraus und nahm, nachdem der Graf sich gesetzt hatte, neben ihm Platz.
Ein frischer Junge von fünfzehn Jahren, mit blondem Schopf, blaugrauen Augen und einer hochaufgeschossenen Gestalt, an der Arme und Beine zu lang geraten schienen. Trotz der Ruppigkeit seines Alters war er ein wohlerzogener und liebenswerter Junge.
Sehnsüchtig hingen seine Augen an den Windbeuteln, und der Graf fragte lachend:
»Wieviel von den Dingern haben in deinem Magen Platz?«
»Och, der Wohltätigkeit sind keine Grenzen gesetzt«, kam es verschmitzt zurück. »Doch zuerst möchte ich Tante Erdmuthe Bericht erstatten.
Also, was es nicht so alles gibt. Da haut mir doch ein Mitschüler während der Turnstunde seine Hantel mit solcher Wucht gegen den Ellenbogen, daß es nur so kracht. Entsetzen, Aufregung, verflixte Schmerzen meinerseits, Krankenwagen, Krankenhaus, Narkose, Gipsverband, Erwachen im Bett, betreut von einer Schwester, nicht mehr jung und auch nicht schön, aber trotzdem lieb. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
»Kurz und bündig«, lachte die Gräfin. »Und wie ging es weiter?«
»Eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit. Doch nun habe ich das Ärgste hinter mir, was noch kommt, wird nicht mehr so schlimm sein.
Da nun die Schule gegen Unfall versichert ist, muß die Gesellschaft für den Schaden aufkommen. Die haben mich vielleicht hin und her gejagt, von Pontius bis Pilatus. Heute mußte ich ins hiesige Städtische Krankenhaus zur Untersuchung, und als ich am Hotel Monopol vorüberging, um zum Bus zu gelangen, traute ich meinen Augen nicht, als ich unter den Herren, die aus dem Portal traten, den Grafen Björn erkannte. Am liebsten wäre ich ja vor Freude wie ein brüllender Cowboy auf ihn zugestürzt, besann mich jedoch rechtzeitig auf meine gute Kinderstube im Schloß, jawohl und hielt mich bescheiden zurück. Drei Herren ließ ich ruhig in ihre klotzigen Kutschen steigen, den vierten aber nicht, vor dem stand ich plötzlich wie aus der Erde gewachsen da und nun erzähl weiter, Herr Graf; ich muß mich meinen Windbeuteln widmen.«
Es waren drei von beträchtlichem Ausmaß, die der Ober vor ihn hinstellte, dazu üppig mit Sahne gefüllt. Lutz Briet war nun für alle Welt verloren, und der Graf setzte den Bericht fort:
»So blieb mir nun nichts anderes übrig, als den Bengel kurzerhand im Wagen zu verstauen und hierher zu bringen. Bist du aus der Sache klug geworden, kleine Mama?«
»Nicht ganz. Sag mal, Lutz, warum bist du im Bus zur Stadt gefahren, wo ihr zwei Autos habt?«
»Einen Augenblick, Tante Erdmuthe. Ich möchte das Labsal bis zur letzten Krume genießen und mit vollem Mund zu sprechen, würde mir schlecht bekommen.«
»Will ich meinen, du Schlingel«, besah sie sich wohlgefällig den frischen Jungen. »Geht schlecht mit der linken Hand, nicht wahr?«
»Ich habe es mir schlimmer vorgestellt. So, jetzt bin ich fertig«, wischte er sich mit der Papierserviette den Mund ab. »Und satt bin ich auch. Also kann ich ungehindert deine Frage beantworten, Tante Erdmuthe. Ich mußte mit dem Bus fahren, da Heinz mit dem großen Wagen unterwegs ist, und der kleine, der sich ja schon im biblischen Alter befand, hat ausgelitten.«
»Ist etwa auch deine Schwägerin nicht zu Hause?«
»Nein. Ganz unerwartet mußte mein Bruder sich heute früh auf eine Geschäftsreise begeben und nahm seine Frau wie üblich mit. Ich bin ja schließlich nicht schwerkrank…«
»Aber immerhin so, daß du ohne Betreuung nicht auskommen kannst«, warf der Graf ein. »Also werden wir dich mit nach Hause nehmen, nicht wahr, Mutter?«
»Das schon. Aber wie ist es mit der Schule?«
»Bis auf weiteres dispensiert. Paßt mir gar nicht, so kurz vor Ostern, werde wahrscheinlich sitzenbleiben, doch mein Bruder meint, das wäre nicht meine Schuld. Immerhin tröstlich.
Heinz hat auch, bevor er abfuhr, im Schloß angerufen, um zu fragen, ob ich während seiner Abwesenheit zu euch kommen könnte. Doch da wart ihr schon weg, zur Stadt gefahren, wie ein dienstbereiter Geist erklärte. Aber daß ich unter all den vielen Menschen Folko sozusagen vor die Füße lief, das überraschte mich denn doch. Ich freue mich mordsmäßig, daß ihr mich mitnehmen wollt, bloß ich habe kein Nachtzeug.«
»Damit hilft Folko dir aus. Und nun wollen wir aufbrechen, damit wir nicht zu spät nach Hause kommen.«
Auf der Fahrt sorgte Lutz für frohe Laune. Er saß zwischen der Gräfin und Armgard und fühlte sich ganz als Hahn im Korb.
Als man am Gylthaus angelangt