DIE BÃœCHSE DER PANDORA (Die Ritter des Vatikan 4). Rick Jones

DIE BÃœCHSE DER PANDORA (Die Ritter des Vatikan 4) - Rick Jones


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Kardinal schloss die Augen, lehnte sich in seinem Sitz zurück und wartete mit einem wiederkehrenden Gedanken auf die Landung in Rom: Was die Todesursache des Papstes anbelangte, war das letzte Wort noch nicht gesprochen.

      Da war er sich sicher.

      Kapitel 7

       Moskau, Russland

      Es war Nacht. Der alte Mann stand vor den weit aufgezogenen Vorhängen vor dem Fenster seines Apartments, durch welches er das wundervolle Lichtermeer erblicken konnte, mit dem die Basilius-Kathedrale angestrahlt wurde.

      Er hatte sich einverstanden erklärt und Ghazi versprochen, die Dämonen wieder zurück in die Bundeslade zu packen. Dabei war er weder ein Magier noch ein Zauberer. Er konnte noch nicht einmal ohne dieses brennende Gefühl pinkeln gehen, welches ihm noch größere Schmerzen verursachte als die Arthritis, die seine Knochen besonders bei diesem kalten russischen Wetter plagte.

      In Wirklichkeit hatte Ghazi recht gehabt, überlegte er. So schön der Blick aus seinem Fenster hinaus auf die angeleuchteten bunten Türme der Kathedrale auch sein mochte – sein Mütterchen Russland würde nie wieder zurückkehren.

      Gegen Ende des Kalten Krieges war Leonid Sakharov einer der wegweisenden Forscher auf dem Gebiet der Nanotechnologie und vielen von Russlands brillantesten Wissenschaftlern um Jahre voraus gewesen. Mitte der Achtzigerjahre, als die Nanotechnologie noch in den Kinderschuhen steckte, war den russischen und amerikanischen Militärführern klar geworden, dass Nano-Bots oder Nano-Waffen die Zukunft des Wettrüstens darstellten und weitaus verheerende Waffen als auf nuklearer Basis hervorbringen würden. Milliarden programmierter Moleküle, unsichtbar, unaufhaltsam und ohne dass spezielle Ausrüstung nötig würde, um sie herzustellen, könnten dem Militär auf vielfältige Art unschätzbare Dienste erweisen.

      Sakharovs Aufgabe bestand hauptsächlich darin, Nano-Scouts zu entwickeln – unsichtbare und unbemerkt agierende Roboter, die so klein waren, dass sie imstande waren, Daten von fremden Quellen zu übermitteln, ohne befürchten zu müssen, dabei entdeckt zu werden. Andere militärische Anwendungsgebiete sahen vor, die Nano-Bots als Gifte oder Kraftfelder einzusetzen. Eine weitere Überlegung des Kreml war es, diese Nanowaffen zur Gedankenlöschung einzusetzen. Dabei sollten sich die Nano-Bots als Mikrofelder an das Hirn der Opfer heften und dann kleine Energiewellen abgeben, welche bestimmte Erinnerungen löschen und diese mit neuen Befehlen, neuen Erinnerungen oder neuen Überzeugungen gemäß der kommunistischen Lehren überschreiben würden.

      Und auch andere Anwendungen wie Nano-Nadeln und Wassergeschosse wurden erwogen, wegen ihres Potenzials, aus der Entfernung töten zu können. Und, was noch viel wichtiger war, dafür sogar programmiert werden konnten.

      Ein weiterer Bereich, in dem das Wettrennen zwischen Russland, den USA und Großbritannien ausgetragen wurde. Russland aber besaß Leonid Sakharov, einen überragenden Physiker, der verstanden hatte, dass molekulare Nano-Waffen die nächste große Superwaffe darstellen würden. Um in Zeiten, in denen der Krieg in Afghanistan die russische Wirtschaft langsam ausbluten ließ, genügend Gelder für seine Forschung zugesprochen zu bekommen, erklärte er bis ins kleinste Detail, dass diese Waffen im Prinzip nichts anderes als Atome waren, die man in andere winzig kleine Systeme einbrachte, wo sie die Moleküle in kleine Computer umbauten, die dann wie submikroskopische Viren herumflogen, den Feind aufspürten … und ihn vernichteten. Nach unermüdlicher Lobbyarbeit, dass hier die Sicherheit und der Fortbestand von Mütterchen Russland auf dem Prüfstein stand, bekam er endlich die nötigen Geldmittel zugesprochen.

      Doch seine Forschung erwies sich als steinerner Weg.

      Nur langsam und in Babyschritten stellten sich Erfolge ein – ein kleiner Fortschritt hier und da, und das frustrierte ihn zutiefst, bis er schließlich zur Flasche griff, um sich damit zu beruhigen. Von da an wurden aus Babyschritten richtige Schritte, aus Schritten wurden Sprünge und die Entdeckungen auf dem Gebiet der subatomaren Forschung beflügelten Sakharov regelrecht.

      Er konnte nächtelang arbeiten und kam oft mit wenig oder gar keinem Schlaf aus. Sein einziger treuer Begleiter, abgesehen von seinen Kollegen und seinem enormen Ego, war eine Flasche des teuersten Wodkas, den man für Rubel erstehen konnte.

      Eines Nachts aber, als er sich nach einem erneuten Durchbruch in Feierlaune befunden hatte, verließ Sakharov die Vorsicht und initiierte ein Startprogramm, entgegen der Warnungen seiner Kollegen, dass es noch keine Vorabtests gab, welche gefährlichen Auswirkungen die Nano-Bots unter kontrollierten Bedingungen haben würden. Doch der alte Mann ließ seine Entscheidungen von seinem Ego und seinem vom Alkohol benebelten Geist treffen und löste das Programm mit nur einem Tastendruck aus.

      Auf seinem Monitor und hinter bombensicherem Glas verfolgte er, wie seine Kollegen einen Affen untersuchten, der sich hinter einer weiteren Glaswand in einer isolierten Kammer befand. Zuerst geschah überhaupt nichts. Der alte Mann wurde nervös und wütend, weil er nicht verstand, was schiefgelaufen sein konnte. Dann jedoch wurde der Affe fahriger, und ein wespenartiges Summen ertönte aus dem Mikrofon. Binnen weniger Augenblicke verstärkte sich das Summen immer mehr, die Nano-Bots replizierten sich schneller als erwartet. Und dann begann der Affe zu kreischen, in einem so gellenden Ton, wie ihn die Wissenschaftler noch nie aus der Kehle irgendeines Tieres gehört hatten.

      Büschelweise begann dem Rhesusaffen das Fell auszufallen. Er ruderte wild mit den Armen und schlug nach etwas Unsichtbarem um sich. Dann begann sein Fleisch zu verschwinden, als würde es Stück für Stück vertilgt werden. Muskeln und Sehen kamen zum Vorschein, und zuletzt seine Knochen. Der Affe riss in Todesqualen seinen Kopf nach oben und die Augen in ihren Höhlen lösten sich auf. Dann fuhr ein letztes Zucken durch seinen Körper und er kippte um. In wenigen Augenblicken und wie in einer Zeitrafferaufnahme löste sich der Affe bis auf das Skelett auf. Aber dabei blieb es nicht. Bald schienen die Knochen wie blank poliert zu sein, brachen schließlich auf und legten das Mark frei, welches ebenso schnell verschwand. Und dann war nichts mehr übrig, nicht einmal der Hauch von Staub. Alles, was aus Kohlenstoff bestanden hatte, war verschwunden.

      Und Sakharov lächelte. »Es ist vollbracht, meine Herren«, rief er über die Sprechanlage. »Dies ist die Zukunft.«

      Doch die Freude war nur von kurzer Dauer.

      Das Summen der Nano-Bots hörte sich mittlerweile wie ein rasender Insektenschwarm an, wurde lauter und lauter, als würde jemand beständig den Lautstärkeregler der Lautsprecher immer weiter aufdrehen.

       Nein! Nein! Nein! Sie vermehren sich zu schnell!

      Sakharov verfiel in Panik, während ihn seine beiden Kollegen im Labor durch das Glas hindurch ansahen und sich fragten, was los sei.

      Und dann verebbte der Lärm. Das wespenartige Summen verstummte wie auf Kommando.

      Die beiden Wissenschaftler verharrten regungslos, nicht einmal ihr Atmen war zu hören gewesen.

      Dann bildeten sich Risse in der Glasscheibe, welche die beiden Wissenschaftler von dem Rhesusaffen getrennt hatte. Zuerst nur ein kleiner Punkt, von dem aus sich spinnwebenartig kleinere Risse ausbreiteten. Dann ein zweiter und ein dritter Punkt. Die Risse wanderten über die Glasfläche, bis sie auf andere Risse trafen und das Glas schwächten. Und dann explodierte es mit ungeheurer Wucht nach draußen und das Summen hörte sich so markerschütternd an wie ein Frachtzug, der durch einen Tunnel raste.

      Sakharovs Kollegen begannen auf ihre Kittel und ihre Gesichter zu schlagen, als würden sie nach lästigen Mücken klatschen. Das Material ihrer Kittel löste sich auf, und danach ihr Fleisch. Ihre Gesichter begannen einfach zu verschwinden: Die Haut, die Muskeln, die gewölbten Knochen darunter und selbst die Augenhöhlen, in denen sich zuvor noch ihre Augen befunden hatten. Ihre Münder enthielten keine Zungen mehr, das Fleisch hatte sich aufgelöst. Und in einem letzten verzweifelten Akt des Selbstschutzes krallten sie sich mit ihren knochigen Fingern gegen das Glas, das sie von ihrem Mentor trennte, wo ihre nun deutlich zu sehenden hellen Knochen ein makaberes Klackern hinterließen.

       Was habe ich getan?

      Von Angst wie gelähmt sah Sakharov


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