Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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finden, sind denkbar gering.«

      Christian sackte in sich zusammen. »Das heißt, daß Leandra sterben wird.«

      »Wenn sie sich selbst aufgibt – und das tut sie ganz offensichtlich –, dann hat sie kaum noch Chancen.«

      Christian schluchzte auf. »Aber wir müssen doch etwas tun. Mein Gott, sie ist erst achtzehn! Sie hat das Leben doch noch vor sich.« Entschlossen stand er auf. »Ich werde diesen Ahilleas finden. Und wenn ich die ganze Welt umkrempeln muß.« Der Blick, mit dem er Dr. Daniel jetzt anschaute, war zwingend. »Was können wir noch tun?«

      »Darüber zermartere ich mir schon die ganze Zeit den Kopf«, antwortete Dr. Daniel niedergeschlagen. »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, welchen Weg wir noch gehen könnten.«

      Christians schlanke Gestalt reckte sich hoch. »Ich werde einen finden. Ahilleas lebt, das spüre ich. Und ich werde ihn auftreiben – selbst wenn ich jeden Kontinent zu Fuß ablaufen muß.«

      *

      Die Entschlossenheit, mit der Christian Schütz nach dem Zwillingsbruder seiner Frau suchte, erschütterte Dr. Daniel. Und so war er noch völlig mitgenommen, als er zum Mittagessen in seine Wohnung hinaufging. Er hatte kaum Platz genommen, als das Telefon klingelte.

      »Daniel!« meldete er sich.

      »Herr Doktor, entschuldigen Sie, daß ich Sie privat störe«, erklang eine aufgeregte Frauenstimme. »Hier ist Silvia Burgner.«

      Dr. Daniel war überrascht. »Frau Burgner? Ist etwas passiert?«

      »Nein, nein, das heißt, ja, eigentlich schon. Ich muß in der Klinik bleiben.«

      »Das haben Sie doch gewußt«, meinte Dr. Daniel. »Ich habe Ihnen gesagt, daß…«

      »Ja, Herr Doktor, darum geht es auch gar nicht. Es ist vielmehr…, mein Mann… Er ist völlig allein mit den Kindern.«

      Nur mit Mühe unterdrückte der Arzt einen Seufzer. Er kannte Richard Burgner nur vom Sehen, aber daß er ein derart hilfloser Mann sei, hätte Dr. Daniel nicht für möglich gehalten.

      »Frau Burgner, Sie müssen nur eine Woche in der Klinik bleiben. So lange wird Ihr Mann doch wohl ohne Sie auskommen.«

      »Das ist auch gar nicht das Problem. Mein Mann ist durchaus in der Lage, für die Kinder zu sorgen, aber… er hat sich erst vor kurzem selbständig gemacht. Wenn er sein Büro jetzt für eine Woche schließen muß, dann bedeutet das, daß er sein Geschäft mit ziemlicher Sicherheit nicht halten kann. Er hat so entsetzlich schwer gearbeitet, und jetzt, kurz bevor er Fuß fassen konnte, muß ich im Krankenhaus bleiben, und er soll für die Kinder sorgen. Die Schufterei eines halben Jahres und beachtliche Investitionen sind jetzt völlig umsonst. Herr Doktor, können Sie uns nicht helfen?«

      Während Silvia gesprochen hatte, war in Dr. Daniel das schlechte Gewissen aufgekommen. Man sollte eben doch nicht vorschnell über einen Menschen urteilen, den man gar nicht kannte.

      »Tja, ich weiß nicht…«, begann Dr. Daniel, und dann fiel bei ihm der sprichwörtliche Groschen. »Frau Burgner, ich kann Ihnen nichts versprechen, aber ich glaube, ich habe eine Lösung für Ihr Problem. Ich melde mich wieder.«

      Damit legte er auf und schlüpfte rasch in seine Jacke.

      »Zum Essen habe ich keine Zeit mehr!« rief er seiner Schwester zu. »Ich muß rasch weg.«

      Und bevor Irene etwas erwidern konnte, war Dr. Daniel schon draußen. Er bestieg sein Auto, und dann hatte er nichts Eiligeres zu tun, als zu dem kleinen Häuschen zu fahren, das ein Stück außerhalb von Steinhausen stand. Er klingelte, wartete aber gar keine Aufforderung ab, sondern drückte die Klinke herunter und trat ein.

      »Frau Deichmann?« rief er fragend hinein. »Darf ich Sie kurz stören?«

      Anna Deichmann kam ihm lächelnd entgegen. »Aber natürlich, Herr Doktor, Sie doch immer. Ich freue mich ja, daß Sie mich einfach so mal besuchen.«

      »Einfach so, ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck«, meinte Dr. Daniel. »Wissen Sie, Frau Deichmann, ich hätte eine Aufgabe für Sie – vorausgesetzt, Sie fühlen sich gesund genug.«

      Anna strahlte über das ganze Gesicht.

      »Natürlich fühle ich mich gesund«, behauptete sie. »Welche Aufgabe haben Sie denn für mich?«

      »Es geht um eine Patientin von mir«, begann Dr. Daniel. »Sie wohnt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern hier in Steinhausen. Silvia Burgner. Haben Sie den Namen schon mal gehört?«

      Anna nickte eifrig. »Eine reizende junge Frau. Und ihr Mann ist immer so höflich und hilfsbereit.« Dann geriet sie förmlich ins Schwärmen. »Und die beiden süßen Kinder. Tanja und Stefan.« Sie seufzte. »Solche Enkelkinder möchte ich auch gern haben.«

      »Frau Burgner mußte gestern in eine Klinik nach München«, fuhr Dr. Daniel nun fort. »Sie wird am Montag operiert. Und vielleicht wissen Sie, daß Herr Burgner dringend in sein Büro muß. Er hat sich doch vor einem halben Jahr erst selbständig gemacht. Und nun ist niemand da, der sich um die Kinder kümmern könnte. Frau Deichmann, glauben Sie, daß Sie…«

      Anna Deichmann ließ ihn nicht aussprechen. Mit einem Satz war sie auf den Beinen.

      »Herr Doktor, können Sie mich gleich zum Haus der Burgners mitnehmen?«

      Dr. Daniel lächelte. Er hatte es doch gewußt!

      Eine halbe Stunde später hielt Anna Deichmann in dem großen geräumigen Einfamilienhaus der Burgners Einzug. Von Frau Deichmanns Haus aus hatte Dr. Daniel schon bei Richard Burgner angerufen und angekündigt, daß er jemanden mitbringen würde, der für die Kinder sorgen wolle, solange Silvia im Krankenhaus war. Jetzt begrüßte der junge Mann die gute Anna wie eine alte Bekannte. Sicher, sie kannten sich ja auch, aber bisher war es eben bei einer freundlichen Plauderei im Lebensmittelgeschäft oder vor der Kirche geblieben.

      »Frau Deichmann, Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin, daß Sie uns helfen wollen«, beteuerte Richard immer wieder. »Und ich verspreche Ihnen, daß die Kinder brav sein werden.« Ein wenig verlegen senkte er den Kopf. »Sie sind allerdings ein bißchen lebhaft.«

      Anna strahlte. »Das ist mir nur recht, Herr Burgner. Und ich freue mich, wenn ich helfen kann.«

      Richard machte sie noch mit dem Haus vertraut, dann bestieg er eiligst sein Auto und fuhr in sein Büro. Die Chancen, daß es mit seinem Geschäft nun doch klappen würde, standen außerordentlich gut.

      *

      Kaum zu Hause angekommen, trat Dr. Daniel sofort ans Telefon und rief in der Thiersch-Klinik an. Die Dame in der Vermittlung machte keine großen Umstände und verband ihn sofort mit Silvia Burgners Zimmer.

      »Hier Daniel«, gab er sich zu erkennen, nachdem Silvia sich gemeldet hatte. »Machen Sie sich keine Sorgen mehr, Frau Burgner. Für Ihre beiden Kinder ist gesorgt. Frau Deichmann ist gerade bei Ihnen eingezogen, und Ihr Mann ist auf dem Weg ins Büro.«

      Silvia atmete hörbar auf. »Danke, Herr Doktor, Sie sind ein Schatz!«

      »Danken Sie nicht mir, sondern Frau Deichmann. Sie hat sich sofort bereit erklärt zu helfen.« Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Sie wissen sicher, daß die Frau sehr einsam ist. Ich glaube, sie ist froh, wenigstens für einige Zeit eine Aufgabe zu haben.«

      »Ich kenne Frau Deichmann nur flüchtig«, meinte Silvia, »aber sie ist eine sehr sympathische Frau, bei der Tanja und Stefan sicher in den besten Händen sind.«

      »Das glaube ich auch«, stimmte Dr. Daniel zu. Er plauderte noch eine Weile mit Silvia, dann legte er auf – zufrieden, daß er wenigstens hier hatte helfen können.

      Weit mehr Sorgen bereitete ihm Leandra Schütz. Doch er hatte nicht viel Zeit, um länger darüber nachzudenken. Die Nachmittagssprechstunde begann, und er war schon wieder reichlich spät dran…

      *

      Das Wochenende brachte


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