Karin Bucha Staffel 3 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 3 – Liebesroman - Karin Bucha


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und er hat sie kaltschnäuzig von sich gestoßen. Ja, von sich gestoßen. Eine Frau, so stolz wie Christine, wird es ihm nie verzeihen.

      Mit einem Ruck läuft er aus dem Zimmer, bestellt sein Reitpferd und jagt aus dem Grundstück.

      *

      Christine hat einen wunderbaren Ritt hinter sich. Lotte ist gehorsam unter ihr gegangen, als seien sie nie getrennt gewesen. Im Trab, im Galopp. Immer hat sie das Pferd in der Gewalt gehabt.

      Jetzt läßt sie Lotte treiben. Sie genießt die Schönheit um sich. Alle Fleckchen, die sie zusammen mit Georg aufgesucht hat, sieht sie wieder, und ihr ist, als sei sie von einer unendlich langen Fahrt heimgekehrt.

      Unter einer Buche sitzt sie ab, bindet Lotte abseits an einen Baum und läßt sich auf den weichen Waldboden nieder. Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch das Gewirr der Äste. Christine schaut zum Himmel empor, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Sie träumt.

      Und in diesem Moment erblickt Georg Hagen die lang hingestreckte schlanke Frauengestalt. Schreck zuckt zu seinem Herzen.

      Christine!

      Zuerst glaubt er an ein Phantasiegebilde. Dann erkennt er das schöne Frauenantlitz mit den weit geöffneten dunkelbewimperten Blauaugen.

      Schöner denn je kommt sie ihm vor. Trauer und Einsamkeit geht von der reglosen Frauengestalt aus.

      Er möchte hinlaufen zu ihr, möchte ihr sein Herz ausschütten, möchte sie um Verzeihung bitten. Vielleicht hätte er sich überwunden, wäre nicht ein Reiter aufgetaucht, der Christine erblickt, abspringt und mit großen Schritten auf sie zugeht.

      Er hört nicht, was sie sagen. Er sieht aber in Christines Augen Entsetzen aufsteigen. Jetzt erkennt er auch den Mann. Es ist derselbe, der Christine aus dem Hagenhof geholt hat.

      Der Mann hilft Christine auf die Beine. Er sieht, wie sie sich sekundenlang an ihn lehnt, und wie sie ihn mit ihren schönen Händen, die sie so oft hat über seine Wangen streichen lassen, liebkost. Über seine Stirn, über seine Wangen fahren ihre Hände, und dann läßt sie sich zu ihrem Pferd führen.

      Hätte er die Unterhaltung gehört, die kurz, aber schmerzlich war, er wäre nicht umgekehrt und wie der Teufel davongeritten.

      *

      Christine sieht sich aus zärtlichen, längst verklungenen Träumen jäh herausgerissen, als Ferdinand Ronald vor ihr steht. Er ist bleich bis in die Lippen. Seine Augen flackern. Sein Mund zuckt, ehe er Worte formen kann.

      »Chris, meine Frau ist tot. Ich muß sofort zurück.«

      Er hilft ihr, sich zu erheben. Sie taumelt und lehnt sich vor Schreck sekundenlang an seine Brust.

      »Chris, hörst du nicht, Ingeborg ist tot. Soeben habe ich ein Gespräch von Schwester Maria empfangen. Wir müssen alles abbrechen. Seit einer Stunde suche ich dich.«

      »Mein Gott, Ferdinand«, flüstert sie, benommen von dem Gehörten. Und sich dann aufraffend: »Natürlich, ich komme sofort mit. Wie ist es denn geschehen?«

      Er hilft ihr auf das Pferd. Erst als sie nebeneinander dem Hagenhof zureiten, quält er sich die wenigen Worte ab.

      »Ich weiß es nicht. Schwester Maria war sehr kurz angebunden und ich viel zu erschüttert.« Wie zu sich selbst sagt er: »Ingeborg tot. Ich kann es nicht fassen. Sie war doch so munter, als ich mich von ihr verabschiedet habe. Ich kann das einfach nicht verstehen. Mir kommt das so rätselhaft vor.«

      Ein Gefühl des Unbehagens hat von ihm Besitz ergriffen. Wieder sieht er Ingeborg vor sich, und wie sie ihm das Geständnis seiner Liebe zu Chris entreißt. Dabei ist diese Liebe völlig aussichtslos.

      Lieber Gott! Was hat sich inzwischen in seinem Heim abgespielt?

      Der Aufbruch geschieht voller Hast, und bald liegt der Hagenhof wieder in beschaulicher Ruhe. Die Wagenkolonne ist davongerollt und mit ihr auch Scherzen, Lachen und munter geführte Gespräche.

      Traurig, bedrückt steht Frau Irene auf der Freitreppe und blickt hinter den immer kleiner werdenden Wagen her. Sie weiß nicht, was diesen frühzeitigen Aufbruch veranlaßt hat. Aber sie ahnt Unheil.

      *

      Zusammen mit Ferdinand Ronald betritt Christine dessen Haus. Es schlägt ihnen eine seltsame, eisige Luft entgegen, als sei alles Leben erfroren.

      Langsam kommt ihnen Schwester Maria entgegen. Sie sieht noch grauer als gewöhnlich aus. Ihre Augen sind rot geweint.

      Immer wieder empfindet sie großen Schmerz, wenn sie einen Menschen, den sie täglich gepflegt, den sie liebgewonnen hat, für immer verlassen muß. Oder wenn er sie verlassen hat.

      »Guten Abend!« sagt sie und scheut sich, in Ronalds Gesicht zu blicken.

      »Ist – es wirklich – wahr?« Ferdi-nand Ronald empfindet die Frage selbst als töricht. Die Schwester nickt nur.

      »Ich möchte zu meiner Frau«, sagt Ronald und will an Schwester Maria vorbei. Im letzten Augenblick hält sie ihn zurück.

      »Der Arzt ist noch bei ihr – und –«

      Sie verstummt. Ronald fragt nicht weiter. Abseits läßt er sich nieder, nachdem er Christine einen Sessel zurechtgerückt hat.

      Qualvoll ist die Stille. Kein Wort wird zwischen ihnen gewechselt. Doktor Hermann, der sonst in seiner poltrig freundlichen Art die Treppe heruntergelaufen kommt, erscheint auf dem ersten Absatz. Ungewöhnlich ernst.

      Ronald ist aufgesprungen und ihm entgegengelaufen.

      »Herr Doktor –«

      Über den Brillenrand hinweg trifft ihn ein merkwürdig ernster, ja, miß-trauischer Blick.

      »Gut, daß Sie da sind, Ronald«, sagte er und geht an ihm vorbei die Treppe hinunter. Langsam folgt Ronald ihm. Ihm ist eigenartig zumute.

      »Ach«, sagt Doktor Hermann und reicht Chris die Hand. »Sie sind auch da. Das ist sehr gut.«

      »Guten Abend, Herr Doktor«, flüstert Chris leise. »Hat – hat sie sehr gelitten?«

      Hermanns Blicke gehen von Chris zu Ronald und wieder zurück. Auf Chris’ bleichem Gesicht bleiben sie haften.

      »Das weiß keiner«, sagt er bedächtig. »Aber wollen wir nicht in die Bibliothek gehen?«

      Ronald geht zum Bücherschrank und holt eine Flasche hervor.

      »Warum lassen Sie mich nicht zu meiner Frau?« fragt er beherrscht, während er drei Gläser vollgießt.

      »Tscha«, macht der Arzt, der die Kranke jahrelang behandelt hat. »Einmal müssen Sie es doch erfahren. Ihre Frau ist keines natürlichen Todes gestorben.«

      »Herr Doktor«, entfährt es Chris angstvoll. »Hat man sie umgebracht?«

      Die scharfen Brillengläser Doktor Hermanns blitzen. »Umgebracht? Woher wissen Sie das?«

      »Nun – ich meine –« Chris wird tödlich verlegen. Hilfesuchend blickt sie auf Ronald, der langsam zur Besinnung kommt. »Ingeborg war mit ihrem Leben nie unzufrieden, trotz der Schmerzen. Sie kann doch unmöglich –«

      »Was?« bohrt der Arzt weiter.

      »Ich weiß auch nicht, was ich denken soll.« Chris fährt sich mit beiden Händen durch das Haar.

      Ronald schiebt das Glas zurück und springt auf. »Jetzt bitte ich Sie, mich zu meiner Frau zu lassen«, sagt er mit aller Schärfe.

      »Bitte!« Auch Doktor Hermann erhebt sich. Nur Chris bleibt zusammengesunken sitzen. Ihr Kopf schmerzt. Der hastige Aufbruch vom Hagenhof. Die rasende, schweigsame Fahrt durch den stillen Abend. Und hier die ungeheuerliche Tatsache: Ingeborg keines natürlichen Todes gestorben! Unfaßbar! Wie konnte das geschehen? Warum ist der Arzt so komisch? Und wie deprimiert Ferdinand ist!

      Chris Velden überkommt ein unheilvollen Gefühl, eine Vorahnung schrecklicher Dinge, die mit diesem Tod zusammenhängen.


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