Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman. Patricia Vandenberg
und Daniel hatte sich noch Notizen gemacht.
Fee ahnte, daß ihm die Zusammenkunft mit Lennart van Eicken zu schaffen machte. Sie wollte ihn auf andere Gedanken bringen und erzählte von dem Disput im Kindergarten.
»Das sind diese Frauen, die den ganzen Tag nichts zu tun haben und dauernd stöhnen. Ich habe kürzlich auch eine von der Art hinauskomplimentiert, die zwei Hausangestellte hat und nur ein Kind und nichts Besseres zu tun hat, als sich über ihren Mann zu beschweren, der zu nichts zu gebrauchen sei.«
»Könnte tatsächlich so ein Typ sein wie diese Frau Kaufmann mit ihrer Tochter Jana.«
Daniel sah sie konsterniert an. »Die Patientin heißt so, und anscheinend will sie ihren Zorn an unseren Kindern auslassen, weil ich ihr geraten habe, vielleicht etwas mehr Verständnis für ihren Mann zu haben.«
»Oder sie wollte mich kennenlernen, weil sie es auf dich abgesehen hat.«
»Was du gleich wieder denkst«, lachte Daniel. »Mit solchen Frauen habe ich täglich zu tun, sie sind dumm und oberflächlich und stehlen mir nur kostbare Zeit, die ich besser für andere, wirklich überarbeitete Mütter verwenden könnte. Wie bist du mit ihr verblieben?«
»Ich habe nur meine Meinung gesagt und erklärt, daß es für mich vergeudete Zeit ist. Sie solle darüber nachdenken, wer Schuld hat, daß die Zwillinge aggressiv wurden. Schließlich darf niemand Désie ihr Bärchen wegnehmen.«
»Das meine ich auch. Als würde es nicht schlimm genug in der Welt zugehen, halten sich diese Dämchen mit solchen Lappalien auf. Aber was kann man bei einem so engen Horizont erwarten!«
Seine Gedanken waren schon wieder bei Lennart, aber er erzählte Fee nicht viel von dem Test, den er mit ihm gemacht hatte. Er wollte erst abwarten, was Anouk erreichen würde.
*
Anouk hatte sich mit einer Freundin getroffen. Sie aßen in einem netten kleinen Restaurant und unterhielten sich angeregt. Malena Steiner, zwei Jahre älter als Anouk, war Disponentin in einer Großhandelsfirma. Die beiden jungen Frauen hatten sich vor einem Jahr in einem Judokurs kennengelernt und angefreundet. Sie hatten viele Gemeinsamkeiten, besuchten oft zusammen Konzerte und Ausstellungen, waren öfter zusammen zum Skifahren und im Sommer zum Schwimmen und Wandern gewesen. Malena ließ sich gern von Anouk beraten, aber sie wußte bis heute nichts von deren besonderen Fähigkeiten. Es gab nur wenige Menschen, die darüber Bescheid wußten. Malena hatte absolutes Vertrauen zu Anouk, aber sie sagte ihr auch öfter, daß sie nicht wisse, woher das komme, da sie eigentlich mißtrauisch sei. Auch an diesem Abend ruhte Anouks forschender Blick auf dem schmalen Gesicht der Freundin.
»Du bist mit deinen Gedanken weit weg, Malena. Was belastet dich?« fragte sie.
Malena schrak leicht zusammen. »Entschuldige, Anouk, aber ich war wirklich mit meinen Gedanken bei meinem Chef. Er ist so verändert seit seiner Operation. Ob da etwas Ernstes dahinterstecken könnte?«
»Inwiefern verändert?« fragte Anouk.
»Er war früher so ausgeglichen und tolerant, jetzt ist er aufbrausend und besonders mich behandelt er wie einen Azubi. Ich überlege, ob ich mir nicht eine andere Stellung suche.«
»Es ist nicht so einfach, Malena. Du hast doch nette Kollegen, mit denen du sprechen könntest.«
»Die empfinden genauso wie ich. Ich will sie auch nicht hineinziehen. Vielleicht steckt auch seine neue Freundin dahinter. Ich habe ein ungutes Gefühl.«
»Hatte er früher eine andere Freundin?« fragte Anouk und blickte auf ihren Teller, sie hatte plötzlich auch ein sehr ungutes Gefühl.
»Erzähl ein bißchen, dann wird es dir vielleicht leichter«, sagte sie. »Du hast deinen Chef doch eigentlich sehr gemocht.«
»Er war auch sehr sympathisch. Immer zurückhaltend, aber sehr freundlich zu allen und sehr korrekt. Kann denn der Einfluß einer Frau so groß sein, daß sich ein Mann so verändert, Anouk? Es läuft auch nicht mehr alles so bei uns im Geschäft, es wird viel montiert und jetzt hat er sogar zwei gute Leute entlassen. Die Arbeit macht mir einfach keinen Spaß mehr.«
»Wenn es so ist, solltest du tatsächlich wechseln, wenn sich etwas anderes bietet und du dich nicht verschlechterst.«
»Es geht mir gar nicht so sehr ums Geld, ich muß mich einfach wohlfühlen. Ich bin so froh, daß du meine Freundin bist und ich über alles mit dir reden kann.«
»Und wie ist es mit Dirk?«
Malenas Gesicht überschattete sich. »Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht steckt da auch eine andere Frau dahinter.« Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »Was nicht sein soll, muß nicht sein«, fügte sie trotzig hinzu. »Du kommst ja auch ohne Mann sehr gut zurecht.«
»Mir ist der richtige noch nicht begegnet, aber ich dachte, daß Dirk für dich der richtige wäre.«
»Ihm war die Stellung in Japan aber wichtiger als ich. Er hat seine berufliche Karriere im Kopf.«
»Das ist auch wichtig, Malena. Er hat sicher viel zu tun.«
»Ich glaube eher, daß er sich mit dem Chef auch nicht mehr verstanden hat und alle Zelte hinter sich abbrechen wollte. Mit seinem Wechsel ging es doch auch sehr schnell, und ich habe mich schon gewundert, daß Allwoerden ihn so einfach gehen ließ, schließlich waren sie Duzfreunde.«
»Merkwürdig ist das schon, aber manchmal genügt wirklich der Einfluß einer Frau, um auch Männerfreundschaften zu zerstören. Wie ist denn diese Frau überhaupt?«
Malenas Miene erstarrte schlagartig, und zu Anouks Erstaunen setzte sie sich rasch auf einen Stuhl an der Breitseite.
»Schau dich nicht um«, raunte Malena ihr zu, »wenn man den Esel nennt, kommt er…«, sie bückte sich, denn gerade ging eine auffallend elegant gekleidete Frau, gefolgt von einem älteren Mann, an dem Tisch vorbei. Ein flüchtiger Blick traf Anouk, Malena war nicht zu sehen. Das ungleiche Paar ging zu einem Nebenraum. Anouk sagte zu Malena, daß sie wieder auftauchen könne.
»Der Mann war doch nicht dein Chef«, raunte sie ihr zu, sehr darauf bedacht, leise zu sprechen.
»Nein, das war ein neuer Kunde, ein sehr eigenartiger Mann, dem ich tunlichst aus dem Weg gehen werde. Wieso ist sie mit ihm zusammen und hier?«
»Mir macht sie nicht den Eindruck, als wäre sie mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen«, sagte Anouk geistesabwesend.
Malena sah sie erstaunt an.
»Deine Meinung ist mir sehr wichtig, deine Menschenkenntnis ist einmalig, Anouk.«
»Es ist mehr Intuition, Malena. Ich denke, du hast sie auch durchschaut. Von der Frau geht nichts Gutes aus. Es kann durchaus sein, daß sie einen schlechten Einfluß auf deinen Chef hat.«
»Das Seltsame ist, daß er ihr ganz sicher nicht ergeben ist. Er will schon das letzte Wort behalten.«
»Wie lange sind sie zusammen?«
»Seit seiner Krankheit. Sie soll Ärztin in der Klinik in Palermo gewesen sein.«
»Wieso eigentlich Palermo?«
»Der Boß hat Urlaub auf Sizilien gemacht, als er so plötzlich erkrankte. Aber wenn ich darüber nachdenke, ging es in der Zeit, als er weg war, in der Firma bedeutend harmonischer zu, genauso wie es früher war, als er noch der alte war.«
»Krankheiten können einen Menschen sehr verändern, zum Guten, aber auch zum Bösen«, sagte Anouk gedankenvoll. »Wie heißt denn seine Freundin oder wie man es nennen will?«
»Nadine Devaine.«
»Das klingt mehr nach Operette oder Cabaret«, stellte Anouk fest.
»So ähnlich habe ich auch gedacht, aber charmant habe ich sie noch nicht kennengelernt. Sie ist eiskalt. Es macht mir sehr zu schaffen, wie sehr sich ein Mensch wie Allwoerden ändern kann. Er war wirklich ein Gentleman.«
»Es gibt die merkwürdigsten