Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge

Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen - Sophus Ruge


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Der Weg, den die Reisenden machten, entspricht so ziemlich der Route des englischen Major Smith 1866. Von Kerman aus mußte man in nördlicher Richtung die Wüste Lut durchschneiden, in welcher man nur bitteres und salziges Wasser findet. Die von Polo weiterhin genannte Stadt Cobinan dürfte wohl mit der Landschaft Kuh-banan identisch sein. An den nordpersischen Gebirgen wandte er sich ostwärts nach Balch. Hier war damals die Ostgrenze des persischen Reichs.

      Diese Stadt war von den Mongolen zerstört, welche auch noch andere volkreiche Plätze im Gebiet des obern Oxus von der Erde vertilgt hatten. In Kunduz, der weiter östlich gelegenen Landschaft, betreten wir die Stufenländer des gewaltigsten aller Hochländer auf der Erde. Es werden noch die Orte Taican (d. h. Talikhan) und Casem (d. i. Kischm, jetzt südlich von der gewöhnlichen Karawanenroute) genannt, und wir gelangen weiter in das Hochgebirgsgebiet von Badachschan. Diese Landschaft lehnt sich im Süden an die Schneekette des Hindukusch, im Osten an den Steilrand der Pamir, der grasigen Hochthäler an den Quellenbächen des Oxus. Die Straße, welche Polo zog, um nach den tiefgelegenen Städten Yarkend und Kaschgar zu gelangen, ist in neuerer Zeit, was den westlichen Theil betrifft, zuerst von dem englischen Reisenden Wood 1838 wieder betreten, während die östlichen Hochpässe über die Pamirsteppen von einem Theil der von Indien nach Kaschgar beorderten englischen Mission unter Douglas Forsyth 1873 zum ersten Male in neuerer Zeit überschritten sind. Die Landschaft Badachschan war ehedem berühmt durch ihren Reichthum an Edelsteinen, namentlich Rubinen. Die Hauptfundgruben liegen am Panjah- oder Hamunflusse (d. i. Amu) in dem früher blühenden und volkreichen Districte von Gharan. Jetzt ist das Thal mit Dorfruinen besäet. Die 16 englische Meilen nördlich von dem kleinen Dorfe Barschar gelegenen Rubingruben, welche eine Quelle des Reichthums für die Herrscher von Badachschan abgaben, sind nahezu erschöpft. Im Jahre 1873 waren nur noch 30 Arbeiter dort beschäftigt. Im Süden Badachschans, am Fuß des Hindukusch, war die Fundstätte eines andern hochgeschätzten Steines, des Lasursteines oder Lapis Lazuli, welcher im Abendlande nach der Landschaft Badachschan oder Balakschan benannt wurde; Marco Polo schreibt Balaciam. Albertus Magnus kennt den Stein unter dem Namen Balagius, Dante als Balascio. Wood hat diese Fundstätten besucht. Polo rühmt hier zu Lande auch die berühmte Pferdezucht, welche noch gegenwärtig in Blüte steht. In der reinen Luft der Hochgebirgsthäler genas unser Reisender auch von dem Fieber, das er sich in Persien zugezogen und das ihn Jahre lang gepeinigt hatte. Die Schönheit der landschaftlichen Scenerien wird von ihm gepriesen. Von Faizabad zog Polo wahrscheinlich über den Aghirdapaß und durch die Schlucht, welche sich bei Barschar in der Nähe der Rubingruben öffnet, hinab ins Panjahthal und gelangte so ins Gebiet von Wakhan (Vocan), von wo der mühsame Uebergang über die Weidethäler der großen oder der kleinen Pamir erfolgte. Der District von Wakhan erstreckt sich von Westen nach Osten und besteht aus rauhen Hochthälern, welche beständig von heftigen und kalten Winden heimgesucht sind. Capitän Trotter, ein Mitglied der Gesandtschaft des erwähnten Sir Douglas Forsyth, hat denselben Weg, wie Polo, gemacht und ausführlich geschildert (Journal R. Ggr. Soc. Vol. XLVIII, 1878). Das am höchsten gelegene Dorf im Wakhan, Sarhadd, hat eine Seehöhe von 3350 Meter. Weiter aufwärts macht man im Winter die Reise auf dem gefrorenen Spiegel des Bergstroms und führt sie mit geringeren Schwierigkeiten aus, als im Hochsommer, weil dann bei der Schneeschmelze und der Hochfluth der Pfad im Thale vielfach versperrt ist. Dann geht es in beständiger Folge von steilen Auf- und Abstiegen am Gehänge hin; an einer Stelle muß man, wo der Weg abbricht, an einer Steilwand in kürzester Frist 1000 Fuß hinanklimmen. Das von den kirghisischen Hirten jetzt fast ganz verlassene Thal der kleinen Pamir liegt 4000 Meter hoch. Ein kalter Wind bläst so heftig durch das Thal, daß man kaum die Augen öffnen kann. Die verschneiten Paßhöhen, welche die Grenze zwischen Ost- und West-Turkestan bilden und zugleich die Wasserscheide zwischen den westlichen Abflüssen des Oxus und den östlichen des Tarim bezeichnen, liegen über 4500 Meter hoch. Dann beginnt die Wanderung über das eigentliche Plateau der Pamir, „des Daches der Welt“. Die kühnen, schroffen, himmelanstrebenden Bergformen verschwinden und flachwellige Thäler in einer Höhenlage von über 3000 Meter treten an die Stelle, bewohnt von Kirghisen und belebt von ihren Herden. Ueber dem breiten Thale ragt das altberühmte Taschkurghan („Steinschloß“) empor, der Sitz des Districtgouverneurs. Das Schloß ist uralt, und soll von Afrasiab, einem Könige von Turan, gebaut sein. Eine Zeit lang bestand hier eine blühende Tädschik-Colonie unter einem erblichen Herrscher, der an China Tribut zahlte. Von hier geht der Weg wieder zehn Tage lang durch wilde spärlich bevölkerte Gebirge und gefährliche Pässe. „Die Berge,“ schreibt Trotter, welcher von Kaschgar herüberkam, „sind kahl und unfruchtbar, der Weg ist schlecht und nach Uebersteigung des Toratpasses („Pferdeschweif“), 3400 Meter hoch, gradezu abscheulich. An einer Stelle führt er im Flußbette hin, der, voll großer Blöcke und tiefer Wasserlöcher, zwischen senkrechten Felswänden sich Bahn bricht. Ein paar entschlossene Leute können den Weg gegen eine ganze Armee vertheidigen. Fast ebenso schwierig ist der Abstieg ins Tiefland von Ost-Turkestan nach Yarkend.“

      Die Schilderung dieses überaus mühsamen Uebergangs über die Pamir bildet eins der interessantesten Capitel in dem Berichte unseres Venetianers. Möge darum seine Darstellung hier in der alten deutschen Uebertragung eingereiht werden.

      „So man von dannen (nämlich von Wakhan) gegen auffgang zeucht, so mus man drey gantz tag vbersich ziehen, bis man auff ein hohen berg kumbt, der kein höhern jn der welt hat. Daselbst findt man ein ebne zwischen zweyen bergen, darin fleußt ein schön lustig wasser, das gibt gute weyden darumb, also das ein mager pferdt oder rindt jn zehen tagen feyßt dauon wirt.“

      „Man findt auch vil wildbrets da, zuuor etlich wilde wider (Ovis Poli) oder castrone, die haben lange hörner, daraus macht man mangerley geschiir, dise ebne ist so lang, das man jr in zwelff tagen kein end finden kan und heyßt Pamer (andere Lesart Pamier). So man aber weyter zeucht, so wirt es wie eine wüsteney, vnd hat keins menschen wonung mer, auch kein grün gras mehr. Darumb müssen die leut mit jnen führen, was jnen von nötten ist zur erhaltung. Es ist auch kein vogel da, vmb der kelten willen, vnd grosser Höhe des erdtrichs, das dem vich kein futter tragen kan.“[27]

      „So man ein feur da anzündt, so ist es nicht so hell, vnnd so krefftig, als an anderen orten von wegen der vberschwencklichen kelten des lands.[28] Von dannen geth der weg durch die berg gen auffgang vnd mitnacht, da findt man berg vnd thal, vnd vil wasser da zwischen, aber keins menschen wonung, vnd kein kraut. Das landt heyßt Belor, das zeigt ein ewigen winter an. Derselb anblick weret viertzig tagreysen lang.[29] Fur so viel tag mus man auch prouiand bey sich haben, doch sicht man auff den allerhöchstn bergen, hin vnd her etlicher leut wonungen, die seind aber vberaus bös vnd grewlich, so seind sie auch abgöttisch, die geleben des weidwercks vnd bekleyden sich mit den heutten von den thieren.“

      Außer Wood haben das Hochland auf zum Theil verschiedenen Wegen durchkreuzt 1861 der britische Agent Abdul Medschid auf dem Wege nach Kokan, und Mirza 1868/9 über den Tschitschiklikpaß nordöstlich von Taschkurgan, welchen Trotter und wahrscheinlich auch schon Polo überstiegen. Den gewaltigen Unterschied zwischen den unwirthlichen, menschenleeren Höhen und den blühenden Oasen in Ost-Turkestan empfanden die venetianischen Kaufleute sofort und Marco Polo verleiht der Wahrnehmung Worte, wenn er mit Befriedigung von den herrlichen Weinbergen, Fruchtgärten und „anderen Ackergütern“ erzählt. Während auf der Pamir sich einzelne Gipfel bis zu 8000 Meter erheben, ist der tiefste Thalboden im Tarimbecken kaum 700 Meter über See gelegen. Nur an den von der Umwallung der alpinen Hochketten aus Norden, Westen und Süden ablaufenden Gewässern ist durch künstliche Befeuchtung des Bodens um feste Städte eine oasenartige Kultur entstanden, die sich an die Gebirge anlehnt. Das Tarimsystem wird im Norden und Süden von den Schneegebirgen des Tienschan und Kwenlun begleitet, welche, fast parallel, weit gegen Osten streichen. Daher haben sich, weil an der Rinne des Tarim selbst wenig anbaufähiges Land sich findet, zwei Städtereihen im Norden und Süden entwickelt, durch welche der Weg nach China führt. Während in unsern Tagen die belebteste Karawanenstraße durch die nördliche Städtereihe Kaschgar, Aksu, Turfan und Komul geht, lief zu Polo’s Zeit die Route durch die südlichen Plätze Yarkend, Iltschi (Choten), Tschertschen und an den Lopnor, das Sammelbecken aller Gewässer Ost-Turkestans. Den Weg der Venetianer hat kein europäischer Reisender wieder verfolgt, nur durchkreuzt hat ihn in jüngster Zeit der kühne russische Oberst Prschewalsky, welcher nach Polo auch zuerst den Lopsee erreichte. Im Gebiet von Choten oder Iltschi erwähnt unser Reisender den grünlichen Chalcedon, der dort unter dem Namen


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