Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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durch bleiche Weihrauch-Wolkenlämmer

       Sternmuster funkeln, tausendfach!

      Das stille Haupt in Phanta's Schosse,

       er wart ich träumend Mitternacht: –

       da hat der Sturm mit rauhem Stosse

       die Kuppelfenster zugekracht.

       Kristallner Hagel glitzert nieder,

       die Wolken falten sich zum Zelt.

       Und Geisterhand entrückt mich wieder

       hinüber in des Schlummers Welt.

      SONNENAUFGANG

       Inhaltsverzeichnis

      Wer dich einmal sah

       vom Söller des Hochgebirgs,

       am Saum der Lande

       emporsteigen,

       aus schwarzem Waldschooss

       emporgeboren,

       oder purpurnen Meeren

       dich leicht entwiegend –

       wer dich einmal sah

       die bräutliche Erde

       aufküssen

       aus Morgenträumen,

       bis sie, von deiner Schwüre

       Flammenodem

       heiss errötend,

       dir entgegenblühte,

       in der zitternden Scham,

       in dem ahnenden Jubel

       jungfräulicher Liebe –

       der breitet die Arme

       nach dir aus,

       dem lösest die Seele du

       in Seufzer

       tiefer Ergriffenheit,

       oh, der betet dich an,

       wenn beten heisst:

       zu deiner lebenschaffenden

       Glutenliebe

       ein Ja und Amen jauchzen –

       wenn beten heisst:

       in den Aetherwellen des Alls

       bewusst mitschwingen,

       eins mit der Ewigkeit,

       leibvergessen, zeitlos,

       in sich der Ewigkeit

       flutende Akkorde –

       wenn beten heisst:

       stumm werden

       in Dankesarmut,

       wortlos

       sich segnen lassen,

       nur Empfangender,

       nur Geliebter ...

       Wer dich einmal sah

       vom Söller des Hochgebirgs!

      WOLKENSPIELE

       Inhaltsverzeichnis

      I

      Eine grosse schwarze Katze

       schleicht über den Himmel.

       Zuweilen

       krümmt sie sich zornig auf.

       Dann wieder

       streckt sie sich lang,

       lauernd,

       sprungharrend.

       Ob ihr die Sonne wohl,

       die fern im West

       langsam sich fortstiehlt,

       ein bunter Vogel dünkt?

       Ein purpurner Kolibri,

       oder gar

       ein schimmernder Papagei?

       Lüstern dehnt sie sich

       lang und länger,

       und Phosphorgeleucht

       zuckt breit

       über das dunkle Fell

       der gierzitternden Katze.

      II

      Es ist, als hätte die Köchin

       des grossen Pan

       – und warum sollte der grosse Pan

       keine Köchin haben?

       Eine Leibnymphe,

       die ihm in Kratern

       und Gletschertöpfen

       köstliche Bissen brät

       und ihm des Winters

       Geysir-Pünsche

       sorglich kredenzt? –

       Als hätte diese Köchin

       eine Schüssel mit Rotkohl

       an die Messingwand

       des Abendhimmels geschleudert.

       Vielleicht im Zorn,

       weil ihn der grosse Pan

       nicht essen wollte ...

      III

      Wäsche ist heute wohl,

       grosse Wäsche,

       droben im Himmelreich.

       Denn seht nur, seht!

       wie viele Hemdlein,

       Höslein, Röcklein,

       und zierliche Strümpflein

       die gute Schaffnerin

       über die blaue Himmelswiese

       zum Trocknen breitet.

       Die kleinen Nixen,

       Gnomen, Eiben,

       Engelchen, Teufelchen,

       oder wie sie ihr Vater nennt,

       liegen wohl alle nun

       in ihren Bettchen,

       bis ans Kinn

       die Decken gezogen,

       und sehnlich lugend,

       ob denn die Alte

       ihren einzigen Staat,

       ihre weissen Kleidchen,

       nicht bald

       ihnen wiederbringe.

       Die aber legt

       ernst und bedächtig

       ein Stück nach dem andern

       noch auf den Rasen.

      IV

      Wie sie Ballet tanzen,

       die losen Panstöchter!

       Sie machen Phoebus

       den Abschied schwer,

       dass er den Trab seiner Hengste

       zum Schritt verzögert.

       Schmiegsam, wiegsam

       werfen und wiegen

       die rosigen Schleier sie

       zierlich sich zu,

       schürzen sie hoch empor,

       neigen sie tief hinab,

       drehn sich die wehende

       Seide ums Haupt.


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