Der Weltkrieg, Deutsche Träume. August Niemann

Der Weltkrieg, Deutsche Träume - August  Niemann


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halten, weil ich so zu einem Fremden sprechen kann. Aber gilt nicht auch in Ihrem Lande der Verlust der Ehre für schlimmer als der Tod?“

      „Unter gewissen Umständen — ja. Aber so tragisch ist die Lage Ihres Gatten hoffentlich nicht zu nehmen. Nach dem Eindruck, den ich bisher von der Persönlichkeit des Kapitäns Mc. Gregor empfangen habe, ist er nicht der Mann, der Mr. Irwin um einer leichtsinnig eingegangenen Spielschuld willen zum Aeußersten treiben wird.“

      „O nein, Sie beurteilen diesen Ehrenmann vollkommen richtig. Er würde am liebsten ganz auf die Zahlung verzichten. Und in der Absicht, ein derartiges Arrangement herbeizuführen, war er heute nachmittag hier. Aber der törichte Stolz, die maßlose Eitelkeit Irwins machten alle seine guten Absichten zu schanden. Das Ergebnis von Mc. Gregors gut gemeinten Bemühungen war einzig eine heftige Szene, durch die die Sache nur noch mehr verschlimmert wurde. Mein Mann ist entschlossen, seine Schuld um jeden Preis zu bezahlen.“

      „Und — verzeihen Sie die indiskrete Frage — ist er dazu imstande?“

      „Wenn er sich meines Vermögens bedient — gewiß! Und ich habe es ihm ohne weiteres zur Verfügung gestellt. Ich habe ihm gesagt, daß er alles bis auf den letzten Penny nehmen möge, wenn dieses Opfer ausreichend sei, mich für immer von ihm zu befreien.“

      Heideck wußte kaum, ob er seinen Ohren trauen dürfe. Auf nichts in der Welt war er weniger vorbereitet gewesen, als darauf, solche Geständnisse zu empfangen. Er fing an, irre zu werden an dieser Frau, die ihm bisher der Inbegriff aller weiblichen Vollkommenheit gewesen war. Und er suchte nach einer Gelegenheit, weiteren Enthüllungen vorzubeugen, die sie seiner Ueberzeugung nach schon in der nächsten Stunde bereut haben würde.

      „Niemand kann von Ihnen verlangen, Mrs. Irwin, daß Sie für eine sträfliche Leichtfertigkeit, für eine vielleicht im halben Rausch begangene Uebereilung Ihres Gatten ein so ungeheures Opfer bringen. Aber da Sie mich einmal der Ehre gewürdigt haben, mit mir über diese Dinge zu sprechen, so ist es vielleicht nicht unbescheiden, wenn ich Ihnen sage, daß es meiner Ansicht nach das richtigste wäre, Ihren Mann die Folgen seiner Handlungsweise tragen zu lassen. Sie brauchen wohl kaum zu fürchten, daß diese Folgen allzu schlimm sein werden. Mc. Gregor wird ihn gewiß nicht drängen. Und da wir unmittelbar vor dem Ausbruch eines Krieges zu stehen scheinen, gehen auch seine Vorgesetzten in diesem Augenblick wegen dieser Angelegenheit wohl nicht allzu streng mit ihm ins Gericht. Er wird vielleicht Gelegenheit haben, sein erschüttertes Ansehen durch soldatische Verdienste wieder gut zu machen oder den Tod auf dem Schlachtfelde zu suchen. In einigen Wochen oder Monaten werden alle diese Dinge, die Ihnen jetzt so viel Sorge verursachen, ein ganz anderes Gesicht zeigen.“

      „Sie meinen es sehr gut, Mr. Heideck, und ich danke Ihnen für Ihre freundliche Absicht. Aber ich würde Sie nicht zu einer so ungewöhnlichen Zeit hierher gebeten haben, wenn es mir nur darum zu tun wäre, durch liebenswürdigen Zuspruch getröstet zu werden. Ich befinde mich in einer wahrhaft entsetzlichen Lage — entsetzlich besonders deshalb, weil es hier niemanden gibt, dem ich mich anvertrauen, bei dem ich mir Rat und Beistand holen könnte. Daß ich in meiner Verzweiflung darauf verfiel, mich an Sie zu wenden, muß Sie gewiß in Erstaunen setzen. Und jetzt will es mir selber fast unbegreiflich erscheinen, wie ich Sie mit einer solchen Zumutung behelligen konnte.“

      „Wenn Sie mir eine Möglichkeit zeigen können, Mrs. Irwin, Ihnen in irgend einer Weise dienlich zu sein, so bitte ich Sie, unbedingt über mich zu verfügen. Ich bin mit allem, was ich vermag, zu Ihren Diensten. Und Ihr Vertrauen würde mich sehr glücklich machen.“

      „Als Gentleman dürfen Sie mir natürlich nicht anders antworten. In Ihrem Herzen aber halten Sie mein Benehmen doch vielleicht für unweiblich und unschicklich. Denn es ist ja richtig, daß wir einander kaum kennen. Drüben in England und gewiß nicht weniger in Ihrer deutschen Heimat würden so flüchtige Begegnungen, wie es die unsrigen waren, mir sicherlich kein Recht geben, Sie wie einen Freund zu behandeln. Und ich kann nicht wissen, inwieweit Sie unter dem Einfluß dieser europäischen Anschauungen stehen.“

      „Auch in Deutschland würde jede schutzlose und unglückliche Frau unbedingten Anspruch auf meinen Beistand haben,“ erwiderte er ernst. „Wenn Sie mir vor Ihren hiesigen Freunden den Vorzug geben wollen, so habe ich das nur dankbar anzuerkennen und über Ihre Beweggründe nicht weiter nachzudenken.“

      „Aber Sie sollen sie selbstverständlich erfahren. Meine hiesigen Freunde sind natürlich die Kameraden meines Mannes, und an sie kann ich mich nicht wenden, wenn ich damit nicht zugleich das Todesurteil über Irwin sprechen will. Keiner von ihnen dürfte es geschehen lassen, daß ein Mann vom Schlage meines Gatten nur eine Stunde länger dem Offizierkorps des britischen Heeres angehört.“

      „Ich verstehe nicht recht, Mrs. Irwin. Die Spielaffäre des Kapitäns ist seinen Kameraden doch ohnedies kein Geheimnis mehr.“

      „Es handelt sich auch nicht darum. Wie aber würden Sie über den Charakter eines Mannes urteilen, der seine Frau verkaufen will, um seine Schulden zu bezahlen?“

      Das Wort hatte den Hauptmann getroffen wie ein Schlag. Mit großen Augen starrte er auf die junge Frau, die eine so ungeheuerliche Anklage gegen ihren Gatten erhob. Nie war sie ihm lieblicher erschienen, als in diesem Augenblick, wo eine Empfindung weiblicher Scham ihre eben noch so bleichen Wangen mit dunkler Glut bedeckt hatte. Nie hatte er mit gleicher Deutlichkeit gefühlt, ein wie köstlicher, unschätzbarer Besitz dies anmutige Wesen dem Manne sein müsse, dem es sich liebend zu eigen gegeben. Und je weniger er daran zweifelte, daß sie soeben die volle Wahrheit gesprochen, desto heißer wallte in seinem Herzen ein leidenschaftlicher Zorn gegen den Elenden auf, der verworfen genug sein konnte, das herrliche Kleinod in den Schmutz zu zerren.

      „Ich wage nicht, Ihre Frage auf den Kapitän Irwin zu beziehen,“ sagte Heideck mit merklich bebender Stimme. „Denn wenn er dazu in Wahrheit fähig gewesen wäre — — —“

      Ihn unterbrechend, deutete Edith auf ein kleines Etui, das auf dem neben ihr stehenden Tischchen lag.

      „Möchten Sie sich nicht einmal diesen Ring ansehen, Mr. Heideck?“

      Er leistete ihrem Verlangen Folge und glaubte in dem Schmuckstück denselben prachtvollen Brillanten zu erkennen, den er gestern an Irwins Finger hatte funkeln sehen. Er gab dieser Vermutung Ausdruck, und die junge Frau nickte bestätigend.

      „Ich habe ihn meinem Manne an unserem Hochzeitstage geschenkt. Der Ring ist ein altes Erbstück in meiner Familie. Juweliere schätzen seinen Wert auf mehr als tausend Pfund.“

      „Und weshalb trägt Ihr Gatte ihn nicht mehr?“

      „Weil er die Absicht hat, ihn zu verkaufen. Natürlich ist der Maharadjah hier der einzige, der sich den Luxus solcher Erwerbungen gestatten darf. Und mein Gatte wünscht, daß ich den Handel mit dem Fürsten abschließe.“

      „Sie, Mrs. Irwin? Und warum tut er es nicht selbst?“

      „Weil der Maharadjah ihm den Preis nicht zahlen will, den er fordert. Mein Mann will den Ring nicht unter zwei Lakh hergeben.“

      „Aber das ist ja ungeheuerlich! Damit wäre er mehr als zwölffach überzahlt!“

      „Mein Mann ist trotzdem sicher, daß das Geschäft ohne Schwierigkeiten zustande kommen würde, wenn ich die persönliche Vermittelung übernähme.“

      Es war unmöglich, den Sinn ihrer Worte mißzuverstehen. Und so groß war die Erregung, in welche sie den Hauptmann versetzten, daß er ungestüm von seinem Stuhle aufsprang.

      „Nein, das ist unmöglich — undenkbar! — Das konnte er Ihnen nicht zumuten! Sie müssen ihn mißverstanden haben. Einer solchen Nichtswürdigkeit kann ein Mann, kann ein Offizier, kann ein Gentleman niemals fähig sein!“

      „Sie würden weniger erstaunt sein, wenn Sie Gelegenheit gehabt hätten, ihn kennen zu lernen, wie ich ihn in der kurzen Zeit unserer Ehe kennen gelernt habe. Es gibt schon beinahe nichts mehr, das mich in seiner Handlungsweise überraschen könnte. Er hat eben längst aufgehört, mich zu lieben. Und eine Frau, deren Person ihm gleichgiltig geworden ist, hat für ihn


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