Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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      Dr. Daniel lächelte, dann hielt er ihr die Beifahrertür auf, bevor er sich ans Steuer setzte. Inge lehnte sich zurück und blickte ins Leere, während ihre Gedanken zurückglitten.

      »Wie gesagt, ich lebte auf unserem französischen Landgut, bis ich volljährig war«, begann sie. »Dann wollte mich mein Vater standesgemäß verheiraten, doch ich verstand es, meine Freier allesamt zu vergraulen. Dimitrios war der einzige Mann, den ich wollte, und irgendwann gab mein Vater seinen Widerstand auf und ließ mich nach Kreta ziehen. Ich glaube, er war froh, mich los zu sein.« Sie lächelte. »Zu diesem Zeitpunkt wußte ich durch den getreuen Gustav schon, wo sich mein kleiner Sohn aufhielt. Und so fuhr ich in regelmäßigen Abständen nach Freiburg, um Ahilleas zu sehen. Er war ein ganz herziges Kind und verkraftete es ausgezeichnet, zwei Mütter zu haben. Dann, vor fast genau fünf Jahren, waren Dimitrios und ich wieder einmal in Freiburg, um die Herzogs und Ahilleas zu besuchen. Die Herzogs benutzten diese Zeit wie jedesmal um ein paar Ausflüge zu zweit zu unternehmen, und an jenem Tag fuhren sie mit unserem Wagen, weil ihr eigenes Auto zur Reparatur war.« Inge senkte den Kopf. Die Erinnerung an die folgenden schlimmen Stunden und Tage war noch immer schmerzlich für sie. »Inge und Karl hatten einen schweren Unfall. Das Auto brannte völlig aus.«

      Dr. Daniel schluckte. Er konnte sich den Rest der Geschichte denken.

      »Die Toten wurden als Prinzessin Alix und Dimitrios Konstandinidis identifiziert, und Sie nahmen Inges und Karls Identität an.«

      Inge nickte. »Genauso ist es. Allerdings taten wir das nicht aus Eigennutz, sondern um zu verhindern, daß Ahilleas wieder in fremde Hände kam. Immerhin war er von den Herzogs adoptiert worden, und über die leiblichen Eltern war nichts bekannt. Es wäre mir schwergefallen zu beweisen, daß ich seine Mutter bin. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, war einfacher.«

      »Wirklich?« entgegnete Dr. Daniel zweifelnd. »Sie brauchten neue Pässe und…«

      Abwehrend hob Inge beide Hände. »Darüber möchte ich nicht sprechen, Herr Doktor. Wie wir alles bewerkstelligt haben, ist unsere Sache. Wichtig ist nur, daß Ahilleas jetzt bei seinen Eltern lebt und glücklich ist.«

      Dr. Daniel dachte über diese Worte nach, und insgeheim mußte er der Frau an seiner Seite recht geben. Das Schicksal hatte sie und ihren Sohn wieder zusammengeführt, und nun wurde ihr auch ihre Tochter ein zweites Mal geschenkt – vorausgesetzt, die Knochenmarktransplantation würde klappen.

      Dr. Daniel stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz ab, dann ging er an Inges Seite auf den Klinikeingang zu.

      »Daniel!«

      Beim Klang der barschen Stimme fuhr Dr. Daniel herum und sah sich dem Professor gegenüber.

      »Was tun Sie an einem Samstag­nachmittag hier?« wollte der Professor in seiner bekannt strengen Art wissen.

      Dr. Daniel lächelte. »Dasselbe könnte ich Sie auch fragen.«

      »Keine Frechheiten bitte! Das hier ist immerhin meine Klinik.« Dann musterte er die Frau in Dr. Daniels Begleitung. »Wer sind Sie?«

      »Das ist die Mutter von Leandra Schütz«, antwortete Dr. Daniel, bevor Inge etwas sagen konnte. »Die leibliche Mutter.«

      Professor Thierschs Stirn zog sich in bedrohliche Falten. »Sieh an, die Prinzessin, deren Ruf nicht geschädigt werden sollte.«

      »Nein, Herr Professor, das ist ein Irrtum«, entgegnete Inge gelassen. »Ich bin keine Prinzessin. Inge Herzog ist mein Name.«

      Mit einem Ruck wandte sich der Professor Dr. Daniel zu. »Sie haben mir doch erzählt, daß…«

      »Ich weiß, Herr Professor«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Frau Herzog hat recht. Es handelte sich wirklich um einen Irrtum.«

      Noch tiefer gruben sich die Falten in Professor Thierschs Stirn. »Ich sag’s ja – Nachlässigkeiten. Als Sie noch bei mir waren, wäre Ihnen das nicht passiert.« Dann wandte er sich Inge wieder zu. »Kommen Sie mit. Wir machen gleich eine Blutprobe, damit wir wissen, ob Sie sich als Spenderin eignen. Wenn nicht, dann war die ganze Suche umsonst.«

      »Wie geht es meiner Tochter?« fragte Inge in banger Erwartung.

      Und plötzlich war der barsche Ton in Prof. Thierschs Stimme verschwunden. »Nicht sehr gut, Frau Herzog. Sie steht an der Kippe zwischen Leben und Tod. Wir kämpfen mit dem Rücken zur Wand, weil Ihre Tochter nicht mehr leben will. Sie hat sich ein Kind gewünscht, und nachdem ihr dieses Glück versagt blieb, hat sie ihren Lebenswillen verloren.«

      Inge schwieg einen Moment, dann stellte sie die Frage, die ihr am Herzen lag, doch, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete.

      »Und wenn ich als Spenderin nun nicht geeignet sein sollte?«

      »Dann gute Nacht«, antwortete Professor Thiersch. »Was das für Ihre Tochter bedeuten würde, wage ich mir nicht vorzustellen.«

      Unwillkürlich schluchzte Inge auf, doch Dr. Daniel legte ihr eine Hand auf den Arm.

      »Bitte nicht, Inge. An so etwas dürfen Sie gar nicht denken, und außerdem…« Er wandte sich dem Professor zu. »Leandra hat auch noch einen Bruder.«

      Professor Thiersch nickte. »Das sagten Sie schon einmal.« Er sah Dr. Daniel mit strengem, prüfendem Blick an. »Haben Sie den etwa auch gefunden?«

      »Ja, und er ist bereits auf dem Weg hierher. Ich schätze, er wird morgen eintreffen.«

      Auf Professor Thierschs Gesicht zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. »Damit stehen unsere Chancen natürlich schon wesentlich besser.« Dann nahm er mit sanftem Griff Inges Arm. »Kommen Sie. Wir machen jetzt die Blutprobe, und wenn alles in Ordnung ist, können wir morgen damit anfangen, die Vorbereitungen für die Knochenmarktransplantation in Angriff zu nehmen.«

      »Aber… morgen ist Sonntag«, warf Inge ein. »Da haben Sie doch frei.«

      Der Professor zuckte die Schultern. »Na und? Wenn es um ein Menschenleben geht, ist mir der freie Sonntag herzlich egal.«

      *

      Während Professor Thiersch mit Inge Herzog eines der Untersuchungszimmer betrat, suchte Dr. Daniel Leandras Zimmer auf. Völlig apathisch lag das junge Mädchen im Bett und starrte blicklos vor sich hin.

      Ohne große Umstände setzte sich Dr. Daniel auf den Bettrand und griff nach Leandras schmaler, fast durchsichtig wirkender Hand.

      »Frau Schütz, können Sie mich hören?« fragte er leise.

      Langsam wandte Leandra ihm ihr Gesicht zu.

      »Herr Doktor«, flüsterte sie, dann traten Tränen in ihre Augen. »Warum durfte ich kein Baby haben? Verstehen Sie das? Ich muß mein Leben hergeben und durfte nicht einmal ein Baby haben.«

      Sehr sanft drückte Dr. Daniel ihre Hand. »Sie werden ein Baby haben, Frau Schütz, da bin ich ganz sicher.« Er lächelte. »Ich habe nämlich eine Überraschung für Sie. Dazu muß ich Ihnen aber eine kleine Geschichte erzählen. Ich war noch ein sehr junger Arzt, als ich zu einer Frau gerufen wurde, die in den Wehen lag.« Er zögerte kurz, entschloß sich dann aber, die Tatsache, daß es sich um eine Adlige gehandelt hatte, unter den Tisch fallen zu lassen. Die genauen Umstände waren für Leandra ja gar nicht so wichtig. »Diese Frau… nein, eigentlich war es noch ein junges Mädchen, hatte einen sehr strengen Vater, der nicht duldete, daß sie ihr Kind behielt. Er machte ein Ehepaar ausfindig, das das Baby adoptieren sollte.«

      Leandras Augen weiteten sich. »Sprechen Sie… von meiner Mutter?«

      Dr. Daniel nickte. »Ja, Frau Schütz. Ihr ausgefallener Vorname war es, der mir die Erinnerung zurückbrachte. Das junge Mädchen bekam nämlich nicht nur ein Kind, sondern Zwillinge. Sie als Erstgeborene kamen zu den Krenns, die als Adoptiveltern bereits ausgewählt waren. Aber es dauerte etwas länger, den Jungen zu vermitteln, und auf diese Weise bekam Ihre Mutter seinen Aufenthaltsort heraus. Und jetzt habe ich durch einen glücklichen Umstand beide gefunden – Ihre Mutter und Ihren Zwillingsbruder.«

      Tränen liefen über Leandras


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