Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser

Wachtmeister Studer - Friedrich C.  Glauser


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Stu­der) und dann den Schlumpf Er­win vor­zu­füh­ren.–

      Schlumpfs ers­te Wor­te wa­ren:

      »Aber ich hab’ doch ge­stan­den, was wollt Ihr noch?«

      Dann erst sah er den Wacht­meis­ter, nick­te ihm zu, hob kaum die Au­gen und woll­te sich zu dem Stuhl schlei­chen; aber Stu­der ging ihm ent­ge­gen, streck­te ihm die Hand hin:

      »Und, Schlumpf­li, wie geht’s seit dem letz­ten Mal?«

      »Nicht gut, Wacht­meis­ter«, sag­te Schlumpf und ließ sei­ne Hand be­we­gungs­los in der des an­de­ren lie­gen. Stu­der drück­te die schlaf­fe Hand.

      »Du hast dich an­ders be­son­nen, Schlumpf­li, hab’ ich ge­hört?«

      »Ja, es hat mich zu arg ge­drückt.«

      »A bah«, mach­te Stu­der und lä­chel­te. Schlumpf blick­te er­staunt auf.

      »Ja, glaubt Ihr mir nicht, Wacht­meis­ter?«

      »Ich glaub’ noch im­mer das, was du mir im Zug er­zählt hast.« Stu­der nies­te.

      »G’­sund­heit«, sag­te Schlumpf me­cha­nisch. Er hock­te auf dem An­ge­klag­ten­stuhl, hielt den Kopf ge­senkt, manch­mal schiel­te er nach Stu­der hin, als ob von dort eine Ge­fahr dro­he. Er sah aus wie ein Schul­bub, der das Kom­men ei­ner Ohr­fei­ge wit­tert und nicht den Au­gen­blick ver­pas­sen will, sie mit ge­ho­be­nen El­len­bo­gen zu pa­rie­ren.

      »Ich will dir nichts tun, Schlumpf­li«, sag­te Stu­der, »ich will dir nur hel­fen. Hast du den Mann ge­kannt, der ges­tern we­gen Au­to­dieb­stahl ein­ge­lie­fert wor­den ist?«

      Es gab Schlumpf einen Ruck. Er riss die Au­gen auf, riss den Mund auf, woll­te spre­chen, aber da sag­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter:

      »Was soll das, Wacht­meis­ter?«

      »Nichts, Herr Un­ter­su­chungs­rich­ter. Der Schlumpf hat schon geant­wor­tet.« Dann, nach ei­ner klei­nen Pau­se: »Ich darf doch rau­chen?« und zog ein gel­bes Päck­chen aus der Ta­sche. Grin­send: »Eine Zi­ga­ret­te. Und auch der Schlumpf wird gern eine neh­men. Es rei­nigt die At­mo­sphä­re.«

      Der Un­ter­su­chungs­rich­ter muss­te wi­der Wil­len lä­cheln. Ein ko­mi­scher Kauz, die­ser Stu­der… In ei­ner Ecke stand ein ein­sa­mer Stuhl. Stu­der pack­te ihn an der Leh­ne, schwang ihn ins Zim­mer, setz­te sich ritt­lings dar­auf, stütz­te die Un­ter­ar­me auf die Leh­ne, blick­te Schlumpf fest an und sag­te:

      »Wa­rum schwin­delst du den Herrn Un­ter­su­chungs­rich­ter an? Das ist doch Cha­bis, du hast doch den Wit­schi ganz an­ders um­ge­bracht. Du hast ihn auf­ge­hal­ten, das kann viel­leicht stim­men, hast ihm ge­sagt, es wol­le ihn je­mand spre­chen, und wie er dann vor dir her­ge­gan­gen ist, hast du ihn er­schos­sen. Dann hast du die Lei­che um­ge­dreht, die Brief­ta­sche ge­nom­men – stimm­t’s? Wie du die Lei­che ver­las­sen hast, ist sie auf dem Rücken ge­le­gen, nicht wahr? Sag’ jetzt die Wahr­heit. Lü­gen nützt nichts. Ich weiß es.«

      »Ja, Herr Wacht­meis­ter. Auf dem Rücken ist er ge­le­gen, der Mond hat ge­schie­nen, und der Wit­schi hat mich an­ge­glotz­t… Ich bin ge­lau­fen, ge­lau­fen…«

      Stu­der stand auf, er schwenk­te die Hand, wie ein Ar­tist im Zir­kus: »Quod erat de­mons­tran­dum – was zu be­wei­sen war.«

      Er war mit zwei Schrit­ten am Tisch, blät­ter­te im Ak­ten­bün­del, riss eine Fo­to­gra­fie her­aus, hielt sie Schlumpf un­ter die Nase:

      »So ist er ge­le­gen, der Wit­schi, auf dem Bauch ist er ge­le­gen, du Löli, ver­stehst? Und er hat un­mög­lich auf dem Rücken lie­gen kön­nen, weil kei­ne Tan­nen­na­del auf sei­ner Kut­te sind. Ver­stehst du das?«

      Und dann, zum Un­ter­su­chungs­rich­ter ge­wandt:

      »Ist nicht noch eine Fo­to­gra­fie da? Auf der nur der Kopf drauf ist?«

      Der Un­ter­su­chungs­rich­ter war aus der Fas­sung ge­ra­ten. Er stö­ber­te im Ak­ten­bün­del. Doch, es war noch eine Fo­to­gra­fie da, er wuss­te es. Zwei, die den gan­zen Kör­per des Wit­schi zeig­ten, eine, auf der nur der Kopf war, der Kopf mit der Wun­de hin­ter dem rech­ten Ohr und rund­her­um der Wald­bo­den, mit Tan­nen­na­deln be­deckt. Er fand sie end­lich und reich­te sie Stu­der.

      »Die Lupe«, sag­te der Wacht­meis­ter. Es klang wie ein Be­fehl.

      »Hier, Herr Stu­der.« Der Un­ter­su­chungs­rich­ter wur­de ganz ängst­lich. Wie lan­ge muss­te man sich noch den An­ord­nun­gen die­ses Fahn­ders fü­gen?

      Stu­der ging ans Fens­ter. Es war still im Zim­mer. Der Re­gen prit­schel­te ein­tö­nig ge­gen die Schei­ben. Stu­der starr­te durch die Lupe, starr­te, starr­te… End­lich:

      »Ich muss die Foto ver­grö­ßern las­sen. Darf ich sie mit­neh­men?«

      »Dies wäre ei­gent­lich Sa­che der Un­ter­su­chungs­be­hör­de«, sag­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter und ver­such­te sei­ner Stim­me einen ab­wei­send sach­li­chen Ton zu ge­ben.

      »Ja, und dann geht es drei Wo­chen. Ich hab’ einen Mann bei der Hand, der es mir bis heut’ abend macht. Also ich kann sie mit­neh­men?« Stu­der er­wi­sch­te ein Ku­vert auf dem Tisch, riss von ei­nem Block einen Zet­tel ab, krit­zel­te ein paar Wor­te drauf, schloss das Ku­vert, drück­te auf den Klin­gel­knopf. Der Po­li­zist öff­ne­te die Tür. Stu­der stand schon vor ihm.

      »Nimm dein Velo, fahr auf den Bahn­hof, ex­press. Da ist Geld. Aber rasch!…«

      Der Po­li­zist schau­te er­staunt auf den Un­ter­su­chungs­rich­ter. Der nick­te, et­was ver­le­gen, dann sag­te er:

      »Aber zu­erst füh­ren Sie die Per­son her­ein, die mit dem Wacht­meis­ter ge­kom­men ist. Das ha­ben Sie wohl ver­ges­sen, Herr Stu­der…«

      »Ganz rich­tig«, sag­te Stu­der zer­streut. »Das hab’ ich rich­tig ver­ges­sen.«

      Er strich sich über die Stirn und mas­sier­te die Au­gen­de­ckel mit Dau­men und Zei­ge­fin­ger.

      Die schwar­zen Punk­te auf dem Na­del­bo­den ne­ben dem Kopf… was hat­ten die schwar­zen Punk­te zu be­deu­ten? Sie sa­hen aus wie win­zi­ge Teil­chen ver­kohl­ten Zi­ga­ret­ten­pa­pier­s… Wenn man sie auf der Ver­grö­ße­rung als sol­che er­ken­nen könn­te!… Schwie­rig, doch nicht ganz un­mög­lich… Dann… Dann hat­te der Leh­rer Schwomm viel­leicht doch nicht ge­lo­gen, als er von zwei Schüs­sen sprach… Dann, ja, dann wur­de die Sa­che be­deu­tend ein­fa­cher… Kin­der­leicht…

      Ein klei­ner, spit­zer Schrei. Son­ja stand in der Tür.

      Schlumpf war auf­ge­sprun­gen.

      »Gebt euch doch die Hand, Kin­der«, sag­te Stu­der tro­cken aus sei­ner Ecke her­aus.

      Die bei­den stan­den vor­ein­an­der, rot, ver­le­gen, mit hän­gen­den Ar­men. End­lich:

      »Grüeß di, Er­win.«

      Ant­wort, ge­würgt:

      »Grüeß di, Son­ja.«

      »Hocked ab!« sag­te Stu­der und stell­te sei­nen Stuhl dicht ne­ben Schlumpf. Son­ja nick­te dem Wacht­meis­ter dan­kend zu und setz­te sich. Ganz lei­se sag­te sie noch ein­mal und leg­te ihre klei­ne Hand mit den nicht ganz sau­be­ren Nä­geln auf Schlumpfs Arm:

      »Grüeß


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