Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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Unfall geschehen, damit er endlich mehr Sicherheitsvorkehrungen trifft.«

      »Na, das wollen wir ja nicht hoffen«, entgegnete Dr. Daniel besorgt. »Unfälle in Chemiewerken fordern meistens große Opfer.« Er schwieg kurz. »Hat er inzwischen wenigstens einen Werksarzt eingestellt?«

      Helmut schüttelte den Kopf. »Er denkt nicht einmal daran. Seit Wochen rede ich mir den Mund fusselig, aber jedesmal speist er mich mit der lapidaren Bemerkung ab, ein Werksarzt wäre völlig überflüssig.«

      Fassungslos schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Wie begründet er denn eine solche Behauptung?«

      »Überhaupt nicht. Das heißt…, einmal hat er gesagt, wenn ein Unfall passiert, dann könnte ein Werksarzt auch nicht viel ausrichten, denn Verletzte könnten nur in einem Krankenhaus richtig versorgt werden.«

      »Womit er nicht ganz unrecht hat«, gestand Dr. Daniel ein. »Natürlich gehört in eine Firma in der Größenordnung der CHEMCO ein Werksarzt, denn nicht jeder Unfall erfordert gleich eine Einweisung ins Krankenhaus. Aber wenn natürlich etwas wirklich Schwerwiegendes passiert, dann genügt es eben meistens nicht, wenn nur ein Arzt anwesend ist.«

      Helmut Wenger nickte. »So wie damals, als das mit Metzler passiert ist.« Obwohl der Vorfall mit seinem einstigen Kollegen schon über zwanzig Jahre zurücklag, erschütterte ihn die Erinnerung daran noch immer. Vielleicht deshalb, weil er selbst erst gerade volljährig gewesen war und den schrecklichen Unfall völlig hilflos hatte miterleben müssen.

      Auch Dr. Daniel erinnerte sich noch genau an die tragische Geschichte.

      »Soviel ich weiß, hätte der Mann damals nicht sterben müssen, wenn er schnell genug in eine Klinik gekommen wäre«, meinte er.

      Helmut Wenger nickte. »Und wenn vor allem ein fähiger Arzt in der Nähe gewesen wäre, der Erste Hilfe hätte leisten können. Aber Metzler mußte sterben, und seine Frau stand plötzlich mit drei Kindern allein da.« Er schwieg kurz und dachte dabei an den fünfzehnjährigen Jungen, der so voller Haß auf den Chef der CHEMCO gewesen war. »Wissen Sie eigentlich, was aus Wolfgang geworden ist?«

      Dr. Daniel nickte. »Er hat Medizin studiert und ist dann nach Amerika gegangen. Angeblich wollte er an die Mayo-Klinik.« Er schmunzelte. »Und ich halte ihn für ehrgeizig genug, daß er es auch geschafft hat.«

      »Könntet ihr euch jetzt vielleicht wieder etwas allgemeineren Themen zuwenden, damit wir auch ein wenig mitreden können?« fragte Karina. »Immerhin hat das alles stattgefunden, bevor ich zur Welt gekommen bin, und für Geschichte hatte ich noch nie viel übrig.«

      Dr. Daniel lachte. »Stimmt. Da hast du ständig schlechte Noten heimgebracht.«

      »Wenn ich mir eine solche Faulheit geleistet hätte, dann hätte ich ein paar hinter die Ohren gekriegt«, knurrte Stefan. »Aber bei unserem Nesthäkchen wurde immer ein Auge zugedrückt.«

      »Du altes Ekel!« konterte Karina. »Warte nur, wenn wir erst wieder zu Hause sind. In der kommenden Woche kannst du dir selbst etwas kochen.«

      »Das sind ja harte Drohungen«, meinte Dr. Daniel schmunzelnd, und dabei merkte man ihm an, wie stolz er auf seine beiden Kinder im Grunde war. Auch wenn sie sich gelegentlich in den Haaren lagen, so wußte er doch, daß sie felsenfest zueinanderstanden, wenn wirklich Probleme drohten. Und auch die Selbständigkeit, mit der sie ihr Leben meisterten, rang Dr. Daniel Respekt ab, wenn er auch gelegentlich sehr darunter litt, Karina und Stefan nicht mehr in seiner Nähe zu haben.

      *

      Der Zug aus Köln kam mit einer halben Stunde Verspätung in München an, und unwillkürlich atmete Susanne Hartwig auf. Die Warterei war ihr allmählich beschwerlich geworden. Immerhin war sie ja schon fast im achten Monat schwanger.

      Dann entdeckte sie unter den Reisenden, die jetzt den Zug verließen, ihre ältere Schwester und winkte lebhaft.

      »Marion! Huhu!« rief sie dabei.

      Die schlanke Frau mit dem wallenden kupferroten Haar stellte einen Koffer ab und wedelte ihr beigefarbenes Halstuch zum Zeichen, daß sie ihre Schwester gesehen hatte, dann nahm sie den Koffer wieder auf und ging, so rasch es ihre schwere Last erlaubte, auf Susanne zu.

      »Meine Güte, ich dachte schon, wir erreichen München überhaupt nicht mehr!« stöhnte sie, als sie herangekommen war, dann musterte sie ihre Schwester mit einem langen prüfenden Blick, bevor sie lächelnd erklärte: »Gut schaust du aus. Das Bäuchlein steht dir.«

      Susanne lachte, während sie ihr langes blondes Haar zurückstrich. »Bäuchlein ist gut. Mein liebes Schwesterherz, das ist schon ein waschechter Bauch, und allmählich sehne ich die Geburt förmlich herbei.«

      »Wann ist es dann soweit?« wollte Marion wissen.

      Susanne errötete ein wenig.

      »Ich bin nicht ganz sicher«, wich sie aus. »In fünf Wochen etwa.«

      Erstaunt runzelte Marion die Stirn. »Ja, sag mal, bei welchem Arzt bist du denn? Ist der nicht mal fähig, den ungefähren Geburtstermin auszurechnen?«

      »Ich glaube, wir sollten fahren«, lenkte Susanne ab. »Allmählich wird es mir hier zu heiß. Die Luft zwischen all den Zügen ist ein bißchen stickig.«

      Marion war über dieses Ablenkungsmanöver ein bißchen erstaunt, verkniff sich aber eine Bemerkung. Zu gegebener Zeit würde sie noch mal darauf zu sprechen kommen. Und vielleicht machte die Hitze der schwangeren Susanne wirklich zu schaffen.

      Schon im Auto hatte Marion Gelegenheit, erneut auf das Thema Frauenarzt zu kommen.

      »Sag mal, Susi, hat dein Arzt eigentlich keine Bedenken, wenn du jetzt noch Auto fährst?« fragte sie, während Susanne den Wagen auf die belebte Straße lenkte.

      Wieder bemerkte Marion das leichte Erröten ihrer Schwester, konnte es aber nicht deuten.

      »Ach weißt du, ich fühle mich gut«, erklärte sie nur. »Die Schwangerschaft macht mir keinerlei Probleme.«

      »Trotzdem«, beharrte Marion. »Die Strecke von München nach Steinhausen ist schließlich ja kein Katzensprung. Und gerade auf der Autobahn…«

      »Komm, Marion, hör schon auf«, fiel Susanne ihr ins Wort. »Ich wollte jemanden bei mir haben, der mir ein bißchen unter die Arme greift und mir bei der Geburt beisteht. Wenn ich eine Erzieherin gebraucht hätte, dann hätte ich Mutti alarmiert.«

      Marion mußte lachen. »So war das nicht gemeint, Susi. Ich denke da nur an meine beiden Schwangerschaften. Ich bin ab dem siebten Monat nicht mehr gefahren.« Sie schwieg einen Moment. »Allerdings liegt das auch schon zehn beziehungsweise zwölf Jahre zurück. Vielleicht war man damals noch übervorsichtig.«

      Susanne nickte. »Das scheint mir auch so. Und außerdem… wie soll ich irgendwohin kommen, wenn ich nicht Auto fahre? Leider habe ich keinen Mann, der mich so verwöhnt wie dein Joachim.«

      Marion kämpfte einen Moment mit sich, dann stellte sie die Frage, die ihr am Herzen lag, doch. »Und der Vater deines Kindes? Ich weiß schon, es geht mich nichts an, und du hast ihn ja auch nie erwähnt, aber…«

      »Aus gutem Grund«, meinte Susanne. »Zwischen uns bestand von Anfang an eine Abmachung. Ich wollte nur ein Kind. Nach den vielen Enttäuschungen, die ich erlebt habe, habe ich von Männern die Nase nämlich gestrichen voll.«

      »Heißt das… du willst ledig bleiben?«

      Susanne nickte voller Überzeugung. »Und ob ich das will! Das Kleine und ich… wir werden sehr glücklich zusammen sein.«

      »Ja, bis dein Kind erwachsen wird und seine eigenen Wege geht«, entgegnete Marion ernst. »Dann bist du ganz allein.«

      »Bis dahin werden noch etliche Jahre vergehen«, meinte Susanne.

      »Sei dir da nur nicht so sicher«, wandte Marion ein. »Ina und Kai sind jetzt schon die wenigste Zeit zu Hause, und ohne Joachim würde ich mich wohl oft sehr einsam fühlen.«

      Susanne preßte


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