Der Weltkrieg, Deutsche Träume. August Niemann

Der Weltkrieg, Deutsche Träume - August  Niemann


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geschaffen werden, die auf eine Dauer von Jahrhunderten berechnet waren. Es war ein Triumph der Zivilisation, dessen imponierendem Eindruck sich ein Kenner von Indiens geschichtlicher Vergangenheit kaum entziehen konnte.

      Der Maharadjah von Chanidigot bekannte sich gleich dem größten Teil seiner Untertanen zum Islam, und schon die äußere Anlage seines Palastes ließ den mohammedanischen Fürsten erkennen. Abseits von dem Hauptgebäude, aber durch eine gedeckte Galerie mit ihm verbunden, lag der kleine Haremsflügel, dessen Inneres hinlänglich vor jedem fremden Blicke geschützt war. Hier wie dort offenbarte sich in der Ausschmückung des Palastes die verschwenderischste Pracht. Und Heideck dachte mitleidig an die armen Untertanen des Maharadjah, deren Sklavenarbeit die Mittel für diesen üppigen Luxus hatte liefern müssen.

      Der Minister und sein Begleiter wurden nicht in die große Audienzhalle geführt, die nur für besondere feierliche Empfänge bestimmt war, sondern in eine Loggia des ersten Stockwerkes. Die von zierlichen Marmorsäulen getragene offene Seite derselben ging nach einem inneren Hofe hinaus, der mit seinem tropischen Pflanzenreichtum einen wahrhaft paradiesischen Anblick gewährte. Eine leise plätschernde Fontäne, die aus dem Marmorbassin in seiner Mitte emporstieg, warf ihren feinen Sprühregen bis zu der Loggia hinauf und verbreitete angenehme Kühle.

      Eine gute Weile ließ ihn der Minister warten. Dann kehrte er zurück und forderte ihn durch ein stummes Zeichen auf, ihn zum Fürsten zu begleiten.

      Das Gemach, in welchem der Maharadjah sie empfing, war in seiner Ausstattung ein sonderbares, für die Augen eines Europäers nicht gerade anmutiges Gemisch von orientalischem Luxus und englischem Modegeschmack. Zwischen herrlichen Teppichen und kostbaren Waffen, mit denen die Wände geschmückt waren, hingen grellbunte Gemälde von wahrhaft barbarischem Geschmack, wie man sie in Deutschland kaum im Hause eines mäßig begüterten Bürgers angetroffen haben würde. Und ähnliche Widersprüche zeigten sich mehrfach. Am auffallendsten vielleicht traten sie in der Erscheinung des Fürsten selbst zu Tage. Denn dieser hochgewachsene Mann mit dem weichen schwarzen Vollbart und den brennenden Augen, der in seiner malerischen Landestracht ohne Zweifel schön und imponierend ausgesehen hätte, machte in dem grauen englischen Anzug und dem roten Turban auf dem Kopfe einen unharmonischen Eindruck.

      Er saß in einem mit rotem Juchtenleder überzogenen englischen Klubsessel und neigte auf Heidecks tiefe Verbeugung zu leichtem Gegengruße den Kopf.

      Es entging dem deutschen Offizier nicht, daß der Maharadjah äußerst verdrießlich aussah. Und er vermutete, daß es der für den Indigo gebotene niedrige Preis sei, der ihn verstimmt hätte.

      Aber schon die ersten Worte des Fürsten belehrten ihn eines anderen.

      „Wie ich höre,“ sagte er in ziemlich mangelhaftem Englisch, „sind Sie zwar Europäer, aber nicht Engländer. Darum hoffe ich, von Ihnen die Wahrheit zu hören. Ich bin gern bereit, Sie für Ihre Auskunft zu belohnen.“

      „Ich pflege auch ohne Belohnung die Wahrheit zu sagen, Hoheit!“

      Der Maharadjah maß ihn mit einem mißtrauischen Blick.

      „Ich bin ein treuer Freund Englands,“ sagte er nach kurzem Zaudern, „und ich befinde mich im besten Einvernehmen mit dem Vizekönig. Aber es geschehen jetzt Dinge, für die mir jede Erklärung fehlt. An diesem Morgen erhielt ich eine Botschaft aus Kalkutta, die mich in Erstaunen setzt. Die indische Regierung beabsichtigt bei Quetta ein Truppenkorps zusammenzuziehen und fordert mich auf, tausend Mann Infanterie und fünfhundert Reiter sowie eine Batterie und zweitausend Kamele dorthin zu senden. Können Sie mir sagen, mein Herr, was England veranlaßt, eine so bedeutende Truppenmacht bei Quetta zusammenzuziehen?“

      „Es dürfte sich lediglich um eine Vorsichtsmaßregel handeln, Hoheit! Vielleicht sind in Afghanistan neuerdings Unruhen ausgebrochen.“

      „Unruhen in Afghanistan? Dabei könnte nur Rußland seine Hand im Spiele haben. Wissen Sie vielleicht etwas Bestimmteres?“

      Heideck mußte verneinen. Und der Maharadjah, der seine üble Laune nicht verbarg, fing an, in einer etwas unvorsichtigen Weise seinem Herzen Luft zu machen.

      „Ich bin ein treuer Freund der Engländer, aber der Druck, den sie auf uns ausüben, wird täglich schwerer. Wenn England einen Krieg führen will, weshalb sollen wir unser Blut und unser Geld dafür hergeben? Wissen wir doch nicht einmal, wie mächtig die Feinde der Engländer sind. Sie gehören dieser Nation nicht an, wie mir mein Minister mitteilte. Deshalb könnten Sie mich recht wohl darüber unterrichten. Ich bin ja selbst in Europa gewesen. Aber man hat mich nicht über London hinaus gelangen lassen, wohin ich gereist war, um die nunmehr verstorbene Königin zu ihrem Geburtstage zu beglückwünschen. Ich habe nichts gesehen als viele Schiffe und eine riesengroße, schmutzige Stadt. Gibt es nicht in Europa starke und mächtige Staaten, die England feindlich gesinnt sind?“

      Derartige Fragen waren für Heideck unbequem. Er zog deshalb vor, einer bestimmten Antwort auszuweichen.

      „Ich bin seit fast einem Jahre in Indien, erwiderte er, und ich weiß von den politischen Ereignissen nur, was die ‚India Times‘ und andere englische Zeitungen darüber berichten. Eine gewisse Rivalität besteht zwischen den europäischen Großmächten selbstverständlich immer. Und England ist in den letzten Jahrzehnten so groß geworden, daß es naturgemäß viele Feinde haben muß. Darüber aber, wie sich die politischen Verhältnisse in diesem Augenblick gestaltet haben mögen, wage ich nicht ein Urteil zu äußern.“

      Unmutig schüttelte der Maharadjah den Kopf.

      „Machen Sie die Geschäfte mit dem Manne nach Ihrem Ermessen ab,“ wandte er sich kurz an den Minister, während zugleich eine verabschiedende Handbewegung dem jungen Deutschen kund gab, daß er entlassen sei.

      Als Heideck wieder in die Loggia hinaustrat, sah er den Kapitän Irwin in Begleitung eines Hofbeamten am Eingange derselben erscheinen. Der britische Offizier stutzte, als er des vermeintlichen Geschäftsreisenden ansichtig wurde. Er streifte ihn mit einem lauernden Blick, und eine fast feindselige Zurückhaltung lag in der Art, wie er den Gruß Heidecks erwiderte. Dieser kümmerte sich wenig darum, langsam schlenderte er durch den weitläufigen Park, auf dessen prachtvollen alten Bäumen viele Affen ihr munteres Wesen trieben. Die Mitteilung des Maharadjah von dem an ihn ergangenen englischen Befehl in Verbindung mit der Nachricht vom Vormarsch des Generals Iwanow gab ihm viel zu denken. Es konnte danach nicht zweifelhaft sein, daß sich in Afghanistan ernste kriegerische Ereignisse vorbereiteten oder vielleicht schon im vollen Gange waren. Quetta in Beludschistan, unmittelbar an der afghanischen Grenze gelegen, war das Ausfallstor gegen Kandahar. Und wenn England die Hilfe indischer Fürsten in Anspruch nahm, mußte es die Situation als kritisch erkannt haben. Noch war ja der Krieg nicht erklärt, aber Heidecks Mission konnte unter diesen Umständen plötzlich eine ganz besondere Bedeutung gewinnen, und es war jedenfalls unmöglich, in diesem Augenblick bestimmte Entschlüsse für die nächste Zukunft zu fassen.

      Der Spaziergang nach seinem in unmittelbarer Nähe des englischen Camp gelegenen Bungalo mochte etwa eine Stunde in Anspruch genommen haben, Zeit genug, einen gesunden Appetit wach zu rufen. Es war ihm deshalb durchaus nicht unangenehm, daß er seinen russischen Kameraden an einem schattigen Platze vor der Tür des Gasthauses beim Frühstück sitzen sah, und mit einem herzlich erwiderten Gruß nahm er ohne viel Umstände an dem Tische Platz. Fürst Tschadschawadse sah recht blaß aus und hielt sich lediglich an Sodawasser, das er gegen allen Landesbrauch sogar ohne jede Beimischung von Whisky trank. Die appetitlich duftenden gebackenen Eier mit Schinken standen unberührt vor ihm, und er lächelte etwas wehmütig, als er sah, wie gut der andere sie sich auf seine Einladung munden ließ.

      Sie hatten erst ein paar gleichgiltige Worte gewechselt, als zwei indische Mädchen auftauchten, die ihnen allerlei Tand zum Kauf anboten. Die jüngere, deren nackter Oberkörper wie Bronze glänzte, war von großer Schönheit. Selbst die Bemalung ihres Gesichts vermochte die natürliche Anmut der feinen Züge nicht zu zerstören. Aber so hübsch sie war, so kokett war sie auch. Und sie hatte es offenbar auf den Russen abgesehen. Hinter seinen Stuhl tretend, hielt sie ihm ihre glitzernden Nichtigkeiten vor das Gesicht. Und ihr Benehmen wurde dabei immer vertraulicher. Zuletzt streifte sie ein


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