Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman - Leni Behrendt


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schwärmte man denn nach allen Seiten aus. Die dreizehnjährige Christine von der Gylt irrte zuerst planlos umher. Sie war ein langbeiniges, hochaufgeschossenes Etwas, bei dem man den Ausdruck anwenden konnte: Nicht Fisch, nicht Vogel. Aber daß sie eine Gylt war, sah man auf den ersten Blick.

      Und die drei männlichen Gylts konnten ihre Abstammung schon gar nicht verleugnen. Traditionsgemäß hießen die Erstgeborenen Jonathan, und von denen gab es jetzt drei. Um sie auseinanderhalten zu können, wurde der Senior Jonathan, dessen Sohn Jonas und wieder dessen Sohn Jo genannt. Der Zehnjährige ging gleich forsch vor, na was, das waren doch »kleine Fische«.

      Jedenfalls machte das Suchen allen riesigen Spaß. Jubel und Lachen erfüllte den Park, aber auch manch ein enttäuschtes »Oh«, wenn man etwas gefunden hatte, dessen Zettel nicht seinen Namen trug. Doch verraten durfte nichts werden, damit büßte man eins von seinen Sachen ein, und darauf wollte man es nun wirklich nicht ankommen lassen. Man lief durcheinander, rief sich neckende Worte zu und amüsierte sich köstlich.

      »Ahoi, volle Fracht!« schrie der Kapitän lauthals und schwenkte sein gefülltes Körbchen. Von allen Seiten eilte man herbei, um zu sehen, ob der Spaßvogel sie auch nicht zum Narren hielt. Aber nein, es stimmte. In dem Körbchen lagen sechs Sachen mit seinem Namen versehen, darunter eine besonders gute Pfeife und ein Päckchen vom besten Tabak.

      Ihnen leutselig zuwinkend, ging er hocherhobenen Hauptes auf die Gruppe von drei Bänken zu, die als Sammelplatz bestimmt war. Dort untersuchte er die Osterspende genau, und die beiden Björns, die ganz in der Nähe hinter dem Gebüsch standen, konnten sehen, wie herzlich er sich über die kleinen Gaben freute.

      Als zweite erschien Marlene von der Gylt, die Mutter der beiden Kinder, die so gut in die Familie hineinpaßte, im Aussehen wie charakterlich. Sie äußerte den Sieg als zweite weniger geräuschvoll.

      Jetzt ging Armgard an dem Busch vorbei, hinter dem die Gastgeber sich versteckt hielten. Sie blieb stehen und sagte lachend:

      »Wem gehören denn nun die Beine?«

      Denn mehr war nicht zu sehen, der übrige Mensch lag unter dem Busch. Und was sich da hochrappelte, war Lutz mit zu Berge stehendem Haar und hochrotem Gesicht.

      »Verflixt, die haben sich vielleicht Verstecke für meine Angebinde ausgesucht«, sagte er außer Atem. »Wo das Gestrüpp am dicksten war, da lagen sie, sechs an der Zahl. Hast du deine Beute vollzählig?«

      »Ja. Aber bestimmt nicht als erste, wie ich sehe«, zeigte sie nach den Bänken. »Da sind sie versammelt, bis auf Tante Lottchen und die beiden Kinder. Eigentlich blamabel für uns, sich von den älteren Herrschaften ausstechen zu lassen.«

      »Die Verstecke werden ja auch nicht so schwierig zu finden gewesen sein wie unsere«, tat er achselzuckend ab. »Aha, dort naht Jo.«

      Gleich darauf stand er vor ihnen und zeigte auf das Körbchen.

      »Er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh, es sind statt sechse sieben. Kann nichts dafür, der Segen kam von oben.«

      »Was denn?«

      »Das da«, reichte er der fragenden Armgard ein flaches Päckchen hin. »Und das mir.«

      »Allerdings«, sie besah sich lachend das zarte Gebilde unter Zellophan. »Dieses kokette Schürzchen oder Blüschen dürfte deinem Jungengesicht schlecht anstehen. Eigentlich kann es nur Chrstine zugedacht sein; denn Lottchen, die sich ja auch noch unter den Suchenden befindet, dürfte in diese Niedlichkeit kaum hineinpassen. War denn keine Karte an dem Karton?«

      »Nein.«

      »Dann wird sie wahrscheinlich abgefallen sein. Aber halt mal, hier steht ja der Name: Christine.«

      »Da kann die sich ja buntkariert suchen«, meinte Lutz. »Na, denn wollen wir sie mal gleich erlösen.«

      Er formte die Hände zum Sprachrohr und rief hindurch: »Hallo, Christine, wo steckst du?!«

      »Hier«, kam der Ruf aus der Nähe.

      »Hast du schon alles gefunden?«

      »Nein, ein Stück fehlt noch.«

      »Komm mal rasch her.«

      Eilig kam sie mit ihren langen Beinen angestelzt, beschmutzt, verstrubbelt und mit vor Eifer glühenden Wangen.

      »Habt ihr schon alles?«

      »Ich hab’ sogar sieben Sachen«, prahlte Jo, nahm Armgard den Karton aus der Hand und hielt ihn der Schwester hin. Als sie zugreifen wollte, zog er ihn rasch zurück.

      »Erst Finderlohn.«

      »Das fehlte gerade noch«, entrüstete sie sich. »Klauen und dann noch Finderlohn. Grinse nicht wie ein Teller Brotsupp’, gib her!«

      »Von wem hast du denn den Ausdruck?« fragte Armgard lachend.

      »Von Lutz natürlich.«

      Sie hatte sich inzwischen des Kartons bemächtigt und sah entzückt auf den Inhalt.

      »Schau mal, Armgard, ist das nicht süß? So was kann auch nur Tante Erdmuthe aussuchen.«

      »Und wenn es Folko getan hat?« fragte Lutz scheinheilig, worauf sie ihm einen nachsichtigen Blick zuwarf, etwa wie eine erfahrungsreiche Tante einem Neffen, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist. Gemeinsam gingen sie zum Sammelplatz, wo sich indes auch die Gastgeber eingefunden hatten, nur Lottchen fehlte.

      »Hoffentlich ist ihr nichts passiert«, wurde Fröke unruhig. »Ich will doch mal Ausschau halten.«

      Doch schon nach ein paar Schritten blieb er stehen und sah schmunzelnd seinem Pummelchen entgegen, das da angetrudelt kam, das gute Gesicht in bekümmerte Falten gelegt.

      »Claas, ich kann meine Nummer sechs nicht finden!« rief sie ihm zu, achtete dabei nicht auf das mit Tannen zugedeckte Beet, stolperte, drehte sich einmal um ihre eigene Achse und setzte sich mit Aplomb mitten in ein Nest mit gefärbten Eiern.

      Nun saß sie da wie eine brütende Glucke, sah sich verdutzt um, und als ihr Ehegespons noch ebenso verdutzt fragte: »Aber Pummelchen, so spät noch willst du brüten?«, da war es kein Wunder, daß die andern Tränen lachten, und das brütende Pummelchen lachte vergnügt mit. Und so endete denn das Eiersuchen ebenso lustig, wie es angefangen hatte.

      Man hatte vor dem Mittagessen noch genügend Zeit, sich umzuziehen, was Armgard in Christines Zimmer tat. In einem Köfferchen hatte sie alles Notwendige mitgebracht. Gewaschen war sie, also konnte sie mit dem Anziehen beginnen.

      Christine, die sich auch bereits im Badezimmer einer gründlichen Reinigung unterzogen hatte, saß wie ein Türke mit untergeschlagenen Beinen auf dem Diwan und sah interessiert zu. Armgard war ihr augenblicklicher Schwarm, wie ihn ja so blutjunge Mädchen älteren gegenüber oft haben.

      »Was bist du bloß schick und schön«, sagte sie bewundernd, als Armgard angekleidet war. »Was meinst du, ob ich später genauso aussehen werde wie du, da wir ja verwandt sind?«

      »Das sind wir wohl, Christinchen. Nur du bist eine echte Gylt, und ich bin eine echte Hollgan.«

      »Trotzdem sind wir blutsverwandt, und das schlägt immer durch, sagt mein Papa. Du, auf den bin ich stolz, wie auf alle andern, die zu unserer Sippe gehören. Bist du auch stolz auf sie?«

      »O ja, weil man auf sie stolz sein kann.«

      »Magst du den Folko auch so gern wie ich?« ging die Fragerei weiter.

      »Doch, Christinchen.«

      »So einen Mann möchte ich gern haben, du auch?«

      »Na hör mal, dann wären wir ja Rivalinnen«, lachte Armgard belustigt über den Kindskopf. »Und nun mach, daß du dich anziehst. Oder gedenkst du im Unterkleid an der Tafel zu erscheinen?«

      »Uijeh, nein. Dann würden ja allen Björns die Haare zu Berge stehen, den gemalten, wie denen in natura.«

      Sie beendete rasch ihre Toilette, und mit dem ersten Gongschlag betraten sie das


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