Bettina Fahrenbach Staffel 5 – Liebesroman. Michaela Dornberg

Bettina Fahrenbach Staffel 5 – Liebesroman - Michaela Dornberg


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Buch würde sie nehmen, auf jeden Fall.

      »Sie sollten es kaufen«, sagte eine Stimme neben ihr. Bettina blickte zur Seite. »Das sollten Sie nicht kaufen«, hatte damals Jan gesagt, nachdem sie zuvor schon für sich entschieden hatte, das Buch nicht zu erwerben.

      Aber diesmal war es kein fescher junger Mann, der zu ihr sprach, sondern ein älterer Herr mit schütterem Haar, einer goldgefassten Brille und einer zerbeulten braunen Cordhose. Er sah so aus, wie man sich einen Buchhändler vorstellte, und als solcher erwies er sich auch.

      »Das habe ich auch vor«, erwiderte Bettina. »Leider werde ich mit dem Büchlein schnell durch sein.«

      »Sie werden es gewiss mehr als einmal lesen und jede Zeile genießen. Sie werden die letzten Tage in Russland miterleben, als Kontrast das so andere Leben in Paris. Und das Schicksal der alten Tatjana Iwanowna wird Sie berühren, die ihre russische Heimat nicht vergessen kann.«

      Dieser Buchhändler gefiel Bettina ausnehmend gut. Seiner Begeis­terung war anzumerken, dass er in seinem Beruf aufging. Das zeigte auch das folgende Gespräch, das sie mit ihm führte. Sie waren darin so vertieft, dass Bettina irgendwann auf ihre Uhr schaute und ganz erschrocken sagte: »Um Himmels willen, jetzt muss ich mich aber auf die Socken machen, um meinen Termin nicht zu verpassen. Heute nehme ich nur dieses Büchlein mit, aber Sie können gewiss sein, dass ich wiederkommen werde. Sind Sie jeden Tag hier?« Natürlich würde sie sich künftighin von ihm beraten lassen, er war so belesen und machte einen so kultivierten Eindruck, dass es ein Vergnügen war, sich mit ihm zu unterhalten.

      Er lächelte fein, während er neben Bettina zur Kasse ging.

      »Sie werden mich hier immer erreichen. Mir gehört diese Buchhandlung, ich habe mir damit, auch wenn alle mich für verrückt halten, einen Lebenstraum erfüllt.«

      »Das finde ich großartig«, entgegnete Bettina, »ich finde es wirklich ganz fantastisch, wenn man seinen Traum leben kann.«

      Sein Lächeln verstärkte sich.

      »Sie sind allerdings die Einzige, die es so sieht, ansonsten hält man mich wohl für einen törichten alten Esel, der sein ganzes Geld in dieses Projekt gesteckt hat, als es für seinen Lebensabend zu verwenden.«

      »Sie werden Erfolg haben«, rief Bettina begeistert aus, »davon bin ich felsenfest überzeugt. Meine Leni würde sagen, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«

      »Ich könnte jetzt antworten mit – wenn es dem Esel zu wohl geht, geht er aufs Eis tanzen.«

      »Nun, dann antworte ich – die Hoffnung stirbt zuletzt.«

      Sie lachten beide herzhaft, und wenn Bettina nicht so in Eile gewesen wäre, wäre das Geplänkel sicher noch eine Weile so weitergegangen. Dieser Mann war nicht nur belesen, sondern auch sehr witzig.

      Bettina bezahlte, nahm ihr kleines Tütchen in die Hand, dann verabschiedete sie sich von dem Buchhändler wie von einem alten Freund.

      »Wir sehen uns schon bald wieder«, versprach sie, »denn ich bin eine Leseratte, und ich werde Ihren Laden, ganz besonders Sie, auch all meinen Freunden empfehlen, und das ist nicht bloß so dahergesagt.«

      »Das würde mich sehr freuen«, sagte er und begleitete Bettina zur Tür, wo sie sich per Handschlag verabschiedeten. Es fühlte sich wirklich so an, als kennten sie sich schon ewig.

      Bettina schwenkte ihr Tütchen hin und her, während sie eilig zu ihrem Steuerberater eilte. Sie hasste es, wenn jemand zu spät zu Verabredungen kam, und sie hasste es ebenso, zu Verabredungen zu spät zu kommen.

      Das würde sie rasch hinter sich bringen, dann brav und diszipliniert in ihrem Büro weiterarbeiten, aber dann freute sie sich jetzt schon auf den Abend. Da würde sie sich gleich über ihren Neuerwerb hermachen.

      Herbstfliegen – das war ein schöner Titel.

      *

      Bettina saß in ihrer Bibliothek in ihrem Lieblingssessel und träumte vor sich hin. Von wem wohl? Natürlich von Jan, den sie ganz schrecklich vermisste. Die Wartezeit wurde immer unerträglicher für sie, weil eben zwischen ihnen derzeit nichts weiter war als Schweigen. Früher hatte Jan die Wartezeit durch Anrufe, Mails oder kleine Botschaften verkürzt, aber jetzt kam so gar nichts.

      Das hatte er vorausgesagt, doch sie hatte nicht geglaubt, dass es so schwer für sie werden würde.

      Und wenn sie es bislang immer tapfer verdrängt hatte, war ihr jetzt doch schon klar, dass Jan sich nicht irgendwo in Kabul oder Umgebung aufhielt, sondern in einem unwegsamen Gebiet, in dem es keine Funkverbindungen gab. Und das bedeutete … Bettina zwang sich, diesen Gedanken endlich einmal zu Ende zu bringen, das bedeutete, dass es durchaus ein Gebiet sein konnte, wahrscheinlich sogar war, das das Rückzuggebiet der Taliban war. Und die würden einen Jan van Dahlen, wenn er in ihre Fänge geriet, sicherlich nicht mit Handschlag begrüßen und ihn zu einem Tee einladen, sondern kurzen Prozess mit ihm machen. Dass die Taliban nicht zimperlich waren, das kannte man schließlich hinreichend aus den Medien.

      Bettina war wie gelähmt, sie spürte, wie sich, trotz der warmen Temperaturen, eine Gänsehaut in ihr ausbreitete.

      Angst und Wut vermischten sich in ihr.

      Angst um den Mann, den sie liebte und Wut, dass er leichtfertig sein Leben aufs Spiel setzte. Was anderes war es doch nicht, denn was hatte die Welt davon, dass ein Jan van Dahlen über die Taliban berichtete? Nichts! Es gab Berichte genug, und es interessierte niemanden mehr wirklich. Es sollte endlich Frieden geben in diesem gebeutelten Land, in dem die Zivilbevölkerung – ganz besonders die armen Frauen und Kinder – am meisten zu leiden hatte.

      Was trieb Jan immer wieder an? Er hatte alle Auszeichnungen bekommen, die ein Journalist nur bekommen konnte. Er war reich, wie reich, wusste Bettina nicht, es interessierte sie auch nicht. Aber er könnte ein ruhiges, beschauliches Leben führen, seinen Hobbys nachgehen.

      Ja, dachte sie bitter, das war das Leben, das sie sich für ihn wünschte, weil er dann immer an ihrer Seite sein würde.

      Aber Jan?…

      Das Schrillen des Telefons ließ sie zusammenzucken. Ein Anruf um diese Zeit?, dachte sie nach einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr, ehe sie zum Hörer griff.

      »Bettina Fahrenbach«, meldete sie sich.

      »Hallo, Tante Bettina«, brüllte ihre Nichte Merit ihr so laut entgegen, dass Bettina den Hörer ein wenig vom Ohr nahm. »Ich bin es, Merit.«

      »Hallo, mein Schatz, das ist aber eine Überraschung, ich freue mich sehr, deine Stimme zu hören. Wir haben ja schon lange nicht mehr miteinander telefoniert.«

      »Ja, das stimmt. Aber das liegt an dieser dummen Zeitverschiebung und auch daran, dass wir so lange Schule haben, und es in Deutschland fast schon Schlafenszeit ist, ehe wir nach Hause kommen, aber jetzt rufe ich dich an, weil es eine Neuigkeit gibt, die dich umhauen wird, Tante Bettina.«

      Die Kleine war ja total aufgeregt. Was mochte sie ihr so Wichtiges zu berichten haben? Dass Irina, ihre Stiefmutter, schwanger war? Holger und Irina wollten zwar keine eigenen Kinder haben, aber man konnte ja nicht wissen.

      »Jetzt bin ich aber ganz gespannt, mein Kleines«, sagte Bettina, die über den Anruf richtig glücklich war, nicht nur, weil sie die Kinder ihrer Schwester Grit wirklich liebte und glücklich über jeden Anruf aus Vancouver war, sondern auch, weil sie von ihren trüben Gedanken abgelenkt war.

      Ein kurzes Schweigen, dann platzte Merit heraus: »Tante Bettina, ich habe einen kleinen Hund.«

      Das allerdings überraschte Bettina. Einen Hund zu haben war schon lange Merits Herzenswunsch, aber bislang hatte Holger, der sonst fast alles für seine Kinder tat, beharrlich geweigert.

      »Das finde ich großartig, aber dein Papa war doch immer dagegen.«

      Merit kicherte. »Ja, aber die Irina und ich haben ihn überzeugt. Außerdem, wo hätte das arme Tierchen denn sonst bleiben sollen?«

      »Hast du ihn von jemandem geschenkt bekommen, der ihn nicht mehr halten konnte?«


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