Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
du nie zu Hause bist, wenn ich dich besuche.«
»Ich dachte, du wolltest deinen Bruder besuchen…«
»Natürlich«, warf sie rasch ein. »Aber er ist ja auch nie da. Der treibt sich immer bei diesen Gylts herum.«
»Das dürfte wohl nicht die richtige Bezeichnung sein«, unterbrach er sie ruhig, aber mit einem drohenden Unterton. »Herumtreiben tut man sich an üblen Stätten, aber nicht in einem so vornehmen Haus, wie das Gyltsche es ist.«
»Lieber, das ist doch Wortklauberei«, gurrte sie mit schmelzendem Blick. »Komm, steig ein.«
»Mit Flinte und Hund?«
»Nur bis zum Schloß. Dort ziehst du dich um, wir fahren zur Stadt und machen uns einen schönen Tag.«
»Zu schön um wahr zu sein. Ich habe nämlich eine Beschäftigung, die sogar in Arbeit ausartet.«
»Ja, bist du denn dein eigener Sklave? Du hast doch Menschen genug, die für dich arbeiten.«
»Das schon«, räumte er ein. »Aber wo das Auge des Herrn fehlt, da werden die Kühe nicht fett.«
»Bist du aber spießig geworden. Wenn ich an früher denke, wie du da warst.«
»Mein liebes Kind, die Zeiten, die verändern sich, und wir verändern uns.«
»Aber die Liebe bleibt«, erklärte sie pathetisch. »Alte Liebe rostet nicht, das habe ich an mir erfahren müssen. Ach, Folko, man ist in der Jugend ja so dumm.«
»Stimmt«, bestätigte er mit einem Lächeln, das sie an ihm noch nicht kannte. Es war so ein Gemisch von Ironie und Verächtlichkeit. »Aber auch das Alter macht nicht immer weise.«
»Du willst doch damit nicht sagen, daß ich alt bin?«
»I bewahre.«
»Ach, Folko.«
»Habe ich schon mal gehört. Sind solche elegischen Seufzer jetzt Mode in der großen Welt, die du genossen hast in vollen Zügen?«
»Du wirst ja beleidigend!« fauchte sie ihn an, und er lachte.
»Das Fauchen hast du jedenfalls nicht verlernt. Behalte es bei, es paßt zu dir. Gehab dich wohl.«
Mit dem bewußten Lächeln zog er seinen grünen Hut und ging davon mit festen, sicheren Schritten. Hochgewachsen, in straffer Haltung, ein Bild stolzer, kraftvoller Männlichkeit.
Mit schmalen Augen sah Jella ihm nach, wie eine Katze, die auf Lauer liegt, und das würde sie fortan wohl tun müssen.
Denn so einfach war es nicht, einen Folko Björn aufs neue einzufangen. Damals war er ein Jüngling gewesen, ungestüm und arg verliebt, aber heute war er ein Mann, dessen Herz schon mancher Attacke standgehalten hatte. Der Gold von Talmi zu unterscheiden wußte, da konnte dieses auch noch so sehr blänkern und blinken.
*
Jella fand Bruder und Schwägerin im Wohngemach bei Kaffee und Kuchen. Der Reeder Heinz Briet, ein kräftiger junger Mann mit einem frischen Gesicht, dunkelblondem Stutzhaar und braungrauen Augen mit einem offenen, ehrlichen Blick, war über das Erscheinen seiner Schwester bestimmt nicht erfreut. Aber er konnte sie ja nicht aus dem Elternhaus jagen.
»Tag«, grüßte sie nachlässig und ließ sich in einen Sessel sinken. »Das ist ja hier eine Stille, die auf die Nerven fällt.«
»Uns nicht«, entgegnete die Schwägerin, eine zierliche Brünette, hübsch, munter, intelligent und sehr tüchtig. »Willst du Kaffee?«
»Den trinke ich nie.«
»Warum nicht, wirst du zu dick?« fragte der Bruder, mit Appetit in einen knusprigen Kuchen beißend. »Wir haben deshalb keine Sorge, nicht wahr, Klara?«
»Nein«, lachte sie, einen Löffel Schlagsahne in den Mund schiebend, was Jella mit Neid erfüllte. »Ich glaube, ich habe sogar noch Untergewicht.«
»Du glaubst?« fragte Jella. »Ja, wiegst du dich denn nicht jeden Tag?«
»Nein, das vergesse ich immer. Wozu auch. Wenn ich aus den Nähten platze, werde ich es schon merken.«
Schmunzelnd besah Heinz sich seine hübsche, muntere Frau, mit der er einen Glücksgriff gemacht hatte. Als er vor vier Jahren heiratete, stand es nicht gerade gut um die Reederei. Seine Eltern rieten zu einer guten Partie, doch er ließ sich nicht beirren und folgte seinem Herzen. Obwohl Klara kein Geld in die Ehe brachte, kamen sie gut voran, weil die junge Frau mitarbeitete und dadurch dem Betrieb eine unschätzbare Hilfe wurde. Das Ehepaar arbeitete Hand in Hand wie zwei gute Kameraden, die Reederei florierte, und das Bankkonto nahm langsam aber sicher zu.
»Was macht eigentlich Lutz?« erkundigte sich Jella. »Ist er jetzt zu Hause?«
»Ja«, gab der Bruder Antwort. »Er hat sich im Schloß so prächtig erholt, daß er wieder zur Schule gehen kann. Wir hoffen, daß er trotz der Versäumnis zu Ostern das Klassenziel erreicht.«
»Wenn Lutz sich so oft im Schloß aufhält, müßt ihr auch die Björns einladen, das gehört sich so.«
»Ach, sieh mal an«, meinte er. »Ausgerechnet du willst uns beibringen, was sich gehört. Wir sind mit denen im Schloß von jeher nur offiziell zusammengekommen.«
»Aber das Verhältnis hat sich doch geändert, seitdem Lutz dort wie ein Kind im Haus ist.«
»Nichts hat sich geändert. Jedenfalls nicht, soweit es einen freundschaftlichen Verkehr betrifft. Die haben ihren festen Freundeskreis, in den kein anderer hineinkommt, und wir haben den unseren, mit dem wir auch nur alle Jubeljahre mal zusammenkommen, wie man so sagt. Wir müssen im Betrieb tüchtig heran, und in den wenigen Freistunden ruhen wir uns aus.«
In dem Moment trat Lutz ein. Er begrüßte die Schwester und ließ sich dann in der Runde nieder.
»Hunger?« fragte die Schwägerin.
»Danke, ich bin satt bis zur Halskrause. Ich war nämlich in der Konditorei.«
»Nanu, so viel Taschengeld?«
»Nun kürze es mir bloß nicht«, brummte Lutz. »Es ist ohnehin schon knapp genug bemessen. Die Zeche hat Folko bezahlt.«
»Wie kamst du denn zu dem?« fuhr Jella wie elektrisiert auf, und Heinz wechselte mit seiner Frau einen vielsagenden Blick. Sie hatten natürlich sofort gewußt, warum Jella ihnen nahelegte, mit den Björns in freundschaftlichen Verkehr zu treten.
»Hast du dich denn mit dem Grafen zu dem Besuch in der Konditorei verabredet?« fragte sie nicht gerade sehr geschickt, und dementsprechend reagierte Lutz.
»Herrjeh, nein! Ich bin doch kein Fräulein, das sich mit dem Herzallerliebsten verabredet. Unsere zufällige Begegnung fand auf der Straße statt. Ich war per pedes, er saß im Auto mit Mutter und Chauffeur.
Als man mich bemerkte, hielt der Wagen und hinter ihm noch einer, gleichfalls nobel mit Chauffeur. Er fuhr die Herrschaften Herrn Dr. von der Gylt, Fräulein von Hollgan, Kapitän a. D. Fröke mit Frau Gemahlin.
Warum siehst du mich denn so wenig freundlich an, meine Schwester, erzähle ich noch nicht ausführlich genug?« fragte er scheinheilig und fiel dann in das herzliche Lachen von Bruder und Schwägerin mit ein. Doch Jella lachte nicht, sie ärgerte sich.
»Albere hier nicht herum, dummer Bengel, erzähle sachlich.«
»Also sachlich. Man befand sich auf der Rückfahrt von der Hinfahrt zum Hause des Herrn Senators von der Gylt, wo es was zu feiern gab. Da man Kaffeedurst verspürte, kehrte man in der Konditorei ein, mit mir, der ich ihnen vorher über den Weg lief. Nach der Labung zog Graf Björn sein großes Portemonnaie und zahlte pauschal aus.«
»Wieviel Stück Torte hast du denn verputzt?« erkundigte sich seine Schwägerin, was mit großartiger Geste abgetan wurde.
»Der Wohltätigkeit waren keine Schranken gesetzt.«
»Was du nach Kräften ausgenutzt haben wirst«,