Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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ich freue mich, daß ihr gekommen seid«, meinte er.

      Der junge Mann lächelte. »Wir müssen dir bei deinem neuen Einstand doch beistehen.« Dann blickte er an der Fassade empor und gestand: »Für uns ist es auch nicht ganz einfach.«

      Dr. Daniel drückte ihn einen Augenblick an sich. »Ich weiß schon, Stefan. Ihr vermißt eure Mutter noch immer. Aber… mir fehlt sie auch ganz schrecklich.«

      »Gehen wir hinein?« fragte Karina, und an ihrer Stimme konnte Dr. Daniel hören, daß sie plötzlich Angst vor diesem Schritt hatte.

      Er ging seinen Kindern voran die Treppe hinauf und trat dann in die Wohnung. Karina und Stefan folgten ein wenig zögernd und sahen sich dann fast ängstlich um.

      »Es sieht… ein wenig anders aus als früher«, bemerkte Stefan.

      Dr. Daniel nickte. »Das mußte ich tun, sonst hätten mich die Erinnerungen erdrückt.«

      Karina schmiegte sich einen Moment lang an ihren Vater. »Ich bin froh, daß du es getan hast. Mutti hätte sicherlich nicht gewollt, daß die Villa zu einem Mausoleum wird, und wir nur in der Erinnerung an sie weiterleben.«

      »Genau das habe ich mir auch gedacht«, stimmte Dr. Daniel seiner Tochter zu.

      Erst jetzt trat Irene auf den Flur. Sie hatte sich absichtlich im Hintergrund gehalten, um ihrem Bruder und seinen Kindern erst mal Gelegenheit zu einer ausgiebigen Begrüßung zu geben.

      »Tante Irene«, rief Karina erfreut aus. »Meine Güte, wir haben uns ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.«

      Stürmisch umarmte sie die geliebte Tante.

      »In Zukunft werdet ihr mich regelmäßig zu Gesicht bekommen«, versprach Irene. »Vorausgesetzt, ihr findet ab und zu den Weg von München nach Steinhausen.«

      »Heißt das, du bleibst jetzt hier?« wollte Stefan wissen, nachdem auch er die Tante begrüßt hatte.

      Irene nickte. »Ich muß mich doch ein bißchen um euren Vater kümmern, nachdem ihr beide ihn schon so schmählich im Stich gelassen habt.« Mißbilligend schüttelte sie den Kopf. »Daß man in eurem Alter schon eine eigene Wohnung braucht. Wir sind eben zu Hause geblieben, bis wir geheiratet haben, und dann begann ein neuer Lebensabschnitt, aber…«

      »Aber Karina und ich studieren«, fiel Stefan ihr ins Wort, während er liebevoll einen Arm um ihre Schultern legte.

      »Schau mal, Tante Irene, deine Ansichten sind total veraltet. Heutzutage soll ein junger Mensch selbständig sein, bevor er sich in einer Ehe bindet.«

      Irene nickte. »Deshalb gehen heutzutage auch so viele Ehen schief. Die jungen Leute sind zu selbständig.«

      Stefan seufzte. »Bitte, Tante Irene, keine Moralpredigten, sonst kommen wir wirklich nicht mehr so schnell nach Steinhausen.«

      Gutmütig zog Irene ihn an den Ohren. »Du Lausebengel willst mir drohen? Na warte…«

      »Gnade, Tantchen«, flehte Stefan lachend.

      Schmunzelnd hatte Dr. Daniel das scherzhafte Geplänkel verfolgt, jetzt mischte er sich ein.

      »So, ihr zwei, ich glaube, das reicht«, meinte er. »Setzen wir uns ins Eßzimmer.« Er wandte sich seinen Kindern zu. »Irene hat sich nämlich selbst übertroffen und einen original bayrischen Schweinebraten mit Knödeln gezaubert.«

      »Wie bitte?« fragte Karina grinsend. »Eine waschechte Kielerin versucht sich an einem bayrischen Schweinebraten?«

      Irene zuckte die Schultern. »Euer Vater liebt die bayrische Küche, also muß ich mich schnellstens umstellen. So, und jetzt setzt euch, dann werden wir sehen, ob der Braten auch so gut schmeckt, wie er aussieht.«

      Er schmeckte sogar noch besser, und für eine halbe Stunde war außer dem Geklapper von Besteck und einem gelegentlichen genußvollen Seufzen nichts zu hören.

      »Mag noch jemand ein Dessert?« fragte Irene, während sie mit Karinas Hilfe den Tisch abräumte.

      »Um Himmels willen, nein!« stöhnte Dr. Daniel. »Noch einen Bissen, und ich platze!«

      »Was hast du denn Feines?« wollte Stefan neugierig wissen.

      »Vanilleeis mit heißen Himbeeren«, verkündete Irene stolz.

      »Das geht immer«, behauptete Stefan.

      Völlig entgeistert sah Dr. Daniel seinen Sohn an und fragte sich, wie er eigentlich bei den Mengen, die er so verdrücken konnte, seine gute Figur behielt. Genußvoll löffelte Stefan sein Dessert, dann lehnte er sich zurück.

      »So, jetzt bin ich satt«, meinte er.

      »Schon?« fragte Dr. Daniel mit einer Spur Sarkasmus.

      Stefan grinste. »Seit mein Schwesterlein bei mir wohnt, werde ich zwar ausgezeichnet bekocht, aber für so ein üppiges Mahl reicht die Zeit meistens nicht. Immerhin studieren wir nebenbei ja auch noch.«

      »Und wie läuft’s?« wollte Dr. Daniel wissen.

      Stefan schüttelte den Kopf. »Kein Kommentar, Papa. Mein Studium ist eine Sache, die nur mich etwas angeht.«

      Dr. Daniel seufzte. »Ich sehe schon, wir wechseln besser das Thema.«

      »Einverstanden«, stimmte Stefan sofort zu. »Du willst morgen deine Praxis wieder eröffnen, oder?«

      Dr. Daniel nickte. »Ja, und ich freue mich darauf. Die Arbeit bei Kurt Gebhardt hat mir zwar Spaß gemacht, und eine Gemeinschaftspraxis hat auch gewisse Vorteile, aber ich bin doch froh, jetzt wieder mein eigener Herr zu sein.« Er senkte den Kopf. »Allerdings weiß ich nicht, was ich gemacht hätte, wenn Kurt mich damals in seiner Praxis nicht aufgenommen hätte. Hier in Steinhausen wäre ich zugrunde gegangen.«

      Stefan spürte, daß sein Vater im Begriff war, in sehnsuchtsvollen Erinnerungen an seine verstorbene Frau zu versinken.

      »Hast du denn so schnell eine neue Sprechstundenhilfe gefunden?« versuchte er deshalb abzulenken.

      Dr. Daniel blickte lächelnd auf. »Da hatte ich mehr Glück als Verstand. Stell dir vor, Frau Kaufmann wird wieder bei mir anfangen.«

      »Deine ehemalige Sprechstundenhilfe?«

      »Genau diese. Sie und eine gewisse Frau Meindl wurden vor einem knappen halben Jahr arbeitslos. Sie waren beide bei einem Gynäkologen in der Kreisstadt beschäftigt, der seine Praxis aus Altersgründen aufgegeben hat. Und der Zufall oder das Schicksal wollten es wohl, daß beide bis jetzt keine neue Arbeit fanden. Frau Kaufmann wird also wieder als Sprechstundenhilfe bei mir arbeiten, und Frau Meindl habe ich als Empfangsdame eingestellt.«

      Stefan grinste. »Die alte Kaufmann wird sich freuen, wieder bei ihrem geliebten Chef zu sein.«

      Dr. Daniel hob drohend den Zeigefinger. »Ein bißchen mehr Respekt, wenn ich bitten darf, mein Sohn. Frau Kaufmann ist eine sehr fähige Kraft und mit ihren fünfzig Jahren beileibe noch nicht alt.«

      Abwehrend hob Stefan beide Hände. »Gnade! Ich wollte deiner Perle wirklich nicht zu nahe treten.« Er überlegte einen Moment. »Und wie ist die andere? Ein betagtes Fräulein oder noch ein wirkliches?«

      Dr. Daniel mußte lächeln. »Ich nehme an, das, was du unter einem wirklichen Fräulein verstehst. Sie ist fünfundzwanzig und ein sehr freundliches junges Mädchen.«

      Stefan zog die Augenbrauen hoch. »Oho, die muß ich mir mal ansehen.«

      Wieder drohte Dr. Daniel mit dem Zeigefinger. »Denk du zuerst mal an dein Studium, junger Mann.«

      Stefan verdrehte die Augen. »Meine Güte, Papa, du warst in meinem Alter doch bestimmt auch kein Chorknabe mehr.«

      »In deinem Alter war ich bereits mit deiner Mutter verheiratet«, erklärte Dr. Daniel ernst.

      »Sei mir nicht böse, Papa, aber in diesem Punkt möchte ich dir nicht unbedingt nacheifern«, entgegnete Stefan. »Ich bin nur einmal jung und möchte


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