Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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können.

      »Jetzt freue ich mich erst mal auf mein Kind«, erklärte sie und bemühte sich dabei um einen besonders festen Ton. »Alles andere wird sich schon irgendwie ergeben.«

      Marion warf ihr einen prüfenden Blick zu. Sie spürte, daß für Susanne das Thema damit beendet war.

      »Mußt du zu den Vorsorgeuntersuchungen eigentlich immer nach München fahren, oder gibt es bei euch draußen auch einen guten Gynäkologen?« wollte sie nun wissen.

      Susanne atmete tief durch. »Ich war noch nie beim Arzt.«

      Völlig entgeistert starrte Marion ihre Schwester an. »Du warst noch nie… ja, bist du denn verrückt, Susi?«

      Susanne zuckte die Schultern. »Warum sollte ich zum Arzt gehen? Meine Schwangerschaft verläuft doch völlig normal.«

      »So? Und woher willst du das wissen?«

      Susanne bog in die Einfahrt des Hauses, in dem sie eine kleine Dachwohnung gemietet hatte, und stellte den Motor ab.

      »Hier sind wir«, verkündete sie mit einem fröhlichen Strahlen. »Da oben ist mein kleines Reich. Du wirst begeistert sein, Marion. Jetzt im Sommer ist es zwar ein bißchen warm da unter dem Dach, aber es ist urgemütlich.«

      Marion begriff nicht, wie ihre Schwester so sorglos sein konnte. Sie war immerhin schon einunddreißig, also kein junges, unerfahrenes Ding mehr.

      Mit einem tiefen Seufzer stieg Marion aus und holte ihr Gepäck aus dem Kofferraum, dann folgte sie ihrer Schwester nach oben.

      Die Dachwohnung war wirklich sehr gemütlich eingerichtet, und Marion fühlte sich sofort wohl hier. Trotzdem ließ ihr die Sorge um Susanne keine rechte Ruhe.

      »Darf ich kurz telefonieren?« fragte sie. »Joachim und die Kinder sollen wissen, daß ich gut angekommen bin.«

      »Ist doch klar«, stimmte Susanne sofort zu, dann grinste sie. »Die Ärmsten müssen ja jetzt ein paar Wochen lang auf dich verzichten.«

      »Ja, aber ich habe das Gefühl, daß ich hier sehr dringend gebraucht werde«, meinte Marion ein wenig zweideutig, dann trat sie zum Telefon und wählte die Nummer ihres Einfamilienhauses in Köln. Es wurde ein kurzes, aber sehr herzliches Gespräch, und Susanne bemerkte zu ihrem eigenen Erstaunen, daß sie ihre Schwester um das Familienglück ein wenig beneidete.

      Unsinn, dachte sie. Seit ich allein lebe, bin ich viel glücklicher als früher.

      Doch die leise Wehmut blieb. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie sich zusammen mit einem geliebten Mann auf das Baby freuen könnte. Rasch schüttelte sie diesen Gedanken ab.

      Marion hatte ihr Telefongespräch beendet. Jetzt wandte sie sich mit ernstem Blick ihrer Schwester zu.

      »Susanne, ich bestehe darauf, daß du zu einem Arzt gehst – am besten gleich morgen«, erklärte sie mit Bestimmtheit. »Du mußt dich unbedingt untersuchen lassen. Damit bist du ohnehin schon reichlich spät dran.«

      »Ach, Marion, mach doch aus einer Mücke nicht gleich einen Elefanten«, wehrte Susanne gelassen ab. »Glaubst du, daß die schwangeren Frauen früher alle naselang zu einem Arzt gerannt sind? Dazu hätten die bei sechs oder sieben Kindern doch gar keine Zeit gehabt.«

      »Du scheinst ja bestens informiert zu sein«, entgegnete Marion mit einer Spur Sarkasmus. »Dann weißt du sicher auch, wie hoch die Säuglingssterblichkeit zu jener Zeit war und wie viele Frauen im Kindsbett gestorben sind.«

      »Meine Güte, Marion, du mußt doch nicht alles dramatisieren«, begehrte Susanne auf. »Unsere Großmutter hat zehn Kinder geboren, und kein einziges ist gestorben. Und sie selbst feiert in einem halben Jahr ihren achtzigsten Geburtstag. Da werde ich doch wohl ein Kind gesund zur Welt bringen können. Ich fühle mich ausgezeichnet, und mein Baby ist sehr lebhaft. Es strampelt so kräftig, daß es mir manchmal sogar ein bißchen weh tut. Also entwickelt es sich offenbar prächtig. Warum sollte ich da zum Arzt gehen? Außerdem müßte ich zu einer Ärztin in die Kreisstadt, und die hat nicht gerade den besten Ruf.«

      Marion runzelte die Stirn. »Vor sieben oder acht Jahren… als du nach Steinhausen gezogen bist, da hast du doch immer von einem Arzt geschwärmt, der hier praktizierte. Oder irre ich mich da?«

      Susanne lächelte. »Dein Gedächtnis ist ausgezeichnet, Schwesterherz. Das war Dr. Daniel, aber der lebt nicht mehr hier in Steinhausen. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau ist er weggezogen. Das war vor ungefähr fünf Jahren. Seitdem haben wir nur noch einen Allgemeinmediziner hier, aber der ist längst jenseits von Gut und Böse. Er muß weit über siebzig sein, und ich gehe höchstens zu ihm, wenn ich mal erkältet bin.«

      Marion seufzte, dann schüttelte sie den Kopf. »Das sind alles keine Argumente, Susi… Du mußt endlich zu einem Arzt gehen.«

      Doch Susanne winkte ab. »Ach was! In fünf Wochen werde ich ein gesundes Baby zur Welt bringen, und niemand wird je wieder danach fragen, ob ich während der Schwangerschaft bei einem Arzt war oder nicht.«

      *

      Am frühen Montagmorgen ging Dr. Daniel nach unten und schloß die Praxis auf, dann blieb er einen Moment im Vorraum stehen und sah sich um. Noch am Samstag war Christines alter Schreibtisch durch ein neues, supermodernes Gebilde aus blitzendem Chrom ersetzt worden, was dem Raum einen völlig anderen Charakter verlieh.

      »Guten Morgen, Herr Doktor.«

      Die Stimme seiner Sprechstundenhilfe riß Dr. Daniel aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und reichte Lena Kaufmann voller Herzlichkeit die Hand.

      »Guten Morgen, Frau Kaufmann. Ich freue mich ja so, daß Sie wieder bei mir arbeiten können«, betonte er noch einmal. »Damit hatte ich gar nicht gerechnet.«

      Lena Kaufmann erwiderte sein Lächeln. »Ich bin auch froh, Herr Doktor, daß es so gut gelaufen ist, aber…, ich hätte jede Arbeitsstelle gekündigt, um wieder hierherkommen zu können.«

      Dr. Daniel war sichtlich gerührt, versuchte diese Tatsache aber zu überspielen, indem er einen kleinen Scherz machte. »Dann scheine ich ja ein ganz passabler Chef gewesen zu sein.«

      »Der beste, den es je gegeben hat«, entgegnete Lena, dann wandte sie sich rasch ab, um die verräterische Röte, die bei diesen Worten aufgestiegen war, zu verbergen.

      Dr. Daniel tat dann auch so, als hätte er nichts gesehen. Und da in diesem Augenblick die junge Gabi Meindl in die Praxis trat, wurde die Unterhaltung ohnehin in andere Bahnen gelenkt.

      Sie begrüßte ihren Chef sehr höflich, musterte ihn dabei aber mit deutlich sichtbarem Interesse. Natürlich hatte sie ihn beim Vorstellungsgespräch vor gut vier Monaten schon kennengelernt, aber damals war sie zu nervös gewesen, um den Mann vor sich genauer zu betrachten. Immerhin war sie arbeitslos gewesen und hatte nur gehofft, daß der Arzt, für den ihre Kollegin Lena Kaufmann schon einmal gearbeitet hatte, ihr eine neue Stellung verschaffen würde.

      Jetzt war diese Last von ihr genommen und so brachte sie das nötige Interesse für ihren Chef auf. Was sie sah, erfreute sie außerordentlich. Dieser Dr. Daniel war ja noch ein verdammt attraktiver Mann, dem man seine fünf­zig Jahre überhaupt nicht ansah, und so konnte sich Gabi vorbehaltlos über ihre neue Stellung freuen.

      »Also, meine Damen«, schloß Dr. Daniel das kurze Gespräch ab, das er mit seinen beiden Angestellten noch geführt hatte. »Dann hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit.« Er lächelte. »Ich glaube nicht, daß ich allzu viele unangenehme Eigen­heiten habe, allerdings bin ich auch für Kritik durchaus zugänglich. Nur von einem Prinzip möchte ich keinesfalls abweichen. Das wird hauptsächlich Sie betreffen, Frau Meindl, denn ich möchte hinausgehende Post generell vor dem Mittagessen noch unterschreiben. Das wird für Sie gelegentlich ein wenig Streß bedeuten, aber ich hoffe sehr, daß wir uns da irgendwie zusammenraufen.«

      Er nickte den beiden Frauen zu, dann zog er sich in sein Sprechzimmer zurück.

      »Und? Hat er sonst noch irgendwelche Eigenheiten?« wollte Gabi von ihrer Kollegin wissen, nachdem Dr. Daniel gegangen war.

      Lena


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