Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern
manchmal
bellend hinaufspringt,
den brauenden Nebeln nach,
als seien diese
warme Dämpfe aus leckeren Schüsseln.
War ich der Mond,
der Hunden verhasste,
ich hülfe herauf dir
auf den Berg.
Doch Ich bin der Mensch,
lasse dich lächelnd
unten kläffen
und übe an dir
Meinen göttlichen Spott.
Denn sieh,
du armes, krauses Meer!
was bist du denn
ohne Mich?
Ich gebe dir Namen
und Rang und Bedeutung,
wandle dich tausendfalt
nach Meinem Gelüst.
Meine Schönheit,
Meinen Witz
hauch Ich als Seele dir ein,
werf Ich dir um als Kleid:
und also geschmückt
wogst du und wiegst du dich
vor deinem König,
ein trefflicher Tänzer,
brausköpfiger Vasall!
In Meine hohle Hand
zwing Ich hinein dich
und schütte dich aus,
einem Kometen,
der grade vorbeischiesst
aufs eilige Haupt.
Wie einen Becher
fass Ich dein Becken
und bringe dich
als Morgentrunk
Meinem Liebchen Phanta.
In dein graues Megärenhaar
greift Mein lachender Uebermut
und hält es gegen die Sonne:
Da wird es eitel Goldhaar und Seide.
Und nun wieder nenn Ich dich
Jungfrau und Nymphe und Göttin,
und deiner dämonischen Leidenschaft
sing Ich ein Seemanns-Klagelied.
Oder Ich deute den donnernden Prall dir aus
als stöhnende Sehnsucht um Himmelsglück,
als wühlenden Groll,
als heulenden Hass:
So redet Schwermut, flugohnmächtig,
wenn sie der Krampf der Verzweiflung
zu jagenden Fieberschauern schüttelt.
Aber du drohst:
»Eitler Prahler,
breite die Arme nur aus,
und komm an mein nasses Herz!
Dann wirst du künden,
wer grösser und mächtiger,
du oder ich!«
Drohe mir immer,
doch wisse: Die Stunde,
da du Mich sinnlosen Zornes verschlingst,
tötet auch dich.
Ein kaltes, totes Nichts,
wertlos, namenlos,
magst du dann
in die Ewigkeit starren,
entseelt,
entgöttert.
Denn Ich, der Mensch,
bin deine Seele,
bin dein Herr und Gott,
wie Ich des ganzen Alls
Seele und Gottheit bin.
Mit Mir vergehen
Namen und Werte.
Leer steht die Halle der Welt,
schied Ich daraus.
Gleich unermesslichem Aether
füllt Mein Geist den Raum:
In Seinen Wellen allein
leuchtend, tönend,
schwingt der unendliche Stoff.
Eine Harfe bin Ich
in tausend Hauchen.
Zertrümmere Mich:
das Lied ist aus.
KOSMOGONIE
Ewiges Firmament,
mit den feurigen Spielen
deiner Gestirne,
wie bist du entstanden?
Du blauer Sammet!
Welch fleissige Göttin
hat sich auf dir
mit goldnen und silbernen
Kreuzstichmustern verewigt?
Wie! oder wären
die Sterne Perlen,
tagesüber
in Wolkenmuscheln gebettet:
Aber des Nachts
tuen die Schalen sich auf,
und aus den schwarzen,
angelspottenden Tiefen empor
lachen und funkeln
die schimmernden Schätze
des Meers Unendlichkeit?
Oft auch ist mir,
ein mächtig gewölbter
kristallener Spiegel
sei dieser Himmel,
und was wir staunend
Gestirne nennen,
das seien Millionen
andächtiger Augen,
die strahlend
in seinem Dunkel sich spiegeln.
Oder wölbt
eines Kerkers bläuliche Finsternis
feindlich sich über uns?
Von ungezählten Gedankenpfeilen
durchbohrt,
die von empörter Sehne
der suchende Menschengeist
rings um sich gestreut:
Das Licht der Erkenntnis aber,
die Sonne der Freiheit,
quillt leuchtend
durch die zerschossenen Wände.
Nein, nein! ..
Mit spottenden Augen
blinzt die Unendlichkeit
auf den sterblichen Rätselrater ...
Und dennoch
rat ich das tiefe Geheimnis!
Denn bei Phanta
ist nichts unmöglich.
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In der leeren, dröhnenden Halle des Alls
rauschte der Gott der Finsternis