Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni Behrendt
das mußte man ihr lassen, zimperlich war die Dörth nicht. Ob sie da beim Skilauf den Berg hinunterrollte, sich beim Schlittschuhlauf empfindlich stieß oder beim Rodeln sich das Näschen lädierte, sie tat es munter ab, obwohl ihr manchmal das Weinen näher stand als das Lachen.
Mit roten Wangen, leuchtenden Augen und quietschvergnügt erschien sie zu den Mahlzeiten, wo sie wie ein kleiner Scheunendrescher einpackte. So ein richtiger sonniger Sorgenbrecher für die drei Menschen, zu denen sie kraft des Gesetzes gehörte.
Vor Weihnachten war sie dann so recht in ihrem Element. Eifrig besprach sie an den langen Winterabenden mit der Schwiegermutter, was man den Kindern der Herrschaft Rautenau wohl schenken könnte.
Und »ihren« Kindern noch ganz besonders. Denn sie war ja stolze Besitzerin von Lindgau, das der Vater ihr als Hochzeitsgabe zukommen ließ. Sie kümmerte sich um das Gut allerdings nicht, dafür war ja schließlich der Gatte da, aber so ab und zu sich blicken lassen, das mußte sie schon.
Schließlich kam man denn überein, die Lindgauer Leute mit den Rautenauern zusammen zu bescheren, und Doro war’s zufrieden.
Ob man dieses schenken könnte – oder jenes – oder lieber doch etwas anderes – so ging es in einem fort, und die Gräfin dämpfte lächelnd den allzugroßen Eifer, während die beiden Herrn, gemütlich ihr Pfeifchen schmauchend, amüsiert zuhörten.
So war es auch an diesem Abend. Wie ein Kätzchen kauerte Doro zu Füßen der Schwiegermutter und sprach auf sie ein.
»Hör mal, Mutti, ich sah heute eine Oma von uns auf Schlorren. Ich bitte dich, bei dieser Kälte! Der müssen ja die Hacken anfrieren.«
»Wenn sie solche Strümpfchen tragen würde wie du, dann allerdings«, lachte die Gräfin, und die Herren schmunzelten. »Aber sie trägt solche aus guter warmer Schafwolle gestrickt.«
»Aber trotzdem muß sie Schuhe haben.«
»Die sie bestimmt in den Schrank stellen und weiter auf Schlorren gehen würde«, bemerkte jetzt die Gräfin trocken. »Denn diese alten Leute sind daran von Kindheit gewöhnt, und eine Gewohnheit gibt man nicht so ohne weiteres auf, hauptsächlich dann nicht, wenn man alt ist.«
Darauf erwiderte Doro zuerst einmal nichts. Sie schmiegte ihr gleißendes Köpfchen in den Schoß der Schwiegermutter wie ein vertrauendes Kind. Sie sah so süß und lammfromm aus, daß ein Fremder sie für einen Engel in Menschengestalt gehalten hätte. Und der Senior sprach Gattin und Sohn aus der Seele, als er trocken bemerkte:
»Wie doch der Schein trügen kann.«
*
Es war einen Tag vor Weihnachten, als Doro in das traute Wohngemach wirbelte, wo man wie gewöhnlich um diese Zeit gemütlich beisammensaß. Hinter ihr her tollten die drei Hunde, die dieses Frauchen, das immer so lustig war, ganz besonders in ihre treuen Hundeherzen geschlossen hatten. Doch als das Herrchen kurz Ruhe gebot, schlichen sie beschämt an ihren Platz, während Doro sich in den Sessel warf und ein böses Gesicht machte.
»Na, was ist uns denn in die Krone gefahren, Prinzeßchen?« fragte der Schwiegervater. »Du machst ja ein Gesicht wie Donar, der Donnergott.«
»Also, Papa, ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt. Ich möchte ernst genommen sein.«
»Bitte sehr.«
»Ach, es ist schon ein Kreuz, mit euch Sölgerthurnmännern, und dabei brauche ich jetzt Trost. Paps will nämlich durchaus haben, daß ich bei der Bescherung zugegen bin. Er hätte schon dreimal auf mich verzichten müssen, was er hinnehmen mußte, weil ich ja im Süden weilte. Aber jetzt pocht er auf seine väterlichen Rechte. Was sagst du bloß dazu, Edzard?«
»Daß du ganz fürchterliche Sorgen hast, mein Kind.«
»Sei doch nicht immer so ironisch! Ich mag dich schon gar nicht mehr leiden.«
»Danke.«
»Na, nun mal hoppla, Kinder«, meldete sich der Senior. »Tragt euer Geplänkel ohne Mutter und mich aus, uns ist das zu ungemütlich. Selbstverständlich verlebst du den Heiligabend mit deinen Eltern, Doro. Die haben mehr Rechte auf dich als wir.«
»Ich will aber nicht, Papa!«
»Mein liebes Kind, man muß so manches im Leben tun, was man nicht will. Dahinter wirst du auch schon noch kommen.«
»Aber muß das denn ausgerechnet am Heiligabend sein?« fragte sie kläglich, und da mußte man denn doch lachen.
»Ist aber auch wirklich wahr«, begütigte die Gräfin. »Und nun verrate uns, warum du den Abend nicht in deinem Elternhaus verleben willst.«
»Weil es hier viel interessanter ist. Wenigstens bei den beiden Bescherungen von Arbeitern und Angestellten.«
»Die kannst du doch mitmachen, weil sie in den Nachmittagsstunden stattfinden. Eine um drei, die andere um fünf Uhr.«
»Dann bin ich beruhigt. Zwar pflegt die Bescherung bei uns um sechs Uhr zu beginnen, damit Jörn sich noch genügend an seinen Geschenken erfreuen kann, bevor er ins Bett muß, aber wenn das diesmal eine Stunde später geschieht, wird er auch nicht umkommen. Also werde ich anordnen, daß vor sieben nicht beschert werden darf.«
»Wäre das nicht sehr egoistisch von dir, Doro?«
»Warum denn, Mama?«
»Weil der aufgeregte Junge dann noch eine Stunde länger warten müßte. Wenn man dir das nun zumuten würde?«
»Ach was, der ist verzogen genug.«
»Und du nicht?«
»Von euch bestimmt nicht«, kam die Antwort schnippisch. »Ich fahre nach Hause.«
Weg war sie, um jedoch bald wieder zu erscheinen, lachend über das ganze Gesicht.
»Es hat geklappt«, frohlockte sie. »Dem Brüderlein macht es gar nichts aus, eine Stunde länger zu warten.«
Und doch sollte der vernünftige Junge, der seiner Schwester zuliebe zurückstand, doch noch zu seinem Recht kommen. Denn schon um halb sechs Uhr traf Doro zu Hause ein.
»Nanu, Dörth, schon so früh?« fragte die Mutter verwundert, und gereizt kam es zurück:
»Wenn ich dir nicht genehm bin, kann ich ja wieder gehen.«
»Aber Kind, was ist das denn für ein Unsinn. Natürlich freuen wir uns, daß du schon da bist. Hauptsächlich Jörn. Schau nur, wie er dich anstrahlt. Hast es also doch nicht über dein gutes Herz bekommen, den Bruder warten zu lassen. Das ist lieb von dir, mein Herzenskind.«
»Na ja, ist schon gut«, wehrte sie hastig ab. »Stelle mich nicht besser hin, als ich bin, Ma. Nachdem ich nämlich eine Feier in Rautenau mitmachte, die mir mit ihrem Krach gehörig auf die Nerven fiel, verging mir zur zweiten die Lust. Darum bin ich hier.«
»Was sagen Sölgerthurns dazu?«
»Weiß ich nicht. Ich bin einfach losgefahren. Sie werden mich in dem Trubel gewiß nicht vermissen.«
»Das ist wieder einmal ganz du«, bemerkte der Vater kopfschüttelnd. Dann ging er zum Fernsprecher, an dessen anderem Ende sich der Diener Balduin meldete, und sagte diesem Bescheid, daß die junge Herrin in ihrem Elternhaus wäre.
Und zwar nach einem Zwischenfall, den sie verschwieg. Die Feier war ihr durchaus nicht auf die Nerven gefallen, hatte sie im Gegenteil begeistert. Ihre Augen strahlten mit denen der Beschenkten um die Wette.
Ach, wie war das doch alles so aufregend neu und wunderbar schön. Denn so eine fröhliche Weihnachtsfeier hatte sie noch nie erlebt. Und da sie ihrer Freude irgendwie Luft machen mußte, fiel sie dem Gatten, als sie ihn nach der Feier allein erwischte, um den Hals und küßte sein Gesicht, wohin die Lippen gerade trafen.
»Ach, Edzard, wie so sehr liebe ich dich doch!« sprudelte sie hervor – und merkte dabei gar nicht, wie stocksteif er dastand. Erst als sie ihm in das maskenstarre Gesicht sah, ließ sie erschrocken von ihm ab.
»Nun,