Der Weltkrieg, Deutsche Träume. August Niemann

Der Weltkrieg, Deutsche Träume - August  Niemann


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ins Gesicht, und seine Rechte fuhr gleichzeitig nach dem Dolche in seinem Leibgurt. Erschrocken prallte der Diener zurück, der eben im Begriff gewesen war, ihm auf silberner Schale eine rotschimmernde Languste zu präsentieren. Der Oberst aber setzte, ohne sich auch nur um Haaresbreite von seinem Platze zu rühren, das silberne Jagdpfeifchen an den Mund, das an seiner Schulter hing. Zwei gellende Pfiffe ertönten, und unmittelbar darauf wurde das Trappeln von Pferdehufen und das Klirren von Waffen vernehmlich. Die hohen, blaugestreiften Turbane der Reiter und die Fähnchen ihrer Lanzen tauchten neben der Terrasse auf.

      „Man rufe meine Leibgarde!“ schrie der Fürst mit vor Wut heiserer Stimme.

      Aber mit eisiger Ruhe klang es von den Lippen des Obersten:

      „Wenn Sie Ihre Leibgarde kommen lassen, Maharadjah, sind Sie ein toter Mann. Das wäre Rebellion. Und mit Rebellen pflegen wir keine Umstände zu machen.“

      Der Fürst preßte die Lippen zusammen. Die mit ungeheurer Anstrengung beherrschte Wut ließ seinen Körper wie im Fieber erzittern. Aber er mußte einsehen, daß er hier der schwächere sei, denn ohne ein weiteres Wort ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen.

      Der Oberst trat an die Brüstung der Terrasse.

      „Wachtmeister Thomson!“ rief er in den Park hinaus.

      Auf den Marmorstufen erklangen schwere Schritte, und der Gerufene, dem zwei Soldaten folgten, trat in dienstlicher Haltung seinem Vorgesetzten gegenüber.

      „Wissen Sie, Wachtmeister, wer der Herr dort am Tische ist?“

      „Zu Befehl, Herr Oberst! Das ist Seine Hoheit der Maharadjah.“

      „Wenn ich Ihnen Befehl erteilte, den Herrn zu verhaften und zum Camp zu führen, — würden Sie Bedenken tragen, zu gehorchen?“

      Der Wachtmeister sah den Fragenden an, als ob der Zweifel an seinem bedingungslosen, militärischen Gehorsam ihn in Erstaunen setzte. Dann machte er eine Kopfbewegung gegen die beiden Soldaten hin und trat, als wollte er den Auftrag sofort zur Ausführung bringen, um einen weiteren Schritt auf den Fürsten zu.

      „Halt, Wachtmeister!“ rief der Oberst. „Ich hoffe, Seine Hoheit wird es nicht zum äußersten kommen lassen. Sie sind doch bereit, Maharadjah, mir jetzt Rede zu stehen?“

      Schweigend deutete der Inder auf den vergoldeten Sessel an der anderen Seite des Tisches. Auf einen Wink des Obersten traten der Wachtmeister und die beiden Soldaten wieder ab.

      „Ich habe eine sehr ernste Frage an Sie zu richten, Maharadjah!“

      „Sprechen Sie!“

      „In der letzten Nacht, während der Kapitän Irwin abwesend war, sind einige verbrecherische Leute in sein Haus eingedrungen in der Absicht, sich tätlich an der Gemahlin des Kapitäns zu vergreifen. Was wissen Sie von dieser Sache, Maharadjah?“

      „Ich verstehe Sie nicht, Oberst! Was sollte ich davon wissen?“

      „Vielleicht täten Sie doch gut, sich zu besinnen. Sie hören von dieser Affäre zum ersten Mal?“

      „Gewiß. Ich habe bisher nicht das geringste davon gewußt.“

      „Auch das hat man Ihnen also nicht gemeldet, daß derjenige von den Einbrechern, der tot auf dem Platze geblieben ist, einer Ihrer Diener war?“

      „Nein. Ich habe sehr viele Diener, und ich bin nicht verantwortlich für das, was sie tun, wenn es nicht in meinem Auftrage geschah.“

      „Gerade das aber ist es, was ich vermute. Sie werden mir schwerlich zumuten zu glauben, daß einer Ihrer Diener einen derartigen Ueberfall auf eigene Hand gewagt haben sollte. Die anderen Schurken sind zwar entkommen, aber einer von ihnen hat einen Säbel zurücklassen müssen, der einem Manne Ihrer Leibgarde angehörte.“

      Der Maharadjah kämpfte augenscheinlich einen schweren Kampf, seine Fassung zu bewahren. Indem er seine Wut hinter einem verächtlichen Lächeln zu verbergen suchte, sagte er:

      „Es ist unter meiner Würde, Oberst, Ihnen darauf zu antworten.“

      „Von irgend einer Würde, die Sie berechtigte, eine von dem britischen Residenten verlangte Auskunft zu verweigern, kann nicht die Rede sein. Sie haben es nicht mit einem einfachen englischen Offizier, sondern mit dem Vertreter Seiner Majestät des indischen Kaisers zu tun. Wie es meine Pflicht ist, Sie zu fragen, so ist es die Ihre, mir zu antworten. Eine Weigerung könnte leicht die schwersten Folgen für Eure Hoheit haben. Denn die Regierungskommissare, die man auf meinen Bericht hin von Kalkutta nach Chanidigot entsenden würde, dürften sich von Ihrer Würde sehr wenig imponieren lassen.“

      Wieder biß der Inder die Zähne zusammen, und ein wilder, leidenschaftlicher Haß glänzte in seinen Augen. Aber er mochte zu gleicher Zeit daran denken, daß er nicht der erste unter den indischen Fürsten gewesen wäre, den man wegen eines geringfügigen Uebergriffes auch um den letzten Rest seiner Scheinherrschaft gebracht hätte. Darum zwang er sich zu einer äußerlich ruhigen Entgegnung.

      „Wenn Sie es für nötig halten, nach Kalkutta zu berichten, so kann ich Sie daran nicht hindern. Aber ich denke, der Vizekönig wird sich besinnen, einen treuen Alliierten Englands gerade in dem Augenblick zu beleidigen, wo er ihn um die Entsendung einer Hilfstruppe angeht.“

      „Da Sie dieses Umstandes einmal erwähnen — wer ist zum Kommandeur der Truppe bestimmt?“

      „Mein Vetter Tasatat Radjah.“

      „Und wann wird er marschieren?“

      „In etwa vier Wochen, wie ich hoffe.“

      Der Offizier schüttelte den Kopf.

      „Das wäre viel mehr Zeit, als wir Ihnen geben können. Ihre Truppe soll sich meinem Detachement anschließen, und ich werde spätestens in vierzehn Tagen ausrücken.“

      „Sie verlangen Unmögliches. Es fehlt vorläufig noch an Pferden, und ich weiß nicht, woher ich in so kurzer Zeit zweitausend Kamele nehmen sollte. Auch habe ich bei weitem nicht genug Munition für die Infanterie.“

      „Die fehlende Munition kann für Rechnung Eurer Hoheit aus dem Arsenal zu Mooltan geliefert werden. Was aber die Pferde und Kamele betrifft, so werden Sie bei einiger Anstrengung die nötige Anzahl ohne Zweifel zu rechter Zeit stellen können. Ich wiederhole, daß in vierzehn Tagen alles bereit sein muß. Vergessen Sie nicht, daß die pünktliche Ausführung des Ihnen erteilten Befehls gewissermaßen eine Probe auf Ihre Treue und Ihren Eifer darstellt. Jedes unnötige Zaudern und jede Zweideutigkeit in Ihrer Haltung müßten Ihnen verhängnisvoll werden.“

      Der Nachdruck, mit dem diese Worte gesprochen waren, verriet hinlänglich, wie ernst sie gemeint seien. Und der Maharadjah, dessen gelbliche Haut sich für einen Moment dunkler gefärbt hatte, neigte schweigend den Kopf.

      Oberst Baird erhob sich von seinem Sitz.

      „Was die Angelegenheit der Mrs. Irwin betrifft, so erwarte ich die sofortige Einleitung einer gründlichen Untersuchung. Und ich verlange, daß sie mit schonungsloser Strenge, ohne alle Winkelzüge und Heimlichkeiten geführt werde. Die Beleidigung, die von einigen Ihrer Untertanen einem Offizier Seiner Majestät und einer britischen Dame zugefügt wurde, ist eine so ungeheuerliche, daß nicht nur die Verbrecher selbst, sondern auch der Anstifter dieser Tat der verdienten Strafe überliefert werden müssen. Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit. Wenn ich nicht vor Ablauf dieser Frist einen befriedigenden Bericht von Ihnen erhalten habe, so werde ich selbst die Untersuchung führen. Und Sie dürfen gewiß sein, daß die gewünschte Aufklärung dann binnen kürzester Frist erfolgt sein wird.“

      Er legte militärisch grüßend die Hand an den Helm und schritt, diesmal den kürzesten Weg wählend, die Stufen der Terrasse hinab. Klirrend und rasselnd sprengte der Reiterzug davon.

      Mit düster funkelnden Augen blickte ihm der Maharadjah nach. Dann befahl er dem Diener, Mohammed Bhawon, seinen Leibarzt, zu rufen. Und als wenige Minuten später das ganz in weißen Musselin gekleidete magere, verhutzelte Männchen


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