DIE BÃœCHSE DER PANDORA (Die Ritter des Vatikan 4). Rick Jones

DIE BÃœCHSE DER PANDORA (Die Ritter des Vatikan 4) - Rick Jones


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J.J. Und bei dir ist es das Kämpfen, das sage ich dir. Ich kann es in deinen Augen sehen. Du bist ein Krieger. Denk‘ darüber nach.«

      Kimball warf den Müll in den Abfalleimer und sah Louie nach, wie dieser hinter einer Reihe von Spielautomaten verschwand. Er hatte auf scheinbar prophetische Art den Nagel auf den Kopf getroffen. War es sein Schicksal, zu kämpfen, und nichts anderes im Leben zu haben? Kimball seufzte niedergeschlagen. Ganz egal, wie schnell oder wie weit er auch rannte – das Schicksal empfing ihn an jeder Ecke wieder, um ihm das Zepter des Krieges zu überreichen.

      Er sah auf die Uhr. Noch neunzig Minuten, bevor seine Schicht vorüber war.

      Er machte sich wieder an die Arbeit.

      Nachdem er sich an der Stechuhr ausgetragen hatte, begab sich Kimball in eines der benachbarten Casinos, die ein Parfait-Glas voller Shrimps für 1,99 $ anboten, und aß sie unter dem illuminierten Dach der Freemont State Experience. Während über ihm die Cartoon-Figuren tanzten, plärrte Musik der Rolling Stones und Doors aus den Lautsprechern. Als die Show vorüber war, stellte er sein Glas ab und lief östlich die Freemont Street entlang, eine relativ bedrückende Gegend mit baufälligen Motels, wo die Crackhuren für den nächsten Schuss arbeiteten. Obdachlose hatten sich mit ihren Einkaufswägen voller Schätzen, die für andere Leute nur Müll darstellten, zu kleinen Gruppen versammelt. Weiter östlich, in Richtung Boulder Highway, wo die Motels bereits abbruchreif waren, befand sich Kimballs Einzimmer-Appartment. Das war die einzige Bleibe, die er sich bei seinem Gehalt und ohne zusätzliche soziale Leistungen, die mit zu viel Aufmerksamkeit verbunden gewesen wären, leisten konnte.

      Es war Nacht und die Luft war heiß und trocken. Obwohl es hier eigentlich immer heiß war, überlegte er. Höllisch heiß. Und der Geruch der Stadt war überall. Der Schweiß, das Ozon, die Abgase und die stickige Großstadtluft, alles zu einem furchtbaren Gemisch verrührt.

      Aber es war sein Zuhause.

      Als er in eine Gasse einbog, bemerkte er einen kleinen Kerl, einen Teenager, der neben einer Mülltonne stand. Je näher Kimball dem Müllcontainer kam, umso mehr begann die Person schrittweise auf ihn zuzutänzeln, bis sie ihm schließlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.

      »Kann ich irgendwas für dich tun?« Kimballs sechster Sinn schaltete sich ein, was bedeutete, dass sie nicht allein waren.

      »Hast du was zu Rauchen, Mann?«

      »Tut mir leid. Ich rauche nicht.« Kimball versuchte seitlich an ihm vorbeizulaufen, aber der Typ stellte sich ihm erneut in den Weg. Er war weder ein Teenager noch ein ausgewachsener Mann, sondern irgendetwas dazwischen, vielleicht zwanzig Jahre alt.

      »Wie sieht’s mit Kohle aus? Geld hast du doch sicher, oder?«

      »Wie wär’s, wenn du mir einfach aus dem Weg gehst? Dann werden du und deine Freunde auch nicht verletzt.«

      In den Schatten bewegte sich etwas. Drei weitere Gestalten, die von Drogen gezeichnet alle gleichermaßen ausgemergelt und dünn aussahen, umringten Kimball.

      »Das willst du nicht«, ermahnte er den jungen Mann. »Vertrau mir. Das willst du wirklich nicht.«

      Ein Klacken war zu hören, als eine Klinge aus dem Stiletto in der Hand des Ganoven sprang. Die anderen drei folgten seinem Beispiel: Tschick! … Tschick! … Tschick! …

      Also hatte es Kimball mit insgesamt vier Messern zu tun.

      »Gib mir deine Brieftasche, Kumpel.«

      »Wenn du meine Brieftasche willst«, erklärte ihm Kimball, »musst du schon kommen und sie dir holen.«

      »Machst du Witze? Wir sind zu viert!«

      »Das sehe ich«, antwortete er. »Aber dummerweise stehen die Chancen für mich um einiges besser.«

      Der Ganove legte den Kopf leicht schräg und warf ihm einen fragenden Blick zu.

      »Letzte Chance«, sagte Kimball ernst. »Geh mir aus dem Weg.«

      Der Ganove zögerte keine Sekunde. Ungeschickt und mit geradezu leichtsinniger Unbekümmertheit hielt er auf Kimball zu, die Spitze seiner Klinge zu einem geraden Stoß nach vorn gestreckt.

      Kimball wich zur Seite aus. Die Klinge verfehlte ihr Ziel und fuhr ins Leere, der Ganove stolperte und landete mit dem Gesicht voran auf dem Boden. Dabei prallte er mit den Lippen auf und brach sich mehrere Zähne.

      Kimball trat einen Schritt zurück, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, und konnte ein Lachen kaum zurückhalten, was die anderen Gangster einigermaßen verunsicherte.

      Der Angreifer hatte sich unterdessen wieder aufgerappelt und hielt sich eine Hand vor seinen blutenden Mund. »Fandest du das etwa lustig?«

      »Willst du mich auf den Arm nehmen? Das war geradezu zum Totlachen.«

      Der Ganove griff ihn wütend an, indem er sein Messer wild hin und her schwang und mit seiner Klinge diagonal immer wieder ein X in die Luft schnitt, hin und her. Kimball ließ sich etwas zurückfallen und wartete.

      Und dann schlug der ehemalige Ritter des Vatikan zu.

      Kimballs Linke schnellte nach vorn, packte den Ganoven am Handgelenk, drehte es ruckartig herum, auf das die Knochen brachen und dieser sein Messer fallen lassen musste. Dann winkelte er sein rechtes Bein an und trat den Ganoven mit einer solchen Wucht, dass der junge Mann in die Luft flog und in hohem Bogen und beinahe unmöglich weit durch die Gasse segelte, bis er schließlich bewegungslos auf einem Berg aus Mülltüten landete.

      Ohne die anderen aus den Augen zu lassen, hob Kimball das Messer auf.

      Sie starrten ihn an, und für Kimball war es offensichtlich, dass sie zu der Überzeugung gelangt waren, dass es keine gute Idee wäre, ihn anzugreifen. Um sie in ihrer Entscheidung zu bestärken, ließ Kimball das Messer zwischen seinen Fingern herumtanzen wie eine Tambourmajorette ihren Stab. Die Bewegungen waren fließend und beinahe anmutig, eine Fähigkeit, die viele Jahre des Trainings bedurfte, und etwas, dass keiner der Ganoven zuvor schon einmal zu Gesicht bekommen hatte.

      »Eure Entscheidung«, sagte er.

      Die Ganoven wichen zurück und zwei von ihnen ließen ihre Messerklingen zurückschnappen und steckten die Waffen ein. Der Dritte war sich noch nicht sicher und hielt sein Messer weiter gezückt.

      »Wir wollen nur unseren Freund holen und dann verschwinden«, sagte der dürre Gangster mit dem Messer.

      »Mach, was du willst. Ich geb‘ dir dreißig Sekunden.«

      Die Halbstarken eilten los und rüttelten ihren Freund auf, der nur halb bei Bewusstsein war und unzusammenhängend vor sich hin stammelte. Als sie ihn auf die Beine zogen, schrie er vor Schmerzen auf. Sein gebrochenes Handgelenk hatte sich schmerzhaft bemerkbar gemacht.

      Einer der Ganoven trat auf Kimball zu. »Können wir unser Messer wiederhaben?« Dabei hielt er ihm die Hand hin.

      Kimball schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, das behalte ich als Andenken.«

      Der Ganove ließ sich zu seiner kleinen Gruppe zurückfallen. Dann verschwanden sie durch das andere Ende der Gasse.

      Kimball steckte das Messer ein und sah ihnen nach. Als sie um die Ecke verschwunden waren, legte auch er einen Schritt zu. Es lauerten nur allzu oft irgendwelche Geier im Dunkeln, die darauf warteten, sich auf vermeintliches Aas stürzen zu können. Das war nicht die richtige Gegend, um solche Dinge auf die leichte Schulter zu nehmen oder zu sehr von sich eingenommen zu sein.

      Erst, als er in seinem Apartment ankam, fühlte er sich sicher, weil er wusste, dass er hier Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, um es mit ungewollten Besuchern aufnehmen zu können.

      Sein Appartement war klein, aufgeheizt und eng. Die Küche bestand nur aus einem einzelnen Waschbecken und einer Mikrowelle. Das Schlafzimmer war genauso klein und bot gerade genug Platz für ein kleines Einzelbett und einen Nachtschrank. Ihm gegenüber stand eine kleine Kommode mit einem 13-Zoll-Flachbildfernseher darauf. Nebenan befand sich ein Badezimmer, ebenfalls


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