THE ASCENT - DER AUFSTIEG. Ronald Malfi

THE ASCENT - DER AUFSTIEG - Ronald  Malfi


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      »Es ist deine letzte Nacht, Overleigh.«

      Seine fahle Hand klopfte mir auf die Schulter. Das Licht der Gaslampen ließ Schatten über sein Gesicht springen.

      »Heute Nacht werden wir den ganz großen Sprung wagen.«

      Zuletzt hatten wir jede Klippe entlang der Küste erklommen und uns ins Meer hinuntergestürzt. Diese Nacht allerdings fuhren wir quer durchs Land, die Silhouette der Sierra de Luquillo hinter uns, und stiegen an einem abschüssigen Bereich des Strandes aus, der im Dunkeln dalag und gelegentlich von einem, das Mondlicht reflektierenden Stein kurzzeitig erhellt wurde.

      Links von uns, schwarz wie Tausend Nächte und gebaut wie der Schutzwall eines Kastells, ragte eine Klippe in den Himmel. Als das Taxi wegfuhr, sah ich die Felswand hinauf.

      »Wo ist der Pfad, der hochführt?«, wollte ich wissen.

      »Es gibt keinen. Wir müssen klettern.«

      »Willst du mich verarschen? Das ist nicht möglich.«

      »Nichts ist unmöglich«, sagte er, seine Turnschuhe ausziehend. Ich ging mehrere Schritte nach hinten, immer die drohende Wand über mir anstarrend, bis mir das Wasser um die Knöchel schlug.

      »Zieh die Schuhe aus«, sagte Andrew. »Dann ist es leichter, geeignete Stellen für die Füße zu finden, wenn wir da hochklettern. Abgesehen davon ist der Fels glitschig von Moos. Mit Schuhen würdest du nur ausrutschen.«

      »Du bist irre, das ist dir doch klar, oder?« Aber ich folgte bereits seinen Anweisungen, zog die Schuhe aus und warf sie den Strand hoch, weg vom Bereich der Brandungszone. »Heute Nacht werden wir beide sterben.«

      »Nein.« Andrew stand mit in die Hüften gestemmten Armen neben der Klippe und blickte an dem Felsen entlang nach oben. Sein weißes Leinenhemd war aufgeknöpft und blähte sich in der kühlen Nachtbrise. »Nicht heute Nacht.«

      Der Aufstieg gestaltete sich zunächst langsam und anstrengend. Wir sprachen nur wenig miteinander, da wir uns zu sehr auf die Kletterei konzentrieren mussten. Es war nicht leicht, passende Halte- und Trittflächen zu finden. Die Kerben und Lücken waren entweder zu schmal oder zu breit, um sie richtig mit den Händen fassen zu können, aber mit der Zeit bekam ich den Dreh raus. Auf halber Höhe konnte ich spüren, wie sich meine Beinmuskulatur langsam verhärtete. Mein Herz galoppierte in einem wilden Rhythmus und mein Atem ging stoßweise. Nur einmal hielt ich beim Klettern inne, um einen Blick über meine Schulter zu werfen, und hätte dadurch beinahe den Halt verloren. Die Welt kippte zur Seite und die weite Fläche des Meeres, schwarz wie Samt und schimmernd wie von zahllosen Juwelen besetzt, schien auf mich zuzuströmen, um mich in die Tiefe zu ziehen. Meine Muskulatur war angespannt.

      Einen Augenblick später schlossen sich Andrews Finger um mein Handgelenk. »Nicht nach unten sehen.«

      »Klar.« Ich heftete meine Augen wieder an die Wand vor mir, schloss sie kurz, um mich zu sammeln, und öffnete sie erneut.

      »Nie nach unten sehen. Komm schon.«

      Andrew kam langsam, aber stetig voran, und ich kletterte gleich einer Ratte hinter ihm her. Und dennoch schien der Gipfel unerreichbar zu sein.

      »Sie ist ein tolles Mädchen. Du kannst dich glücklich schätzen«, sagte Andrew, als ich zu ihm aufschloss.

      »Danke. Und ja, ich weiß es zu schätzen.«

      »Würde es …?« Er unterbrach sich, um nach einem aus der Wand überhängenden Finger aus Stein zu schwingen. »Würde es sich zu klischeehaft anhören, wenn ich dir damit drohen würde, sie ja gut zu behandeln? Du weißt schon, der ehemalige Freund, nun nur noch ein Schatten seines früheren Selbst, der versucht, sein angeknackstes Ego aufzurichten.«

      »Es wäre allerdings äußerst klischeehaft, aber ich würde es verstehen. Ich liebe sie wirklich.«

      »Das hatte ich gehofft.«

      Er kletterte nun schneller. Seine Arme verrichteten ihre Arbeit wie eine gut geölte Maschine und die Bänder und Sehnen ächzten und stöhnten mit jedem geänderten Winkel der Gelenke.

      Eine Welle aus Adrenalin schoss plötzlich durch meinen Körper und ich legte meinen inneren Schalter auf Turbo um. Nun fähig, mit Andrew mitzuhalten, bezwangen wir den Felsen schneller und schneller.

      »Du bist … ziemlich willensstark«, brachte Andrew keuchend hervor.

      »Was ist los? Macht dir das Tempo zu schaffen?«

      »Nein, ich pack' das schon.«

      Allmählich verlor ich jedes Gefühl in den Fingern und biss die Zähne zusammen, um schneller vorwärtszukommen, schaffte es aber nicht, an Andrew vorbeizuziehen.

      »Es braucht … schon einen Mann, um es bis zur Spitze zu schaffen.«

      »Ich weiß, was es braucht«, grollte ich. Meine Arme zitterten unter der Anstrengung, aber ich kletterte weiter. »Wäre es zu klischeehaft … wenn ich dich auf dem Weg zur Spitze … schlagen würde?«

      »Das … wird nie passieren«, zischte Andrew zwischen zusammengepressten Lippen hervor.

      Erstaunlicherweise beschleunigte er sein Tempo und ließ mich in seinem Kielwasser zurück. Es erschien mir unnatürlich. Und während er sich an der Wand nach oben schob, grunzte und stöhnte ich wegen der Anspannung, unter der meine Muskeln standen. Ich wollte mich aber nicht geschlagen geben und trieb mich härter an, benutzte den Schmerz, der wie ein Lagerbrand in meinem Körper wütete, zapfte seine Energie an. Nutze den Schmerz. Die Welt um mich herum verlor an Schärfe und Konturen, nur der Gipfel stach deutlich in meinem Sichtfeld hervor.

      »Scheiße«, rief Andrew.

      Wir schwangen uns beide gleichzeitig über den Rand der Klippe. Mein Herz schlug wie ein Presslufthammer, aber ich gönnte mir keine Pause, um wieder zu Atem zu kommen. Stattdessen stand ich auf und rannte wie ein geölter Blitz auf das entgegengesetzte Ende des mit Gras bedeckten Plateaus zu, mit Andrew an meiner Seite. Seine nackten Füße hinterließen Löcher im schmutzigen Boden, wenn er auf den Grund stampfte. Er ließ sein bereits aufgeknöpftes Hemd fallen, das vom Wind erfasst und zum Strand runtergeweht wurde. Ich folgte seinem Beispiel und warf mein T-Shirt ins Dunkel, während ich weiter rannte. Die Zielgerade lag am anderen Ende des Plateaus: Der Gewinner würde als erster hinab in die Tiefe springen. Ich beschleunigte und zog an ihm vorbei. Dieser Bastard mochte mich vielleicht beim Klettern besiegen, aber nicht bei einem Wettrennen. Keine Chance.

      »Ich habe dich gleich, Overleigh.«

      Er erschien plötzlich neben mir, eine Lokomotive aus gespenstisch weißem Fleisch. Seine Beine arbeiteten wie Kolben und trugen ihn durch das Ried. Ich spürte den Schweiß auf meiner Haut erkalten und den eisigen Zug, der über meine Schläfen zog. Der Rand der Klippe kam immer näher. Mit einer letzten Anstrengung, begleitet von einem kindischen Aufschrei, warf ich mich über den Rand – vielleicht den Bruchteil einer Sekunde vor Andrew.

      Ich tat einen tiefen Atemzug, während ich mit wedelnden Armen in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf das Wasser zuflog, das mich zu verschlingen drohte.

      Eine Stunde vor Tagesanbruch stieg ich zu Hannah ins Bett.

      »Hmm«, stöhnte sie sanft im schläfrigen Zustand.

      »Er ist schon ein komischer Typ«, sagte ich zu ihr.

      »Redest du mit mir?« Ihre Stimme war noch belegt vom Schlaf. »Bist du etwa ein Fremder, der sich zu mir ins Bett gelegt hat, und der nun eine Unterhaltung mit mir führt?«

      Ich lehnte mich zu ihr rüber und bedeckte ihren Körper mit Küssen.

      Sie sagte, ich würde wie der Ozean riechen, woraufhin ich ihr versicherte, dass ich mich ausgiebig gewaschen hatte.

      »Nur aus reiner Neugier, wie eng war denn eure Freundschaft auf dem College?«

      »Wen meinst du? Andrew?«

      »Wen sonst?«

      »Anders ausgedrückt, du möchtest


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