Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
»Wie lange brauchen Sie dazu, ehe das der Hund von allein macht?«
»Je nachdem. Dieser hier drei Tage lang täglich eine halbe Stunde, und er wird es kapiert haben, das Entweder – Oder: Zucker oder Prügel. Ein kluger Pudel begreift es in der ersten Viertelstunde, überschlägt sich dann sofort allein. Nach vorwärts ist viel schwerer.«
Ich habe dann gesehen, wie Karlemann einer gewöhnlichen Hauskatze, die man überall in der Welt findet, also auch in den Hütten der ansässigen Neger, innerhalb einer halben Stunde lehrte, über den Stock zu springen.
Er nahm ein halbjähriges Kätzchen, von dem er versicherte, es zum ersten Male in der Hand zu haben. Er bückte sich, nahm die Katze zwischen die Beine, hielt sie fest und warf ein Stückchen Fleisch vor sie hin.
Die Katze, offenbar etwas verhungert, wollte gleich drauf zu, doch schnell hielt Karlemann, sie loslassend, vor sie die Hände hin, etwas hoch, sie wollte unten durch, das wurde durch Tieferhalten der Hände verhindert – schließlich sprang sie drüber, fraß das Fleisch.
Dieses Experiment wurde mehrmals wiederholt – vielleicht nach dem zwölften Male sprang die Katze sofort, in der Erwartung, hinter den Händen ein Stück Fleisch zu finden, und obgleich das nicht der Fall war, bekam sie doch sofort ihre Prämie.
Daß Katzen über die vorgehaltenen Hände springen, ist wohl nichts Neues, und so wird es ihnen gelehrt.
Daraufhin nahm Karlemann ein Brett, warf ein Stück Fleisch darüber – die Katze sprang über das Brett, und das zweitemal sprang sie von selbst, ohne das Fleisch gesehen zu haben, erhielt es natürlich hinterher.
Dann kamen wieder die Hände daran, das Untendurchkriechen ward ihr immer verwehrt, aber ohne Anwendung von Gewaltmitteln, und bald sprang die Katze immer höher, zuletzt auch über einen vorgehaltenen Stock – und noch war keine halbe Stunde verflossen, als Karlemann, aufrecht stehend, einen Stock hinhielt, gar nicht direkt vor die Katze – aber diese dachte beim Anblick des Stockes sofort an den Leckerbissen, sprang darüber und bekam ihn auch.
Dann weiter wurden sechs offene Kisten hingestellt, in jede ein Stückchen Fleisch hineingelegt, und die Katze sprang aus einer Kiste in die andere.
Nun war es allerdings seltsam, daß die Katze nicht kletterte, nicht auf den Rand der Kistenwand, sondern frei hinübersprang. Da war aber die Dressur mit den Brettern und dem Stocke vorausgegangen. Und wieder eine halbe Stunde später wurden zehn kleine Barrieren aufgestellt – hoppla! – und die Katze sprang schlankweg über die zehn Barrieren, eine nach der anderen nehmend, nämlich in der Erwartung, hinter jeder ein Stückchen Fleisch zu finden, und ein solches auch nach der zehnten Barriere aus der Hand des Meisters empfangend.
Wer nicht glaubt, daß das zu machen geht, probiere es selbst. Es ist überaus einfach – wenn man es weiß!
»Größere Tiere, die ich in der Manege des Zirkus vorführen will, kann ich aber hier nicht dressieren.«
»Weshalb nicht?«
»Weil der Raum zu klein ist. Es ist eben keine richtige Manege. Wissen Sie denn nicht, um was es sich hierbei handelt?«
Ich mußte verneinen.
»Nun, wie groß ist denn oben die eingemeißelte Manege im Durchmesser?«
»Vielleicht dreizehn Meter.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich taxiere so.«
»Dann haben Sie ein gutes Augenmaß. Aber nicht nur ungefähr, sondern ganz genau dreizehn Meter ist sie, und das muß sie sein, wenn ich denke, die Tiere einmal im Zirkus zu zeigen. Und wissen Sie nicht, warum der Durchmesser der Manege genau dreizehn Meter sein muß?«
Nein, das wußte ich nicht. Karlemann gab mir die Erklärung.
Alle Zirkusmanegen, ob nun in Rußland oder in Spanien oder in Amerika oder in Australien, haben genau denselben Durchmesser, den von dreizehn Metern. Das ist eine internationale Abmachung, deren Ursprung gar nicht mehr zu verfolgen ist.
Weshalb das so ist? Weil doch auch die Kunstreiter international sind, sie gehen von einem Zirkus in den anderen, von einem Lande ins andere, und ändert sich der Umfang der Manege etwas, in der die Pferde doch in schräger Stellung im Kreise herumlaufen, so kann das Pferd die gewohnten Kunststückchen nicht mehr ausführen, es wird unsicher, versagt gänzlich, der auf dem Rücken stehende Artist, selbst kann nicht mehr tanzen, nicht mehr springen, kommt in die größte Gefahr. Denn um die Manege zu umkreisen, bedarf es so und so vieler Galoppsprünge, und die Manege braucht nur einen, nur einen halben Zentimeter weiter oder enger zu sein, dann paßt die gewisse Anzahl von Galoppsprüngen, auf welche das Pferd wie auch der Künstler nun einmal geeicht sind, nicht mehr hinein, die Schrägstellung wird eine andere, die Aufstellung der Barrieren muß verändert werden – die ganze Vorstellung wird in Frage gestellt, und dasselbe gilt von allen Tieren, welche im Kreise herumzulaufen haben. Man muß nur bei einer Probe beobachten, wie die Artisten vorher die Manege abzirkeln, wie sie sich mit Blaustift ihre geheimen Zeichen machen – ganz genau an dieser Stelle ist die Barriere anzusetzen, an dieser hat das Pferd zu springen, an jener er selbst, und kommt er in einen anderen Zirkus, dessen Manege einen anderen Durchmesser hätte, so würde eben die ganze Dressur versagen und der Reiter selbst nicht mehr fähig sein, seine halsbrecherischen Kunststückchen auszuführen.
Es war sehr lehrreich, was ich da zu hören bekam. Dabei vergaß ich ganz die Frage, woher der Junge dies alles wußte, und ob er denn beabsichtige, mit seinen Tieren in Zirkussen aufzutreten.
O, ich sollte noch manches erfahren, was dieser Junge alles vorhatte, einiges ebenso praktisch wie anderes wieder maßlos phantastisch.
Ich hatte gesagt, daß sich die tiefliegende Manege in der Mitte des Plateaus befand. Das war nicht so ganz der Fall. Sie befand sich etwas mehr nach der westlichen Seite. Direkt in der Mitte des Plateaus erhob sich ein kleiner Turm, d. h. nur etwa einen Meter hoch, darüber war eine Winde angebracht, ich sah dort Neger arbeiten.
Als ich hinging, entdeckte ich, daß es nichts weiter war als ein ummauerter Brunnenschacht von etwa zwei Metern Durchmesser und mindestens schon zwanzig Meter Tiefe. Das erkannte ich nur aus der Länge der Seile, an welchem die Eimer heraufgezogen wurden, gefüllt mit Steinschutt, der von den Negern fortgetragen und einfach ins Meer geworfen wurde. Wenn die dort unten meißelten, so war das schon gar nicht mehr zu hören, man mußte sich denn direkt darüberbeugen.
»Soll das ein Brunnen werden?« fragte ich die Schwarzen verwundert.
Diese grinsten, sie verstanden kein Englisch.
Da kam Karlemann. Ich stellte dieselbe Frage an ihn.
»Glauben Sie, daß man hier zuletzt noch auf Wasser kommt?« war seine Gegenfrage.
Das bezweifelte ich sehr. In diesem Felsen, der sich aus dem Meere erhob – nein, das glaubte ich nicht, obgleich alles möglich ist. Aus dem Mädchenfelsen, der in der Nähe von Konstantinopel mitten im Meere steht, bricht ja auch frisches Wasser hervor, es gibt sogar süße Quellen mitten im Meere, das Salzwasser wird von dem frischen, welches leichter ist, verdrängt.
»Nun, ich probier’s. Ich habe ja genug Sklaven, es kostet mich ja nichts. Ist es wahr, daß das Innere der Erde Feuer ist?
Ich bejahte, gab etwas von meinen geognostischen Kenntnissen zum besten, verbesserte das Feuer in Gesteinsmassen, die sich in feuerflüssigem Zustande befinden.
Aufmerksam hatte mir Karlemann zugehört.
»Dann muß es wohl so sein,« meinte er nun sinnend, »früher dachte ich immer, der Lehrer wolle uns etwas vorflunkern, daß wir nicht gar so tiefe Löcher in die Erde machten.«
»O, nein,« lachte ich, und jetzt kam das naive Kind doch einmal zum Durchbruch, »so schnell geht das nicht, was meinen Sie wohl!«
»Na, wie tief muß man denn da graben?«
»Die feste Erdrinde wird auf mindestens 100 Kilometer geschätzt.«
»Hm, das ist