Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser

Wachtmeister Studer - Friedrich C.  Glauser


Скачать книгу
wa­gen wür­de, sich selbst zu ver­wun­den. Da­rum seid Ihr mit Eu­rem Auto an je­nen Platz ge­fah­ren. Und den Platz habt Ihr ja ganz ge­nau ge­wusst. Der Augs­bur­ger hat da­mals schon bei Euch ge­wohnt. Wa­rum habt Ihr den Mann bei Euch auf­ge­nom­men? Wa­ret Ihr etwa ei­fer­süch­tig auf den El­len­ber­ger? Woll­tet Ihr auch Eu­ren ent­las­se­nen Sträf­ling ha­ben? Nun, das ist ja gleich. Ihr seid also mit Eu­rem Auto zu je­nem Platz ge­fah­ren und habt dar­auf ge­rech­net, dass der Ar­min sich ver­drücken wür­de, wenn er Euer Auto höre. Das hat er ge­macht. Dann habt Ihr schön Zeit ge­habt, die Brief­ta­sche des Wit­schi zu durch­su­chen. Das Do­ku­ment, mit dem er Euch er­presst hat, war wohl in der Brief­ta­sche? Und dann seid Ihr wei­ter in den Wald ge­gan­gen. Dem Wit­schi konn­te man leicht fol­gen, er hat wohl ge­nug Lärm ge­macht. Dann ist es still ge­wor­den, Ihr habt ge­war­tet. Ihr habt einen Schuss ge­hört, seid nä­her ge­kom­men. Der Wit­schi ist da­ge­stan­den, den Brow­ning noch in der Hand – un­ver­letzt. Was Ihr dann mit ihm ge­spro­chen habt, weiß ich nicht. Ich bin si­cher, Ihr habt Eure Rol­le gut ge­spielt. Arm um die Schul­tern ge­legt, wahr­schein­lich, ihn ge­trös­tet, ihn ein we­nig wei­ter­ge­führt.

      Und Eure Pis­to­le habt Ihr wohl in der Ta­sche ge­habt. Dann habt Ihr Euch von ihm ver­ab­schie­det, seid ein paar Schrit­te von ihm weg, einen Me­ter viel­leicht, und habt ihn von hin­ten er­schos­sen.«

      Pau­se. Stu­der nahm noch einen Schluck. Merk­wür­dig, dass er gar kei­ne Be­trun­ken­heit spür­te, im Ge­gen­teil, er wur­de nüch­ter­ner, es schi­en ihm, als wer­de sein Kopf im­mer kla­rer, der un­an­ge­neh­me Stich war ver­schwun­den. Er zün­de­te um­ständ­lich sei­ne Bris­sa­go wie­der an, die wäh­rend des Re­dens aus­ge­gan­gen war.

      »Zwei Feh­ler, Äsch­ba­cher, zwei große Feh­ler!« sag­te Stu­der, wie ein Leh­rer, der einen be­gab­ten Schü­ler nicht ta­deln, son­dern im Ge­gen­teil för­dern will.

      »Der ers­te: Wa­rum nicht Wit­schis Re­vol­ver neh­men? Ar­min hät­te ihn ge­fun­den; die gan­ze Ge­schich­te hät­te rei­bungs­los ge­klappt. Ich wäre höchs­tens bis zum Selbst­mord vor­ge­drun­gen, nie wei­ter. Und der zwei­te Feh­ler, aus dem alle üb­ri­gen sich dann er­ge­ben ha­ben: Wa­rum den Brow­ning in je­ner Au­to­mo­bil­ta­sche las­sen? Ir­gend­wer hat ihn doch fin­den müs­sen. Und dass ihn ge­ra­de der Augs­bur­ger, der klei­ne Ein­bre­cher­di­let­tant, hat fin­den müs­sen, das war Pech… Pech? Vi­el­leicht habt Ihr das ge­ra­de ge­wollt?«

      Stu­ders Au­gen hat­ten sich end­lich von dem schwar­zen Mus­ter los­ge­ris­sen. Er starr­te nun auf ein an­de­res, das wie ein Haus aus­sah, dach­te an einen Spruch, der in blau­er Far­be an eine Wand ge­malt war, und die Far­be be­gann ab­zu­brö­ckeln: ›Grüß Gott, tritt ein, bring Glück her­ein.‹

      »Es ist merk­wür­dig mit uns Men­schen«, fuhr Stu­der fort, »wir tun manch­mal ge­ra­de das, was wir ver­mei­den möch­ten, das, wo­vor un­ser Ver­stand uns warnt. Ein Be­kann­ter von mir, der nun tot ist, sprach im­mer von Un­ter­be­wusst­sein. Als ob das Un­ter­be­wuss­te einen ei­ge­nen Wil­len hät­te. Und bei Euch, Äsch­ba­cher, muss ich im­mer an so et­was den­ken. Denn Ihr habt doch al­les ge­tan, da­mit man auf Euch auf­merk­sam wird. Und das kann man nicht nur mit Eu­rer Spi­el­lei­den­schaft er­klä­ren, es steckt wohl et­was an­de­res da­hin­ter. Im Grun­de habt Ihr doch ge­wollt, dass der Mord aus­kommt. Sonst hät­tet Ihr doch nicht den Ger­ber und den Ar­min mit Eu­rem Auto aus­ge­schickt, um den El­len­ber­ger und den al­ten Cot­te­reau zu über­fah­ren. Wer hat Euch er­zählt, dass der Cot­te­reau Euch ge­se­hen hat­te? Der Augs­bur­ger?«

      »Ich hab den Augs­bur­ger da­mals mit­ge­nom­men, wie ich den Wit­schi hab tref­fen wol­len…« Ganz ru­hig kam die Stim­me von drü­ben. Kei­ne Auf­re­gung brach­te sie zum Zit­tern. Sie klang ge­nau wie die Stim­me des An­sa­gers, wenn er ver­kün­de­te: »Die Über­schwem­mun­gen im un­te­ren Rho­ne­ge­biet ha­ben große Aus­ma­ße an­ge­nom­men.«

      »Und Ihr habt nicht Angst ge­habt, dass er Euch ver­ra­ten wür­de?«

      »Er war ein treu­er Bursch. Spä­ter hätt ich ihn ins Aus­land ge­schick­t…«

      »Aber er wur­de ge­sucht. Und der Au­to­dieb­stahl…«

      »Mein Gott«, sag­te Äsch­ba­cher, »sol­che Leu­te ge­hen nicht so spar­sam mit den Jah­ren um, wie wir.«

      Stu­der nick­te. Das stimm­te.

      »Und«, fuhr Äsch­ba­cher fort, »den bei­den an­de­ren Bur­schen hab’ ich an­ge­ge­ben, ein Tschu­cker wol­le sich in un­se­re An­ge­le­gen­hei­ten mi­schen… Sie ha­ben viel Kri­mi­nal­ro­ma­ne ge­le­sen, die Bur­schen, sie ha­ben es ger­ne ge­macht. Sie woll­ten John Kling spie­len.«

      Ei­nen Au­gen­blick über­mann­te den Wacht­meis­ter schier der Stolz. Er hat­te den Äsch­ba­cher dazu ge­bracht, zu spre­chen; er hat­te ihn ge­zwun­gen, zu­zu­ge­ben. Da blick­te er zum ers­ten Mal auf und der Stolz ver­ging ihm. Ihm ge­gen­über, im tie­fen Stuhl, saß ein zu­sam­men­ge­sun­ke­ner Mann, der schwer at­me­te. Das Ge­sicht war rot an­ge­lau­fen, die Hän­de zit­ter­ten, der Mund stand ein we­nig of­fen. Aber nur einen Au­gen­blick ver­blieb der Mann so. Dann schloss sich der Mund, die Au­gen blick­ten wie­der ge­ra­de vor sich hin, an Stu­der vor­bei, zum Fens­ter hin­aus.

      »Die bei­den Bur­schen«, sag­te Stu­der, »ha­ben den ar­men Cot­te­reau or­dent­lich durch­ge­prü­gelt. Er hat mir nichts sa­gen wol­len. Und auch der alte El­len­ber­ger wuss­te von der Sa­che?«

      »Vi­el­leicht nach­her. Der Cot­te­reau hat auch zu­erst gar nicht ge­wusst, dass ich den Wit­schi er­schos­sen habe. Ich habe nur vor­beu­gen wol­len, er soll­te es Euch nicht gleich er­zäh­len, dass er mich dort ge­se­hen hat­te.«

      »Wann hat er Euch er­kannt?«

      »Wie ich ins Auto ge­stie­gen bin. Da hat ihn auch der Augs­bur­ger ge­se­hen, den Cot­te­reau näm­lich…«

      Jetzt eine Plat­te da ha­ben! dach­te Stu­der, und das Ge­spräch auf­neh­men!

      »Wa­rum habt Ihr den Augs­bur­ger im ge­stoh­le­nen Auto nach Thun ge­schickt, da­mit er sich ver­haf­ten las­sen soll? Denn das habt Ihr doch ge­wollt?«

      »Fragt nicht so dumm, Wacht­meis­ter!« Es war der Ge­mein­de­prä­si­dent, der sprach. »Na­tür­lich hab ich ihn ge­schickt. Zwei Grün­de: Er hät­te von der Be­loh­nung hö­ren kön­nen, die Ihr habt aus­schrei­ben las­sen, und dann wollt ich Euch einen Strich durch die Rech­nung ma­chen. Wenn der Schlumpf ge­stand, so wa­ret Ihr schach­matt, nid? Und Augs­bur­ger kann­te den Schlumpf. Er soll­te ver­su­chen, mit ihm in Ver­bin­dung zu tre­ten und ihm von Son­ja aus­rich­ten, es stün­de schlecht und er müs­se ge­ste­hen, sonst wür­den alle we­gen Ver­si­che­rungs­be­tru­ges ver­haf­tet. Ich hab na­tür­lich nicht er­war­tet, dass mir die Leu­te in Thun so ent­ge­gen­kom­men und den Augs­bur­ger mit dem Schlumpf in eine Zel­le sper­ren. Wollt Ihr sonst noch et­was wis­sen? Der Augs­bur­ger hat schlecht ge­schwin­delt, ich weiß es. Aber er hat kei­ne große Er­fin­dungs­ga­be, dar­um hat er al­les auf den El­len­ber­ger ge­wälzt.«

      »Ja, der El­len­ber­ger«, sag­te Stu­der, ganz freund­schaft­lich, so, wie man sich an einen Kol­le­gen um Aus­kunft wen­det. »Was hal­tet Ihr vom El­len­ber­ger?«

      »Eh«, sag­te Äsch­ba­cher. »Ihr kennt doch die­se Sor­te Leu­te. Im­mer muss et­was ge­hen, im­mer müs­sen sie eine Rol­le spie­len, weil sie im In­nern


Скачать книгу