Butler Parker Staffel 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
»Welches Spiel spielen Sie, Mister Calderhan?« erkundigte sich Josuah Parker. »Ich darf doch nicht annehmen, daß Sie die Million Dollar abholen wollen?«
»Aha, das hat sich also bereits bis zu Ihnen herumgesprochen, wie? »Calderhan schmunzelte. »Stehen Sie noch immer mit der CIA in Verbindung?«
»Würde Ihnen das helfen?«
»Vielleicht, Parker. Ahnen Sie nicht, weshalb ich aufgetaucht bin?«
»Inzwischen ja«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich, darf wohl unterstellen, daß Sie sich im Schutz des A-Geschosses äußerst sicher fühlen, nicht wahr?«
»Jetzt treffen Sie endlich den Nagel auf den Kopf«, erwiderte Calderhan. »Mir kann nämlich nichts, aber auch gar nichts passieren, Parker! Hoffentlich spricht sich das schnell genug herum.«
»Würden Sie sich unter Umständen etwas deutlicher ausdrücken?«
»Na schön... Ich bin ja an der richtigen Adresse, Parker. Also, ich besitze dieses A-Geschoß nach wie vor. Sie wissen genau, welcher verdammte Sprengstoff in diesem Ding steckt. Schön... Das Ding ist gut verwahrt, aber die Bombe tickt, wenn ich mich so ausdrücken soll! Mit anderen Worten, sie wird hochgehen, wenn man meine Bedingungen nicht erfüllt!«
»Was hätten Sie dann davon?« fragte Parker. »Sie können das A-Geschoß nur ein einziges Mal hochgehenlassen.«
»Richtig, Parker, aber darauf wird man es nicht ankommen lassen, verstehen Sie? Man kann sich das nicht leisten! Man weiß doch genau, was dann passiert. Stellen Sie sich vor, ich hätte das Geschoß irgendwo in New York versteckt. Oder in Chikago von mir aus auch in Frisco oder in Los Angeles. Eine Katastrophe, wenn die Ladung zünden würde, oder?«
Parker antwortete nicht sofort.
Er hatte schließlich sehr schnell begriffen. Im Gegensatz zu seinen Behauptungen gab es keinen schwachen Punkt in den Berechnungen Calderhans. Er brauchte sich überhaupt nichts einfallen zu lassen, um an das verlangte Geld zu kommen. Er konnte es ganz frei und ungeschoren abkassieren.
»Ich sehe Ihnen an, daß Sie begriffen haben«, ließ Calderhan sich vernehmen und lächelte wieder in seiner so gefährlich-sympathischen Art. »Ich allein weiß, wo das A-Geschoß steckt. Und ich allein kann dafür sorgen, daß der Zeitzünder nicht losgeht. Man wird sich nach meinen Wünschen richten müssen!«
»Mir scheint, Sie bluffen...«
»Selbst wenn ich bluffe, Parker, restlos sicher werden Sie niemals sein. Ich wiederhole es noch einmal, der Zeitzünder tickt ununterbrochen. Wenn ich ihn nicht anhalte, oder verstelle, wird das Ding hochgehen. Wann und wo? Naja, das ist schließlich mein Trumpf, den ich niemals aus der Hand geben werde.«
»Sie spielen ein verflixt gefährliches Spiel, Mister Calderhan!«
»Das beste Spiel, das ich jemals spielte«, meinte Calderhan und strahlte den Butler siegessicher an. »Aber da wir bereits miteinander reden, Parker. Sie haben ja einen Direktdraht zum CIA: Hören Sie sich sofort an, welche Forderungen ich noch anmelde!«
»Ich höre...«
»Ich verlange selbstverständlich nicht nur eine Million Dollar, Parker. Verzehnfachen Sie diese Summe, dann hört’s sich schon besser an! Mehr will ich dann nicht! Zusätzlich verlange ich vom höchsten Bundesgericht eine Strafaussetzung auf Lebenszeit! Ich möchte das Geld nämlich in aller Ruhe genießen. Hinzu kommt Steuerfreiheit und die Garantie, daß man mich nicht durch die Presse zerrt. Das alles muß ganz sicher und ruhig über die Bühne gehen!«
»Angenommen, man geht auf Ihre Forderungen ein, Mister Calderhan. Was wird dann mit dem A-Geschoß geschehen? Werden Sie es dann ausliefern?«
»Halten Sie mich für verrückt?« sagte Calderhan auflachend. »Dieses Ding bleibt in seinem Versteck! Ich brauche ja schließlich eine Rückversicherung. Für den Fall nämlich, daß man mich übers Ohr hauen will. Noch einmal, halten Sie mich für verrückt?«
»Schlicht gesagt, ja!« gab Parker höflich und wohlerzogen zurück, »aber meine Ansicht dürfte im Moment nicht zur Debatte stehen!«
*
»Wo steckt er jetzt?« fragte Stew Criswood eine knappe Viertelstunde später, nachdem er, von Parker alarmiert, das Hotel betreten hatte.
»Drüben in der Hotelbar, Sir«, antwortete Parker gemessen. Dann informierte er erstaunlich knapp und ohne jede Umschweife den Mann der CIA.
Criswood hörte schweigend zu.
Er sah und hörte nichts von dem Betrieb in der großen Hotelhalle, in der sie sich befanden. Er las aber Parker förmlich die einzelnen Worte vom Mund.
»Was halten Sie von dieser Geschichte?« fragte er, als Parker geendet hatte. »Bluff oder Wahrheit?«
»So lange wir Calderhan diesen Bluff nicht nachweisen können, Sir, müssen wir damit rechnen, daß er die Wahrheit gesagt hat«, antwortete der Butler.
»Ist wohl anzunehmen«, erwiderte Criswood. »Gut, ich werde mit Calderhan reden. Vielleicht bekomme ich noch weitere Details aus ihm heraus! Wo steckt Mister Rander?«
»Ich erwarte ihn in der Bar«, gab der Butler zurück, »ich werde mir jedoch erlauben, ihn hier in der Hotelhalle abzufangen.«
Stew Criswood ging und verschwand in der angrenzenden Hotelbar. Parker ging gemessen durch die Halle hinaus zum Portal und baute sich seitlich neben dem Eingang auf.
Endlich hatte er Zeit, sich Calderhans Worte und Bedingungen noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Und er mußte sich eingestehen, daß die Verhandlungsposition des Gangsters ungemein stark war.
Er hatte das A-Geschoß angeblich in irgendeiner Großstadt der Staaten untergebracht und versteckt. Er hatte dieses Geschoß angeblich mit einem Zeitzünder versehen. Calderhan allein wußte, wann der Zeitzünder diese Ladung zur Detonation brachte.
Mit diesem Druckmittel in der Hand konnte Calderhan jede beliebige Erpressung riskieren. Er konnte ja als sicher unterstellen, daß die Behörden von der Existenz dieses, A-Geschosses wußten.
Welche Druckmittel hatte Calderhan schon zu befürchten?
Gut, man konnte ihn festnehmen. Aber was dann? Calderhan brauchte nur zu schweigen. Und brauchte dann nur darauf zu warten, bis das A-Geschoß durch den Zeitzünder in die Luft gejagt wurde. Er konnte davon ausgehen, daß die Behörden dieses Risiko niemals eingingen.
Wie aber konnte man diesem Gangster beikommen? Ob er verrückt war oder nicht, spielte überhaupt keine Rolle. Es kam nur auf seine Position an, auf sie allein.
Parker, sonst durchaus erfinderisch und anpassungsfähig, zermarterte sich den Kopf, doch die rettende Eingebung wollte sich nicht einstellen. Ja, Parker stellte an sich fast so etwas wie eine Gedankenlähmung fest.
Und diese Gedankenlähmung hing mit der tödlichen Massenbedrohung zusammen, die Calderhan ausgelöst hatte. Dieser Gangster hatte den schwachen Punkt der Regierung erkannt und ausgenutzt. Wirklich, er konnte verlangen, was immer er wollte, beizukommen war ihm im Augenblick nicht.
Eine weitere, schreckliche Konsequenz zeichnete sich ab.
Angenommen, diesem Larry Calderhan passierte etwas. Angenommen, die Regierung ging zwar auf seine wahnwitzigen Bedingungen ein, aber Calderhan geriet zum Beispiel unter ein Auto, brach sich das Genick in der Badewanne oder wurde von Konkurrenzgangstern früherer Zeit einfach erschossen.
Was dann...?
Dann tickte der Zeitzünder weiter, wie Calderhan es so plastisch ausgedrückt hatte. Tickte weiter, bis das irgendwo versteckte A-Geschoß zündete und die Kernsprengladung hochjagte.
Nicht auszudenken...
Parker war innerlich von diesen Dingen derart gefesselt, daß er sich fast geistesabwesend eine seiner spezialangefertigten Zigarren anzündete. Und geistesabwesend paffte er dann die beizenden Tabakdämpfe in die nachmittägliche Luft hinein.
Er