Volks-Sagen. Johann Karl Christoph Nachtigal
Fräuleins mächtig daher stolzierend, in ähnlicher Kleidung, wie er einst als Landbauer trug. Seine Ankunft kündete er dadurch an, daß er von Zeit zu Zeit in ein Jagdhorn stieß, das einst im Walde ein Jäger verlohren hatte. Die sonderbare Mähre von einem Bauer, der es wagte, auf einem Jagdhorne zu blasen, und der die Stute der stolzen Käte zu reiten schien, verbreitete sich schnell in der Burg. Ehe aber das Fräulein und die Männlein mit dem Rüsten zum Verfolgen fertig waren, war der blasende Ritter verschwunden, hatte aber einigen pflügenden Bauern zugerufen: Jakob würde morgen wiederkommen!
Er kam, und Veit erwartete ihn mit sechs Knappen und einer ganzen Meute Hunde, die plötzlich auf ihn und Packan einstürzten. Und Jakob wandte sein Roß, das schnell wie ein Habicht dahin flog, und dem nur einige der Knappen, in weiter Entfernung, folgen konnten, die ihn am Eingange des Loraischen Waldes verschwinden sahen. Mehrere der größeren Jagdhunde aber verfolgten seine Spur bis zur Höle, wo Packan, den das beständige Bluttrinken stark und wild gemacht hatte, gleich einem Tiger, von seinem Herrn unterstützt, ein schreckliches Blutbad unter ihnen anrichtete, so daß kaum die Hälfte, zerbissen und gelähmt, zurückhinkte.
Schon verbreitete sich die Sage, Jakob stehe mit dem Teufel im Bunde, und könne sich unsichtbar machen. Aber noch einmal wollte es Veit versuchen, und schwur, ihn zu fahen, oder zu sterben, und schwur, wie er alle Tage that, einen Meineid. Auf dem halben Wege von seiner Burg erwartete er ihn, hinter Gebüsch versteckt, knirschend vor Wuth, über den Verlust seiner besten Hunde, auf seinem Streitroß, von zwanzig erlesenen Rittern und Knappen umgeben, welche alle Jakob den schmählichsten Tod schwuren. Und beinah wäre er diesmal gefangen. Er, der seine Feinde noch weit entfernt glaubte, tummelte abwechselnd sein Pferd, und abwechselnd versuchte er es, auf dem Jagdhorn eine Herausforderung zum Kampfe zu blasen. Mit einemmale aber schlug Packan, der die Nähe der Feinde witterte, heftig und laut an, welches er nur bei augenblicklicher Gefahr that. Jakob fuhr auf, und kaum hatte er sich in den Sattel zurecht gesetzt, als er schon ein ganzes Heer vor sich und auf beiden Seiten erblickte, die ihn nicht Freunde zu seyn schienen.
Er flog dem Walde bei Lora zu, von Veit und seinen Gesellen wütend verfolgt, die oft ihn schon erwischt zu haben glaubten, wenn er im Walde verschwand, und dann wieder sichtbar wurde. Endlich war Veit auf seinem keuchenden Streitroß, mit Görge, seinem besten Knappen, dicht hinter Jakob, als dieser, wie ein Falke, über die Felsenwand vor seiner Höle hinsprengte, und in dem Augenblick unsichtbar wurde, als er noch gesehn war. „Sagt’ ich’s Euch nicht, gestrenger Herr, rief Görge, daß der sich unsichtbar machen kann. Hier hat die Welt ein Ende! Folge ihm, wer Lust hat, sich den Hals zu brechen. Ich mag nicht in des Teufels Küche kommen!“ – Veit hörte dies nicht; er zerarbeitete sich, seinen Streithengst zurückzuhalten. Aber er bäumte sich, warf seinen Herrn zwischen die Klippen, und stürzte der Stute nach, und in den Abgrund. Jakob erbte von ihm einen passendern stattlichen Sattel.
Seitdem wurde Jakob nie wieder bis an seine Höle verfolgt. Alle bebten vor den Schlünden zurück, in die jener sich stürzte. Ungestört beraubte er nun die Heerden der reichen Burgbeherrscher und der Klöster, zu Fuß und zu Pferde, als Teufel, oder als Nimmernüchtern verkleidet, doch immer begleitet von seinem Packan, der ihm alles zusammentrieb, oder, auf seinem Befehl, zerstreute oder zerriß. Am meisten erfuhren dies Veits Heerden, die er um die Hälfte verminderte, und dessen Hirten schon flohen, wenn sie den Feuerspeienden Teufel in großer Ferne entdeckten.
Doch dies alles befriedigte Jakobs Rache nicht. Es galt Veiten selbst und seiner Käte! Und doch fand er sie nicht mehr außerhalb der Burg; er muste sie daher in der Burg selbst aufsuchen. Beim Nachforschen hörte er, daß Veit seit jenem Sturz das Bette nicht verlassen hatte. Einen Kranken wollte er nicht kränken; und so blieb ihm für jetzt nur das Fräulein. – In einer neblichten Herbstnacht stand er mit einemmale, halb vom einfallenden Monde beleuchtet, in seiner Teufelsgestalt, vor Kathrinens Bette. Als Gefangner hatte er, in Entwürfen der Rache, ihr abgelegenes Schlafgemach ausgespäht. Brüllend weckte er Kathrinen, und entehrte sie. Dann rief er ihr zu: „Das that ich aus Rache! Heute vor einem Jahr ludest du mich spottend ein, dein Mann zu werden. Ich bin Jakob, den du immer den Hund nanntest! – So verließ er die Bebende.“
Aber dies hätte sie bald vergessen, wäre er verschwiegen geblieben. Doch nun erschien Jakob mehrere Tage vor Veits Burg, und verkündete allen Leuten, die er traf, der stolzen Käte Entehrung. Bald erfuhr es Veit durch die allgemeine Sage. Und seine Wuth, da sie den Thäter nicht erreichen konnte, wandte sich gegen seine Tochter, bisher seine einzige Freude, und deren Ausschweifungen er sonst immer belacht hatte. Er haßte die von einem Unedeln kundbar Entehrte wie die Hölle, und wollte sie und seine Schande vor der ganzen Welt in dem Burgverließ begraben, als sie mit ihrem alten Buhlen, dem Manne von Veits Kebsweibe, entflohe.
Gegen das Ende des Winters kamen Jakobs Söhne zu ihrem Vater – als gemachte Räuber. Sie hatten sich unter den Lanzknechten gefunden, die damals Franken und Schwaben durchstreiften, und alles verheerten, was sie beschützen sollten. Hier hatten sie in einem Jahre mehr von dem Räuberhandwerk gelernt, als sie in zehn Jahren in des Räubers Höle gesehen haben würden. Auch brachten sie zwei schwarze Bullenbeißer mit, die einer der weitgepriesenen Häuptlinge der Lanzknechte zur Menschenjagd abgerichtet hatte. Jakob erzählte ihnen, wozu ihn Rache gebracht habe, und staunte nicht wenig, wenn seine Söhne das Kleinigkeiten nannten, wozu er nur in der Trunkenheit Muth fand, und was er nur stotternd nachsagen konnte. Sie erzählten ihm nun, was nach damaligem Kriegesgebrauch erlaubt war, und gelobt und belohnt wurde, wo Sengen und Brennen, Rauben und Verwüsten alles Eigenthums, Morden mir der ausgedachtesten Grausamkeit, und Ausschweifung jeder Art, das Tagewerk der Lanzknechte war.
Jakob hörte ihre Erzählungen anfangs mit Schaudern, gewöhnte sich aber allmählig an die Abscheulichkeiten, und entschloß sich endlich, von seinen Söhnen aufgefordert, dies im Kleinen nachzuahmen. Friede und Kurt wusten sich bald beritten zu machen, und nach damaliger Sitte zu bewaffnen. Da alle sechs Wütriche schwarz bekleidet waren, so nannten die Nachbaren sie: die schwarze Rotte.
Um Veit, der von dem Beinbruch wieder hergestellt war, aber es nicht wagte, seine Burg zu verlassen, weil er wuste, daß Jakob ihm den Todt geschworen hatte, ins freie Feld zu bringen, zündeten sie das Gehölz an, das seine Burg umgab. Die Flammen ergriffen auch einen Theil der äußern Gebäude. Aber Veit kam nicht, er war einige Tage vorher vor Wuth gestorben.
Nun schwuren die Räuber in ihrer Höle allen Burgbeherrschern ewige Feindschaft und Krieg. Und bald wurde die schwarze Rotte das Schrecken aller Erdelleute der ganzen Gegend. Zwar mordeten sie jetzt noch keine Menschen, aber die Heerden der Gutsbesitzer zerstreuten und würgten sie, wo sie dieselben trafen, und in ihren Kornfeldern und Forsten legten sie oft Feuer an.
Ganze Gemeinden wurden gegen die schwarze Rotte aufgeboten, aber ohne Erfolg. Lange blieb der Schlupfwinkel, der diese Nachtmenschen und ihre schwarzen Begleiter aufnahm, unentdeckt. Der gröste Theil derer, die sie verfolgen sollten, fürchtete sie als wirkliche Teufel, oder als Verbündete der Hölle. Die Landleute, die ihnen näher wohnten, ahneten die Wahrheit der Sache, und vermutheten den Hölenbewohner Nimmernüchtern als Anführer der schwarzen Rotte. Aber diese sahen sie nicht ungern in ihrer Nachbarschaft, weil sie nicht allein die Hütten des Volks verschonten, sondern sie auch, durch die weitverbreitete Furcht, gegen die Streifzüge und Bedrückungen der Raubritter schirmten, die seit Jahrhunderten das Eigenthum der Mindermächtigen als ihre Beute betrachteten. Auch sahen manche in dieser Räuberrotte eine Geissel des Himmels, um jenen Räubern das Vergeltungsrecht wiederfahren zu lassen.
Aber Jakob und seine Söhne wurden, durch den häufigen Genuß berauschender Getränke und des rohen Fleisches, durch den steten Anblick gewürgter und zerrißner Thiere, und durch die immer wiederkehrenden Entwürfe der Rache, wovon sie einzig nur sprachen, immer raubsüchtiger, blutdürstiger und tigerartiger, gleich ihren Hunden.
Sie wurden förmliche Straßenräuber, und wagten es endlich, sich auch am Tage auf den Heerstraßen zu zeigen, die durch die „goldne Aue“ führen, und jeden Vorbeireisenden, bei dem sie Geld oder Kaufmannswaare vermutheten, ohne Unterschied des Standes, zu berauben, und, bei dem geringsten Widerstande, zu ermorden. Aber dieser Eingriff in das Handwerk brachte die Raubritter, die damals rings um die goldne Aue her, auf der Quästenburg, der Rothenburg, dem Kyffhaus, der Sachsenburg u. s. w. hauseten, in Wuth. Sie verbanden sich zum förmlichen Kriege