Volks-Sagen. Johann Karl Christoph Nachtigal

Volks-Sagen - Johann Karl Christoph Nachtigal


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kehrten zu dem alten Kunstgriff zurück, des Nachts als Teufel zu erscheinen, und verübten, in ihrem Wahnsinn, einige Zeit viele Abscheulichkeiten, selbst in den Häusern des Landvolks in der goldnen Aue.

      Aber hier fanden sie Anbauer aus den Niederlanden, Fläminger, die sich in diesem fruchtbaren Thal niedergelassen hatten, und welche in den verkappten Teufeln bald Menschen erkannten. Hier wurde die schwarze Rotte, einst in einem Hause, wohin man sie zu locken gewußt hatte, gefangen. Man hatte in ihm eine leicht bedeckte Fallgrube zugerichtet, in welche die Betrunkenen stürzten, und so der eindringenden Schaar nicht entkommen konnten.

      Vor seiner Hinrichtung mußte Jakob seinen Richtern und dem herzuströmenden Volk seinen lange verborgenen Aufenthalt zeigen. Man fand hier die drei schwarzen Pferde der Räuber an ihrer Krippe. Und noch jetzt heißt davon die halb verschüttete Höle: Nimmernüchterns Pferdestall.

      1. ↑ Auf dem Kyffhäuser-Berge, der die goldne Aue beherrscht.

      Die Hufeisen

       Inhaltsverzeichnis

      Die Hufeisen an der Kirchthür.

      „Graf Ernst von Klettenberg[1] ritt einst, an einem Sonntagsmorgen, zu einem großen Gelag, nach Elrich. Viel waren der geladenen Ritter, die hier um den Ehrenpreis – tranken. Der ausgesetzte Dank war eine goldne Kette.

      Viele Stunden tranken die geprüften Ritter, bis sich der Sieg mehr entschied, und hier einer, dort einer erlag unter der Last der ungeheuern Humpen, und, unter der lauten Hohnlache der Zecher, als Schwächling niedergelegt wurde auf den Fußboden des Saals. Endlich blieben noch vier der sogenannten Edeln auf dem Kampfplatz. Doch drei von ihnen lehnten an der Wand, und triumpfirten mit lallender Zunge, daß die Willkommen den zitternden Händen nicht entsanken. Nur Ernst von Klettenberg stand noch auf freien Füßen, und ergriff siegprangend die goldne Kette, die auf dem Tisch lag, und hing sie sich um den Hals.[2]

      Um sich dem Volk als Sieger zu zeigen, wankte er aus dem Gemach, und befahl sein Roß vorzuführen. Vier Knappen hoben ihn herauf; und so ritt er, unter dem Gekreisch der hinzuströmenden Menge, durch das Städtlein, um nach Klettenberg heimzukehren. – Als er durch die Vorstadt ritt, hörte er in der Kirche, dem heiligen Nikolaus geweiht, die Vesper singen. Graf Ernst, in seinem Taumel, ritt durch das offenstehende Kirchthor ein, mitten durch die versammelte Gemeinde hindurch, bis vor den Altar. Der Gesang der Andacht ging in starres Anstaunen, und bald in wildes Geschrei über.

      Aber nicht lange freute Graf Ernst sich seines Frevels. Denn, als das gespornte Roß jetzt die Stufen des Altars betrat, siehe! da fielen – o Wunder! – plötzlich alle vier Hufeisen ihm ab, und es sank nieder mit seinem Reuter.

      Zum ewigen Andenken wurden diese vier Hufeisen an die Kirchthür angenagelt, wo sie Jahrhunderte lang angestaunt wurden, wegen ihrer Größe und der schauerlichen Sage.[3]

      1. ↑ Vielleicht derselbe Graf, dessen Denkmal man in der Klosterkirche zu Walkenried zeigt, wo er in kniender Stellung erscheint, um ähnliche Jugendsünden, wie die hier erzählte, abzubüßen, und von dessen spätern Jahren eine andre Sage folgendes erzählt.

       „Nach geendigtem Bauernkriege, worin, unter andern, das Kloster Walkenried zerstört war, ließ er die Aufrührer aus seinem Gebiet, die man hatte zusammenbringen können, bey dem Teiche zu Schiedungen versammeln, um ihr Urtheil zu empfangen. Die meisten Richter stimmten auf Todestrafe. Nur der Rath Wiegmanshausen stimmte für eine Geldstrafe, wodurch zugleich die erschöpfte Schatzkammer des Grafen eine nahmhafte Zubuße erhielt. Und so ließ Graf Ernst seine aufrührerischen Bauern ihr Leben, Mann für Mann, mit drei Gulden erkaufen.“

      2. ↑ Zur Vergleichung dieses Trinkgelags mag hier eine Stelle aus: „Beckers Geschichte der Hochmeister in Preußen (1798)“ stehen. „1351 wurde der Hochmeister Winrich von Kniprode installirt. Bei dem Ehrenmahl muste jeder Gast ein silbernes Becken mit acht Weinflaschen, die sich selbst ergossen, auf einen Zug leeren. Der wackere Trinker Veit von Bassenheim, leerte es dreimal, und ward dafür von dem neuen Hochmeister zum Schloßhauptmann befördert!“

      3. ↑ Seit einigen Jahren befinden sich diese Denkmäler der Vorzeit in dem Inspektorat zu Elrich, da jene Kirche eingestürzt ist.

      Die Quäste

       Inhaltsverzeichnis

      Von der Quästenburg, einer einst sehr berühmten Veste am Ende des Harzes, dem Schrecken der umliegenden Fluren und der vorbeireisenden Kaufleute, haben sich nur Trümmern und eine Volks-Sage, die ein jährliches Volksfest erneuert, erhalten. – Wild Gras überdeckt jetzt den Burghof, und von den Sälen, wo hochherzige Ritter ihre Gelage feierten, wo laut die Hohnlache des Raubfestes erscholl, ist kaum eine Spur vorhanden. Statt der spähenden Knappen sitzt in der moosbewachsenen Maueröfnung ein kauerndes Käuzlein. Nichts hat sich von allen den großen Gebäuden erhalten, als einige hier und dort sich erhebende Ruinen der Burgmauer, einige Keller, deren Eingänge Kröten und Schlangen und verwachsenes Gebüsch, das selbst die Gemäuer überkleidet, dem forschenden Wanderer streitig machen, eine Trümmer des vordern Thorthurms, und – das Burgverließ.

      Der Berg, auf dem sich das Raubschloß erhub, ist ringsum von höhern Bergen umkränzt, die es in der Vorzeit zugleich versteckten und schützten; diese sind zum Theil mit Holz bewachsen, zum Theil wie aus schroffen Felsenmassen, in den sonderbarsten Gruppirungen, aufgethürmt. Nur auf einer Seite bietet eine Schluft, die zwischen den Bergen sich öfnet, der in der Ferne kaum bemerkten Burg eine freiere Aussicht dar, zunächst über ein schmales Thal, das jetzt ein friedliches Dörfchen, Questenberg, ausfüllt, und dann über einen ziemlich eng beschränkten Strich queer durch die goldne Aue, der am Ende des Horizonts, durch den Kyffhäuser-Berg und die Rothenburg begränzt wird. Listig genug hatte ein Ritter des Mittelalters sich diesen Schlupfwinkel ausgesucht für Thaten, die das Licht scheuten; denn nicht leicht konnten mit Gütern beladene Wagen, die durch diesen sehr besuchten Theil von Thüringen fuhren, den spähenden Blicken des Burgherrn entgehen, der versteckt im Hintergrunde lauerte, gleich dem Ameisenlöwen in der Spitze seines Sandtrichters.

      Folgende Volks-Sage erklärt das Entstehen des Namens der Quästenburg, und lehrt uns, daß auch in jenen Raubzeiten die Natur ihre Rechte behauptete.

      „Einer der uralten Burgherrn hatte eine einzige Tochter. Als das Kind vier oder fünf Jahr alt war, verirrte es sich einst in dem Walde, der die Burg rings umschloß. Am Abend des Tages fand es ein entfernter Köhler nicht weit von seiner Hütte ruhig sitzen, und beschäftigt sich einen kleinen Blumenkranz zu flechten. Er fragte das Kind, woher es komme? wer sein Vater, seine Mutter sey? was es hier suche? Von alle dem wußte das Kind nichts, als daß seine Mutter todt sey, und daß der Vater Kurt heiße. Nun hießen Hunderte der dortigen Landesbewohner Kurt; und dem Köhler blieb nichts übrig, als das Kind, bis er nähere Kunde erhielte, mit in seine Hütte zu nehmen und sein zu pflegen.

      Der Burgherr, trostlos über den Verlust seines Kindes, hatte unterdeß alle seine Knappen und Dienstleute aufgeboten, um sein verlohrnes, einziges Töchterchen zu suchen. Nach langem vergeblichen Umherirren und Suchen der Knappen, und nach vielen kummervollen Tagen, fanden endlich einige Einwohner von Rota das Kind auf einer Wiese sitzen, beschäftigt sich Blumenkränze zu flechten. Es führte sie zu der Hütte des Köhlers, der es gepflegt hatte. Und bald nachher brachten sie es, unter lautem Jubel, nach der Burg zurück. Der Köhler, der es dahin begleitete, trug den Kranz, den das Kind bei seiner Hütte geflochten hatte, und überreichte ihn dem Vater, der Freudetrunken sein Töchterchen in seine Arme schloß.

      Der Kranz hieß damals: Quäste. Zum Andenken dieser sonderbaren Begebenheit, nannte der Burgherr von diesem Kranze, den er heilig aufbewahrte, sein Schloß, das sonst Finsterberg hieß: die Quästenburg, schenkte, vor Freude über die Auffindung seiner Tochter, dem Köhler und der Gemeinde zu Rota auf ewige Zeiten die Wiese, auf der sie das Fräulein fanden[1], und ordnete,


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