Der Weltkrieg, Deutsche Träume. August Niemann

Der Weltkrieg, Deutsche Träume - August  Niemann


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Die Tür des Salons, wo er vorhin noch mit der Gattin des Kapitäns gesprochen hatte, war weit geöffnet, und von dort her ertönten die Hilferufe, deren verzweifelter Klang dem Hauptmann die Gewißheit gab, daß es eine furchtbare Gefahr sein müsse, von der Edith Irwin bedroht war. Nur wenige Schritte noch, und er sah die junge Engländerin mit wahrem Todesmut gegen drei weißgekleidete, eingeborene Männer sich wehren, die offenbar willens waren, sie mit sich fortzuschleppen. Ihr leichtes Seidenkleid war bei diesem ungleichen Kampfe bereits in Fetzen gegangen, und so groß war Heidecks Empörung über die ungeheuerliche Brutalität der Angreifer, daß er keinen Augenblick zögerte, seine Waffe gegen den baumlangen, wild aussehenden Burschen abzudrücken, dessen braune Hände eben mit rohem Griff die entblößten Arme der jungen Frau umklammerten.

      Der Schuß krachte, und mit einem kurzen, dumpfen Aufschrei taumelte der Getroffene zurück. Entsetzt ließen die beiden anderen von ihrem Opfer ab. Einer von ihnen riß seinen Säbel aus der Scheide und drang auf den Deutschen ein. Heideck konnte nicht zum zweiten Male schießen, weil er fürchten mußte, Edith zu treffen. Darum warf er ohne Besinnen den Revolver zu Boden und packte mit einer Gewandtheit, auf die der Angreifer nicht vorbereitet war, den schon zum Schlage erhobenen Arm des Inders. Er war ihm an Körperkraft weit überlegen und hatte ihm mit einem raschen Griff den Säbel entwunden. Da gab der waffenlos gewordene den Kampf auf und suchte gleich seinem dritten Gefährten, der bereits mit lautlosen, katzenartigen Sprüngen entwischt war, sein Heil in der Flucht.

      Heideck verfolgte ihn nicht. Er dachte nur an Edith und daran, daß ihr von den Banditen vielleicht schon ein Leid geschehen war. Sie war in demselben Augenblick, da die gewalttätigen Hände der Inder von ihr abließen, auf den Teppich niedergesunken, und ihr marmorbleiches Antlitz erschien Heideck wie das einer Toten.

      Während seltsamerweise weder Ediths gellende Hilferufe, noch der Knall des Schusses einen von den Dienstboten herbeizurufen vermocht hatten, tauchten jetzt, da die Gefahr vorüber war, plötzlich ein paar verstörte braune Gesichter in der Türöffnung auf. Und die energische Aufforderung, die Heideck in englischer Sprache an die noch ängstlich zaudernde Zofe richtete, brachte sie zum Bewußtsein ihrer Pflicht zurück.

      Mit ihrer Hilfe trug Heideck die Ohnmächtige zu einer Chaiselongue, und da er auf dem Tischchen eines der grünen Fläschchen mit Lavendelwasser liegen sah, die in keinem englischen Hause fehlen, bediente er sich des starkduftenden Reizmittels, so gut er es verstand, während die Inderin die Fußsohlen ihrer jungen Herrin rieb und allerlei andere, unter den Eingeborenen gebräuchliche Handgriffe anwendete, um die Bewußtlose ins Leben zurückzurufen.

      Nach kurzer Zeit schon schlug Edith unter diesen vereinten Bemühungen die Augen auf, und nachdem sie mit wirrem, verständnislosen Blick umhergesehen, kehrte ihr in dem Augenblick, wo sie den auf dem Boden ausgestreckten Körper des von Heideck erschossenen Inders erblickte, mit voller Klarheit die Erinnerung an das Geschehene zurück.

      Den letzten Rest der lähmenden Schwäche mit der Energie eines festen Willens abschüttelnd, sprang sie auf.

      „Sie waren es, der mich gerettet hat, Mr. Heideck — Sie haben Ihr Leben für mich eingesetzt — wie soll ich Ihnen danken!“

      „Allein damit, gnädige Frau, daß Sie mir erlauben, Sie unverzüglich in das Haus des Obersten zu geleiten, unter dessen Schutz Sie sich notwendig bis zur Rückkehr Ihres Gatten stellen müssen. Von wem auch immer dieser verbrecherische Anschlag ausgegangen sein mag, — ob diese Halunken gemeine Diebe waren oder ob sie in irgend jemandes Auftrage gehandelt, jedenfalls fühle ich mich als einzelner Mann nicht stark genug, die Verantwortung für Ihre Sicherheit zu übernehmen.“

      „Sie haben recht,“ erwiderte Edith fügsam. „Ich werde mich sogleich bereit machen, mit Ihnen zu gehen. — Aber dieser Mann da —“ fügte sie erschauernd hinzu, — „ist er tot? Oder kann man noch etwas für ihn tun?“

      Heideck neigte sich über den Regungslosen herab, und ein einziger Blick in das fahlbraune, verzerrte Antlitz mit den weitoffenen, stieren, verglasten Augen ersparte ihm jede weitere Untersuchung.

      „Er hat empfangen, was ihm gebührte,“ sagte er, „und für Ihr hochherziges Mitleid gibt es hier nichts mehr zu tun. Ist denn aber gar kein männliches Wesen hier im Hause, das mir behilflich sein könnte, den Mann beiseite zu schaffen?“

      „Alle sind fort,“ sagte die Zofe. „Der Haushofmeister hat sie aufgefordert, sich mit ihm in der Stadt einen vergnügten Abend zu machen.“

      Heideck und Edith wechselten einen bedeutsamen Blick. Keines von ihnen hegte jetzt auch nur noch den geringsten Zweifel, daß es sich bei dem tollkühnen Ueberfall um ein Komplott gehandelt hatte, an welchem auch die indische Dienerschaft beteiligt war. Und deutlich genug erriet jedes von ihnen die Vermutungen des anderen hinsichtlich der Urheber des schändlichen Anschlags.

      Aber sie sprachen sich nicht darüber aus. Gerade weil sie sich durch die Erlebnisse dieser Nacht so nahe gekommen waren, wie das Schicksal zwei junge Menschenkinder verschiedenen Geschlechts nur immer zueinander führen kann, hegten sie beide dieselbe, fast instinktive Scheu vor dem ersten Wort, das vielleicht auch die letzte trennende Schranke zwischen ihnen niedergerissen hätte. Und Kapitän Irwins Name wurde nicht zwischen ihnen genannt.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war um die Mittagszeit, als Kapitän Irwin aus dem Bungalo des Obersten trat und sich seinem Hause zuwandte. Die Unterhaltung mit seinem Vorgesetzten mußte für ihn sehr bedeutungsvoll und wenig erfreulich gewesen sein. Denn er war sehr bleich. Auf seinen Wangen brannten rote Flecken und seine tiefliegenden Augen blickten finster, wie in mühsam beherrschtem Zorn.

      Kurze Zeit darauf wurde das Pferd des Obersten vorgeführt und gleichzeitig ritt ein Zug Lancers unter dem Kommando eines Wachtmeisters in den Hof ein. Der Kommandierende erschien in großer Uniform und setzte sich an die Spitze des Zuges, der im Galopp dem Schlosse des Maharadjah zusprengte.

      Unmittelbar vor dem Palast machten die Reiter Halt, und in befehlendem Ton rief Oberst Baird den am Eingangstor lungernden Dienern zu, daß er den Maharadjah zu sprechen wünsche.

      Ein paar Minuten vergingen, ehe ein prächtig gekleideter Palastbeamter mit der Meldung zurückkam, daß Seine Hoheit augenblicklich niemanden empfangen könne. Der Herr Oberst würde Nachricht erhalten, sobald die erbetene Audienz bewilligt werden würde.

      Jetzt schwang sich der Befehlshaber aus dem Sattel und ging festen, sporenklirrenden Schrittes in das Schloß, seinen Säbel mit lautem Gerassel hinter sich her über die Marmorfliesen schleifend.

      „Melden Sie dem Fürsten, daß ich auf der Stelle mit ihm zu reden habe!“ rief er mit drohender Stimme den Palastbeamten und Dienern zu, die ihm in sichtlicher Bestürzung folgten.

      Einer so kategorischen Erklärung wagte man offenbar keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Alle Tore öffneten sich vor dem Engländer, und auch im Vorzimmer brauchte er kaum eine Minute lang zu warten, ehe sich der Fürst bereitfinden ließ, ihn zu empfangen.

      Auf einer kleinen, hochgelegenen Terrasse des Erdgeschosses saß der Maharadjah beim Luncheon. Er veränderte seine absichtlich lässige Haltung nicht, als der englische Resident auf ihn zutrat. Und der sprühende Blick, mit dem seine dunklen Augen sich auf den Eindringling richteten, sollte den Fremden offenbar einschüchtern.

      Den Helm auf dem Kopf, die Faust auf den Säbel gestützt blieb der Oberst hart vor dem Fürsten stehen.

      „Ich habe mit Ihnen zu sprechen, Maharadjah!“

      „Und ich habe Ihnen durch meine Diener sagen lassen, daß ich jetzt nicht zu sprechen bin. Sie sehen, ich bin bei der Mahlzeit!“

      „Das darf für Sie kein Hindernis sein, den Vertreter Seiner britischen Majestät zu empfangen. Der Bescheid, den Sie mir erteilen


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