Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge

Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen - Sophus Ruge


Скачать книгу
Lieblingsgetränk der Nomaden den Reisbranntwein und Cosmos (Kumis) kennen. Trachten, Sitten und Gebräuche werden eingehend geschildert und geben ein gelungenes ethnologisches Gemälde. Die Fahrt ging weiter ums asowsche Meer herum über ein tafelgleiches Land, ohne Wald, ohne Berg, aber dicht begrünt. Der Don gilt unserm Gewährsmann noch als die Grenze zwischen Asien und Europa. Der Strom war an der Fähre etwa so breit, wie die Seine bei Paris. Von hier bis zur Wolga rechnete man 10 starke Tagereisen. Am letzten Juli langten sie in der Residenz des Sartasch an. Weiter nach Norden war das Land waldreich und von Flüssen durchzogen. Dort wohnte in Holzhäusern das Volk der Moxel oder Maxel und noch weiter nordwärts die Merdas (Mordwinen).

      Das Lager des Sartasch lag damals nach drei Tagereisen diesseit der Wolga. Hier hörte Rubruck schon die Sage vom Priesterkönig Johannes, den er in der Gestalt des Bruders des Unkchan der Naimanhorde zu erkennen glaubt. Von Sartasch zogen sie weiter zur Wolga; dieselbe erschien 4mal so breit als die Seine bei Paris. Rubruck erfuhr, daß der Strom sich nicht in den Ocean, sondern in das Meer von Sirsan (Dschorschan) d. i. das kaspische Meer ergieße. Unter letzterem Namen, fügt Rubruck hinzu, kennt es Isidor von Sevilla. Isidor galt also im 13. Jahrhundert noch als geographische Autorität.

      Es ist für die Geschichte der Erdkunde von Bedeutung, daß Rubruck mit großer Sicherheit einen Irrthum Isidors berichtet, wonach das kaspische Meer ein Meerbusen des nördlichen Eismeers sein solle, ein Irrthum, dem bekanntlich im Alterthum alle Geographen zwischen Aristoteles und Ptolemäus, also auch Strabo, verfallen waren. „Bruder Andreas hat zwei Seiten dieses Meeres umzogen, im Osten und Süden, und ich habe die beiden andern Ufer umwandert,“ setzt Rubruck hinzu, um seine Ansicht zu erhärten. Auch gibt er getreu die umwohnenden Völker an, erwähnt, daß man im O., S. und W. Gebirge finde, nur im Norden nicht; und trotzdem konnte der alte Wahn von der Meerbusengestalt dieses Sees sich noch bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts wieder beleben.

      Der Hof und das Lager Batuchans machte auf die Reisenden den Eindruck einer großen Stadt, da sich die Zelte der Tataren einige Meilen weit hinzogen. Bei der Audienz, die ihnen Batu gewährte, verlangten die Hofleute, die Mönche sollten, wie es alle Gesandten zu thun pflegten, die Knie beugen. Trotzdem traten sie aufrechten Ganges ein und sangen das Miserere. Als man ihnen aber alles Ernstes bedeutete, sie hätten niederzuknien, folgten sie zwar dem Gebote, um weiter keine Schwierigkeiten zu bereiten, brauchten aber die List, statt mit einer Anrede an Batu mit einem Gebete zu beginnen, so daß sie sich einreden durften, sie hätten sich vor Gott, aber nicht vor Menschen gebeugt. Danach hieß der Mongole sie aufstehen, fragte nach dem Zwecke ihrer Reise und ließ ihnen zum Zeichen seiner besonderen Gunst Milch zu trinken reichen. Dann erhielten sie die Erlaubniß mitzuziehen, denn Batu brach sein Lager bald ab und zog nomadisirend 5 Wochen an der Wolga hin. Erst am 16. September erfolgte ihr neuer Aufbruch nach Osten. Ihre Priesterornate ließen sie zurück und kleideten sich für die winterliche Reise in die landesübliche Pelztracht. Auch die Wagen blieben zurück und die Weiterreise wurde zu Pferde gemacht. Nach zwölf Tagen kamen sie von der Wolga an den Fluß Jagat (Jaik, i. e. Ural), welcher im Norden, im Lande der Pascatir (Baschkiren) entspringt. Dieses Volk redete die nämliche Sprache wie die Ungarn. Diese und andere Mittheilungen erhielt Rubruck von Predigermönchen, die bis zu diesem Hirtenvolke vorgedrungen waren. Täglich wurde nun eine Strecke zurückgelegt, wie zwischen Paris und Orleans, zuweilen auch noch mehr; denn sie erhielten gute Pferde und wechselten dieselben wohl auch, wenn sie ein Lager trafen, zwei bis drei Mal. Dafür mußte der officielle Begleiter sorgen, den ihnen Batu mitgegeben hatte; für Rubruck suchte man stets das stärkste Reitthier aus, weil er sehr schwer und wohlbeleibt war. „Was wir da an Hunger und Durst, Kälte und Erschöpfung gelitten haben,“ ruft er aus, „läßt sich nicht beschreiben. Nur des Abends gab es eine ordentliche Mahlzeit, am Morgen dagegen nur Hirse und Milch.“ Und trotz alledem fasteten die beiden Geistlichen noch alle Freitage bis zur Nacht.

      Die Natur des Landes blieb sich lange Zeit gleich, immer derselbe Steppenboden, nur hie und da an den Flußrändern von kleinen Gehölzen unterbrochen.

      Am Tage vor Allerheiligen schlug man eine südliche Richtung und ritt 8 Tage durch hohe Gebirge. Der Winter hatte schon seit Michaelis seinen Einzug gehalten, und sie reisten immer nur über Eis.

      Aus den allgemein gehaltenen Angaben der Reiseroute dürfen wir schließen, daß der Weg durch die Kirghisensteppe nach Südosten führte und daß man vom östlichen Ufer des Sir Darja, den man nicht zu Gesicht bekam, den Karatau überstieg und in das Thal des Talas gelangte. Hier lag in der gut bewässerten und gartenähnlich angebauten Ebene damals der mohammedanische Ort Kenschak, wo sie nach Landessitte von dem Haupte der Stadt als Abgesandte Batus empfangen wurden. Nach der Stadt Talas selbst kamen sie nicht, dieselbe lag weiter südlich und sollte, nach eingezogenen Erkundigungen, noch aus Deutschland fortgeschleppte Gefangene bergen.

      Jenseits Talas begann das Reich Mangkukaans. Nachdem noch ein Gebirge überstiegen war, kamen sie wieder in eine große Thalebene; über den Tschu mußten sie in Böten übersetzen und betraten darauf die von persisch redenden Mohammedanern (also von Tädschick) bewohnte Stadt Equius, welche dem heutigen Tokmak gegenüber gelegen haben wird. Dann wurden die Ausläufer der südlichen Hochgebirge, die Mainakkette, traversirt und es folgte das dritte Thalbecken, das des Ili-Flusses. Die von vielen Bächen durchzogene Ebene war im Norden von einem großen See (dem Balchaschsee) begrenzt. Hier in dieser fruchtbaren Ebene erhoben sich einst zahlreiche Ortschaften, aber sie waren durch die Mongolen größtentheils zerstört, welche die Triften nur als Weidegrund benutzten. In Cailac (Kayalik der mongolischen Schriftsteller, wahrscheinlich nahe bei Kopal, am Fuße des Dsungarischen Alatau) war den Reisenden endlich eine Rast von 12 Tagen gegönnt. Am St. Andreastage, 30. Nov., brachen sie wieder auf, wurden am Alakul von einem jener furchtbaren Winterstürme, welche über die Steppen fegen, überfallen, zogen wahrscheinlich über das Tarbagataigebirge weiter ins Thal des obern Irtysch und von da am Dsabgan aufwärts. Der Weg wurde öder, mühsamer, die Gegend steril, das Futter für die Thiere seltener. Die einzige Bevölkerung der mongolischen Hochebene bestand hier aus den an der großen Weglinie stationirten Leuten, welche für die Weiterbeförderung der Gesandten und fürstlichen Boten zu sorgen hatten. Am 26. December trafen sie in einer meergleichen Ebene auf das Lager Mangkukaans, am 4. Januar 1255 hatten sie die erste Audienz beim Großfürsten. Auch hier wieder begegneten sie noch einzelnen Europäern, die von der großen mongolischen Flut bis in diese entfernten Lande verschlagen waren: so einer aus Metz gebürtigen Frau, die aus Ungarn geraubt, sich hier mit einem russischen Handwerker verheiratet hatte, und einen geschickten Goldschmied, Wilhelm Buchier aus Paris.

      Am Sonntag vor Himmelfahrt kamen sie mit der Wanderhorde zur Residenz Karakorum. Dieselbe machte, mit Ausnahme des Palastes, nur einen unbedeutenden Eindruck; Ort und Kloster St. Denis bei Paris erschien im Vergleich mit Karakorum, weitaus bedeutender. Doch gab es 12 Götzentempel, 2 Moscheen und eine Kirche, ein Zeichen der religiösen Indifferenz der Mongolen. Tataren, Sarazenen und Chinesen waren in der von einem Erdwall umgebenen Stadt ansässig.

      Facsimile der drei ersten Zeilen des uigurisch geschriebenen Briefes von Argunchan an Philipp den Schönen; 1289. (Im Archive von Paris.)

      (Die schraffirten Zeichen des chinesischen Siegels sind im Original von rother Farbe.)

      Mangku übergab den Priestern ein Antwortschreiben an den König von Frankreich. Er bezeichnete sich darin als den Herrn der Erde an Gottes Statt und forderte die Franzosen auf, ihm zu huldigen, wenn sie vor ihm in Frieden leben wollten.

      Bartholomäus von Cremona mußte dort bleiben, es gab ja auch in Karakorum eine kleine christliche Gemeinde und die Franziskaner hatten Gelegenheit gehabt, sechs Seelen zu taufen, darunter befanden sich drei Kinder eines armen Deutschen.

      Im Sommer 1255 kehrte Rubruck mit dem Dolmetscher allein zurück. Sie schlugen diesmal einen etwas nördlicheren Weg ein, so daß der Balchaschsee ihnen zur rechten Hand blieb, berührten nicht eine einzige Stadt und vollendeten die Reise bis zu Batuchan in zwei Monaten und sechs Tagen. Einen ganzen Monat zogen sie dann mit der Wanderhorde Batus umher, ehe sie einen Führer erhielten, und konnten erst 14 Tage vor Allerheiligen, also in der Mitte des October nach Sarai aufbrechen. Zu Schiffe


Скачать книгу