Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
für Menschen?«
»Na, fragen Sie nicht so dumm. Alles, was Sie sehen, und Sie denken, das wird man anstaunen, nicht nur in Europa, in Deutschland, sondern auch in Hinterindien oder in Honolulu, das kaufen Sie. Als da sind: Riesen – Zwerge – oder so einen Fettwanst – oder einen Kerl mit zwei Koppen – einen anderen mit sechs und womöglich noch mehr Fingern an jeder Hand – überhaupt Mißgeburten. Verstanden?«
»Ich verstehe, ich verstehe!!« rief ich abermals, und jetzt wurde ich ganz Feuer und Flamme.
Aber es half alles nichts, dieser deutsche Zigeunerknabe wußte mich immer zu überbieten.
»Und immer praktisch, mein lieber Jansen, immer praktisch. Man muß stets versuchen, wenn man einmal mit der Fliegenklatsche zuschlägt, mindestens zwei Fliegen totzuschlagen. Je mehr, desto besser. Ein Riese von vier Meter Länge ist ja schon etwas sehr Schönes – aber ich will lieber einen Riesen von nur drei und einen halben Meter Länge haben, wenn der noch einen Wasserkopp und vielleicht gar drei Augen hat – aber schon drei Meter genügen, wenn der Kerl außer dem Wasserkopp und den drei Augen noch einen mächtigen Buckel hat … na, was gibt’s denn da zu lachen?«
Soll da der Mensch nicht lachen! Und wie dieses Kerlchen das alles nur hervorbrachte!
»Ueberhaupt alles zusammen zu verbinden suchen. Gesetzt den Fall, unser Buchdrucker … ja, daß ich es nicht vergesse – eine Buchdruckerei können Sie mir auch gleich noch aus New-York mitbringen.«
»Was? Eine Buchdruckerei? Wozu denn die?« staunte ich.
»Fragen Sie doch nicht immer so dumm. Wir müssen doch … «
»Ach so,« fiel ich ihm schnell ins Wort, »um die Programme zu drucken.«
»Natürlich. Das müssen wir doch alles selber machen, wenn wir auf unserem Schiffe irgendwo an einer Küste sind und die nackten Wilden zusammentrommeln. – Sehen Sie, Trommeln nicht vergessen!!«
»Trommeln, Pauken und Posaunen – wird besorgt. O, jetzt weiß ich schon, was Sie wollen. Also eine Buchdruckerei! Sie meinen eine Buchdruckmaschine, wo man wenigstens Programme drucken kann.«
»Jawohl. Aber auch große Zettel mit Bildern drauf.«
»Wird alles besorgt, da kann man sich ja orientieren. Was wollten Sie nun von dem Buchdrucker sagen?«
»Ach so, ja – also immer mehreres zusammen, zu verbinden suchen. So einen Buchdrucker oder – oder – Setzer heißt so ein Kerl wohl – den kriegen sie natürlich überall. Aber der erste beste genügt mir nicht, wenn er sonst auch noch so tüchtig ist. Der Buchdrucker muß noch etwas anderes können – zum Beispiel – zum Beispiel – er muß zugleich auch so ein Schlangenmensch sein, der sich mit der großen Zehe in der Nase bobeln kann … «
Himmeldonnerwetter! Verzeihe man mir diesen Fluch und jenen Ausdruck Karlemanns. Aber ich muß ihn wiederholen!
Wie der Buchdrucker am Setzkasten steht, und! zugleich hebt er das Bein und … wie ich mir das bei meiner lebhaften Einbildungskraft alles gleich vorstellen konnte!
Die steinernen Wände hallten wider von meinem dröhnenden Lachen.
»Na, was gibt’s denn dabei nur zu feixen?!«
»Nee, Karlemännchen, nehmen Sie’s mir nicht übel – aber ich kann nicht anders!«
Endlich hatte ich mich wieder beruhigt, und da fuhr der Junge auch gleich fort:
»Und weil ich vorhin von der Harmonika sprach – ja, ich brauche an Bord natürlich auch eine Kap – Kap – Kap … «
» … pelle,« kam ich ihm zu Hilfe, »eine Kapelle, meinen Sie?«
»Jawohl, eine Kapelle. Also am liebsten wäre mir, wenn die Indianer auch gleich etwas spielen könnten, Klavier oder Violine oder sonst etwas … «
»Und der Mann mit den zwei Köpfen spielt mit dem einen Munde die Flöte, mit dem anderen die Posaune.«
»Richtig, richtig!« zollte mir Karlemann Beifall.
»Und so müssen auch alle anderen … «
»Ueberhaupt musikalische Mißgeburten!« Jetzt sagte Karlemann nicht mehr, ich solle mich doch nicht so dumm stellen, jetzt war ich im Fahrwasser, jetzt konnte auch ich Vorschläge machen, meinen Kompagnon an phantastischen Ideen sogar manchmal überbieten.
»Kaufen Sie nur, immer kaufen Sie alles, wovon Sie meinen, daß es überall Aufsehen erregen wird, wofür man Entree zahlt, in Deutschland sowohl wie auf Honolulu.«
»Aber Menschen kann man nicht kaufen.«
»Ach, Sie wissen doch, was ich meine.«
»Nun, was soll ich denn den Leuten bieten?«
»Natürlich so wenig wie möglich,« war die prompte Antwort. »Einen halben, höchstens einen Dollar pro Tag. Doch das muß ich ganz Ihnen überlassen. Es handelt sich ja auch nur um die Reise hierher, dann werde ich schon selber mit den Kerlen verhandeln.«
»Aber,« warf ich ein, »wenn Sie dann mit ihnen weite Reisen machen, von Hafen zu Hafen, um dort Vorstellungen zu geben, von Land zu Land, von Erdteil zu Erdteil – während dieser langen Reisen müssen Sie doch immer diese vielen Menschen beköstigen und bezahlen, das kostet Sie doch viel Geld.«
»Nun, da müssen sie eben unterwegs arbeiten.«
»Solche Mißgeburten?« fragte ich zweifelnd.
»Weshalb nicht? Natürlich nicht in der Takelage. O, ich werde sie schon zu beschäftigen wissen.«
Karlemann hatte es wieder mit seinem schlauesten Augenblinzeln gesagt. Ja, der schien nicht nur Tiere dressieren zu können.
»Natürlich,« setzte er gleich hinzu, »davon dürfen Sie ihnen nichts sagen, wenn Sie sie engagieren. Versprechen Sie ihnen die beste Kost, was Sie natürlich auch einhalten müssen, meinetwegen geben Sie ihnen auch drei Dollar pro Tag, machen Sie das sogar schriftlich mit ihnen aus – – wenn ich sie erst hier habe, mache ich ja doch mit ihnen, was ich will.«
So besprachen wir die Sache noch eine halbe Stunde, was ich da zu hören bekam, das machte, daß ich mich vor diesem zwölfjährigen Jungen fast zu fürchten begann.
Dann war diese Angelegenheit erledigt, ich begab mich an Bord, um sofort in See zu stechen.
Da mir nicht verboten war, hierüber zu sprechen, teilte ich dies alles Blodwen mit, welche wieder einmal einen Lachkrampf bekam, dann aber Feuer und Flamme für dieses Unternehmen war, an dem wir uns ja beteiligen sollten, und das so ganz ihrem phantastischen Geschmacke entsprach.
WIE ICH MISSGEBURTEN UND ANDERES SAMMLE.
Mit günstigem Winde, der sich nach Süden drehte, kamen wir nach Monrovia, wo ich reichlich Proviant und hundert Tonnen Kohlen einnahm. Als Ballast diente Seewasser, wozu die ›Sturmbraut‹ eingerichtet war, denn nicht jedes Schiff kann die unteren Räume einfach voll Wasser laufen lassen.
Dann ging es unter günstigem Südwind westwärts nach New- York.
Unterwegs weihte ich meine Mannschaft nach und nach ein, um was es sich handelte, was Karlemann aus uns machen wolle: einen schwimmenden Zirkus, oder sagen wir gleich: ein Zigeunerschiff – und unter meinen Leuten war kein einziger, der nicht, nachdem er sein Staunen überwunden, dieser tollen Idee mit hellem Jubel Beifall gezollt hätte.
Ich bekam manchmal Proben zu hören, in der Foxl, an Deck bei der Arbeit, auf Nachtwache, im Heiz- und Maschinenraum, wie sich das meine Jungen vorstellten, was für Pläne sie schon spannen – was alles zu schildern mir unmöglich ist, und wir haben ja dann auch alles in der Praxis ausgeführt.
Hierbei muß ich immer wieder bemerken, daß es eben eine ganz besondere Schiffsbesatzung