Der Weltkrieg, Deutsche Träume. August Niemann

Der Weltkrieg, Deutsche Träume - August  Niemann


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      Eine Weile ging es bei der Pokerpartie in der bisherigen ruhigen Weise fort. Plötzlich aber mußte etwas Außergewöhnliches eingetreten sein. Denn man sah, daß die Herren bis auf Kapitän Irwin und einen der Mitspieler ihre Karten niederlegten, und man hörte die unangenehm scharfklingende Stimme Irwins.

      „Sie sind ein alter Fuchs, Kapitän Mc. Gregor! Aber ich kenne Ihre Tricks und falle nicht mehr darauf hinein. Noch einmal also: sechshundert Rupien!“

      Wer die Gesetze des Poker kennt, weiß, daß es bei diesem Spiel, worin gewissen Kartenkombinationen der Gewinn zufällt, nicht für unehrenhaft, sondern im Gegenteil für eine besondere Feinheit gilt, die Mitspieler durch kleine, komödiantische Kniffe über den Wert der beim Austeilen erhaltenen Karten zu täuschen. Der Name ‚Bluff‘, den man diesem Hazardspiel beigelegt hat, verrät ja schon, daß jeder nach Kräften versuchen muß, seinen Gegner zu verblüffen.

      Dem Kameraden Mc. Gregor gegenüber aber schien es Irwin diesmal nicht recht zu gelingen. Denn der Kapitän erwiderte mit großer Ruhe:

      „Sechshundertfünfzig. Aber ich rate Ihnen, Irwin, sie nicht zu halten.“

      „Siebenhundert.“

      „Siebenhundertfünfzig!“

      „Tausend!“ rief Irwin mit dröhnender Stimme und lehnte sich mit einem siegesgewissen Lächeln in seinen Stuhl zurück.

      „Ueberlegen Sie, was Sie tun,“ sagte Mc. Gregor. „Ich habe Sie gewarnt.“

      „Eine bequeme Manier, siebenhundertfünfzig Rupien einzustreichen. Ich wiederhole: Tausend Rupien.“

      „Tausendundfünfzig!“

      „Zweitausend!“

      Alle im Zelt anwesenden Herren hatten sich erhoben und umstanden die beiden Spieler, die, ihre Karten verdeckt in der Hand haltend, einander mit scharfen Blicken betrachteten. Hermann Heideck, der hinter Irwin getreten war, sah an der Rechten des Kapitäns einen wundervollen Brillanten funkeln. Aber an dem Tanzen der bunten Strahlen, die von diesem Stein ausgingen, sah er auch, wie die Finger des Spielers bebten.

      Kapitän Mc. Gregor wandte sich an seine Umgebung.

      „Ich rufe die Herren zu Zeugen an, daß ich den Kameraden schon bei sechshundert gewarnt habe.“

      „Wozu bedarf es da einer Warnung?“ fiel Irwin fast heftig ein. „Bin ich denn ein Knabe? Halten Sie die zweitausend, Mc. Gregor, oder halten Sie sie nicht?“

      „Nun denn, da Sie es nicht anders wollen: dreitausend.“

      „Fünftausend!“

      „Fünftausendfünfhundert.“

      „Zehntausend.“

      Jetzt legte einer der höheren Offiziere, der Major Robertson, seine Hand leicht auf die Schulter des tollkühnen Spielers.

      „Das ist zuviel, Irwin! Ich mische mich nicht gern in solche Dinge, und da Sie nicht von meinem Regiment sind, kann ich nicht dienstlich, sondern nur kameradschaftlich mit Ihnen reden. Aber mir scheint, daß Sie sich in Verlegenheit befinden würden, wenn Sie verlören.“

      Unwillig fuhr der Angeredete auf.

      „Was wollen Sie damit sagen, Herr Major? Wenn Ihre Worte einen Zweifel an meiner Zahlungsfähigkeit ausdrücken sollen, — —“

      „Nun, nun — ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Sie müssen ja schließlich am besten wissen, was Sie verantworten können.“

      Und mit trotziger Miene wiederholte Irwin:

      „Zehntausend also! Ich erwarte Ihre Antwort, Mc. Gregor.“

      Der Gegner blieb unverändert ruhig.

      „Zehntausendfünfhundert.“

      „Zwanzigtausend!“

      „Sind Sie denn betrunken, Irwin?“ flüsterte von der anderen Seite her der junge Leutnant Temple dem Kapitän ins Ohr. Der aber streifte ihn mit einem zornfunkelnden Blick.

      „Nicht mehr als Sie. Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!“

      „Einundzwanzigtausend,“ klang es gelassen von der gegenüberliegenden Seite des Tisches.

      Eine kurze, erwartungsvolle Pause folgte. Kapitän Irwin kaute nervös an seinem kleinen, dunklen Schnurrbart. Dann aber reckte er seine hagere Gestalt und rief:

      „Fünfzigtausend.“

      Noch einmal glaubte der Major, Halt gebieten zu müssen.

      „Ich erhebe Einspruch!“ sagte er. „Es ist bisher Regel bei uns gewesen, daß der Pool nicht um mehr als tausend Rupien auf einmal erhöht werden darf. Diese Regel ist längst überschritten.“

      Ein häßliches, rauhes Lachen kam von Irwins Lippen.

      „Es scheint, daß Sie die Absicht haben, mich zu retten, Herr Major! Aber ich brauche durchaus keinen Retter. Wenn ich verliere, werde ich zahlen. Und ich begreife nicht, weshalb sich die Herren in meinem Interesse die Köpfe zerbrechen.“

      Der Major, der einsehen mußte, daß er hier mit allem guten Willen nichts auszurichten vermochte, zuckte die Achseln. Leutnant Temple aber vermeinte, einen guten Einfall zu haben. Mit einer anscheinend unbeabsichtigten, ungestümen Bewegung stieß er gegen den leichten Feldtisch, daß Aschenbecher, Flaschen, Gläser und Karten zu Boden fielen. Aber es war nichts damit gewonnen, denn die beiden hielten ihr Spiel fest in der Hand und ließen sich durch den Zwischenfall nicht einen Augenblick aus der Fassung bringen.

      „Einundfünfzig,“ sagte Mc. Gregor.

      „Sechzig.“

      „Einundsechzig.“

      „Siebzig.“

      „Einundsiebzig.“

      „Achtzig.“

      „Einundachtzig.“

      „Ein Lakh!“ schrie Irwin, der jetzt vor Aufregung kreidebleich geworden war.

      „Wirklich?“ fragte Mc. Gregor gleichmütig. „Das ist ein schönes Gebot. Ein Lakh also — nach dem heutigen Kurse sechstausendfünfhundert Pfund Sterling. Sie werden ein reicher Mann sein, Irwin, wenn Sie gewinnen. Zeigen Sie doch, was Sie in der Hand haben.“

      Mit zitternden Fingern, doch mit triumphierender Miene deckte der Kapitän seine Karten auf.

      „Straight flush!“ sagte er heiser.

      „Ja, das ist ein starkes Spiel,“ erwiderte der andere lächelnd. „Aber sagen Sie doch, welches ist Ihre höchste Karte?“

      „Der König, wie Sie sehen.“

      „Schade! Ich habe nämlich auch straight flush. Aber bei mir steht das Aß an der Spitze.“

      Langsam, eine nach der anderen, legte er seine Karten auf den Tisch: Coeuraß, Coeurkönig, Coeurdame, Coeurbube, Coeurzehn. Wie ein einziger Ausruf der Verwunderung kam es von den Lippen der Umstehenden. Keiner hatte je das Zusammentreffen einer so merkwürdigen Kartenkombination erlebt.

      Kapitän Irwin saß für einen Moment regungslos, die flackernden Augen starr auf die Karten seines Gegners geheftet. Dann plötzlich sprang er mit einem wilden Lachen auf und verließ mit klirrenden Schritten das Zelt.

      „Dieser Verlust bedeutet für Irwin eine Katastrophe,“ sagte der Major sehr ernst. „Er ist außer stande, eine solche Summe zu zahlen.“

      „Mit Hülfe seiner Frau könnte er es wohl,“ meinte ein anderer, „aber es würde sie so ziemlich den ganzen Rest ihres Vermögens kosten.“

      „Ich nehme die Herren zu Zeugen, daß es nicht meine Schuld ist,“ erklärte Mc. Gregor, der einen gewissen Vorwurf in den Mienen seiner Umgebung zu lesen glaubte. Man stimmte


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