Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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Phoebus Apollo!

       Bezaubert vergisst er

       des heiligen Amts,

       springt vom Gefährt

       und treibt das Gespann,

       den Rest der Reise

       allein zu vollenden.

       Er selber,

       gehüllt in den grauen Mantel

       der Dämmrung,

       eilt voll Sehnsucht

       zurück zu den

       lieblichen, lockenden

       Tänzerinnen.

      Zügellos rasen

       die Rosse von dannen.

       Der Gott erschrickt:

       Dort entschwindet

       sein Wagen,

       und hier –

       haben die schelmischen

       Töchter des Pan

       sich in waschende Mägde

       verwandelt.

       Durch riesige Tröge

       ziehen sie weisse,

       dampfende Linnen

       und hängen sie rings

       auf Felsen und Bäumen

       zum Trockenen auf

       und legen sie weit

       gleich einem Schutzwall

       auf Wiesen und Felder.

      Ratlos steht

       der gefoppte Gott.

       Und leise kichern

       die Blätter im Winde.

      V

      Düstere Wolke,

       die du, ein Riesenfalter,

       um der abendrotglühenden Berge

       starrende Tannen

       wie um die Staubfäden

       blutiger Lilien schwebst:

       Dein Dunkel redet

       vom Leid der Welt.

      Welchen Tales Tränen

       hast du gesogen?

       Wie viel angstvoller Seufzer

       heissen Hauch

       trankst du in dich?

       Düstere Wolke,

       wohin

       schüttest die Zähren

       du wieder aus?

       Schütte sie doch

       hinaus in die Ewigkeit!

       Denn wenn sie wieder

       zur Erde fallen,

       zeugen sie neue

       aus ihrem Samen.

       Nie dann

       bleiben der Sterblichen

       Augen trocken.

      Ach! da wirfst du sie schon

       in den Abgrund ...

       Arme Erde,

       immer wieder aufs Neue

       getauft

       in den eigenen Tränen!

      VI

      Oh, oh!

       Zürnender Gott,

       schlage doch nicht

       Deine himmlische Harfe

       ganz in Stücke!

       Dumpfe Donnerakkorde

       reisst

       herrisch

       Dein Plektron.

       Zick, zack

       schnellen

       die springenden Saiten

       mit singendem Sausen

       silbergrell

       über die Himmel hin.

      Holst Du auch manche

       der Flüchtlinge

       wieder zurück,

       viele fallen doch

       gleissend zur Erde nieder,

       ragenden Riesen des Tanns

       um den stöhnenden Leib

       sich wirbelnd,

       oder in zischender Flut

       sich für ewig

       ein Grab erkiesend.

      Zürnender Gott!

       Wie lange:

       Da hast Du Dein Saitenspiel

       kläglich zerbrochen,

       und kein Sterblicher

       denkt mehr Deiner,

       des grollenden Rhapsoden

       Zeus-Odhin-Jehovah.

      SONNENUNTERGANG

       Inhaltsverzeichnis

      Am Untersaum

       des Wolkenvorhangs

       hängt der Sonne

       purpurne Kugel.

       Langsam zieht ihn

       die goldene Last

       zur Erde nieder,

       bis die bunten Falten

       das rotaufzuckende Grau

       des Meeres berühren.

      Ausgerollt ist

       der gewaltige Vorhang.

       Der tiefblaue Grund,

       unten mit leuchtenden Farben

       breit gedeckt,

       bricht darüber

       in mächtiger Fläche hervor,

       karg mit verrötenden

       Wolkenguirlanden durchrankt

       und mit silbernen Sternchen

       glitzernd durchsät.

       Aus schimmernden Punkten

       schau ich das Bild

       einer ruhenden Sphinx

       kunstvoll gestickt.

      Eine Ankerkugel,

       liegt die Sonne im Meer.

       Das eintauchende Tuch,

       schwer von der Nässe,

       dehnt sich hinein in die Flut.

       Die Farben blassen,

       mählig verwaschen.

       Und bald strahlt

       vom Himmel zur Erde

       nur noch

       der tiefe, satte Ton

       blauschwarzer Seide.

      HOMO IMPERATOR

       Inhaltsverzeichnis

      Gewandert bin ich

       auf andere Gipfel,

       deren Riesenfüsse,

       das Meer, wie ein Hund,

       demütig leckt;

      


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