Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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wenn Blodwen von solch einem Schatze gewußt hätte, da hätte sie doch schon vorher in unserer Geldnot daran gedacht!

      »Aber, Blodwen, warum hast du denn damals mit so einem tiefsinnigen Gesichte solch eine Andeutung gemacht?«

      »Ach Gott, um – um – um dir etwas zu imponieren,« gestand sie jetzt schamhaft ein.

      »Aber deine Mutter hat dir wirklich von solch einem Briefe erzählt?«

      »Gewiß, das hat sie. Nur nicht sie selbst, sondern meine Großmutter soll ihn von der Lady Hamilton bekommen haben, ein Testament, in dem meine Großmutter, Lady Hamiltons Schwester, zur Universalerbin aller Geisterschätze eingesetzt wurde. Aber meine Großmutter soll ja ebenfalls stark übergeschnappt gewesen sein.«

      »Hast du den Brief oder das Testament einmal gesehen?«

      »Niemals.«

      »Deine Mutter?«

      »Auch nicht. Die hatte es wiederum nur von ihrer Schwiegermutter. Ach, das ist ja überhaupt alles Unsinn. Die Lady Hamilton ist wirklich in tiefster Armut gestorben; denn hätte die noch etwas gehabt, dann wäre sie doch auch bis zum letzten Atemzuge danach aufgetreten, die war doch immer so beschaffen.«

      »Ich fragte nur deshalb, weil solch eine Handschrift einer immerhin berühmten Person doch als Rarität einen gewissen Wert hat.«

      »Nun, wenn wir einmal nach New-York kommen, können wir ja nachsehen. Meine Großmutter hatte nämlich in New-York ein Haus, in dem sie immer gewohnt hat, ich habe sie beerbt, und sie ist erst nach jener unglücklichen Geschichte gestorben, so daß ich auch das freie Verfügungsrecht über diese Erbschaft habe. Bekommen habe ich freilich nicht viel, sie hatte sich schon vorher alles Besitzes entäußert, es ihrer Schwiegertochter, also meiner Mutter vermacht, sich nur eine Leibrente Vorbehalten.«

      »Und das Haus in New-York?«

      »Das ebenfalls. Es ist nur ein kleines baufälliges Häuschen in der Lostreet. In diesem hatte sie die ersten Jahre ihrer glücklichen Ehe verbracht, deshalb wollte sie auch drin sterben. Dieses Haus ist mein Eigentum, ich habe es verschließen lassen, es muß alles noch so sein wie bei ihrem Tode. Da können wir, wenn du dich für so etwas interessierst, ja einmal nachsehen.«

      Wenn es mit dem Geisterschatze nichts war, dann hatten wir hierdurch doch wenigstens entdeckt, daß Blodwen auf dem teuren Grund und Boden von New-York noch ein Haus besaß, und wenn wir noch mehr solcher Entdeckungen machten, wozu ich nur ihrem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen brauchte, dann brachten wir auf diese Weise vielleicht noch ein ansehnliches Vermögen zusammen.

      Ich hatte also zu Blodwen nur gesagt, daß ich von Karlemann für ein Jahr engagiert worden wäre, als sein Kompagnon, er wolle mich irgendwohin schicken, auf eine ganz abenteuerliche Fahrt, bei der eine schwere Menge Geld zu verdienen sei – aber wie und wo, das wolle mir der kleine Geheimniskrämer noch nicht mitteilen. Jedenfalls etwas ganz, ganz Geheimnisvolles!

      Dasselbe sagte ich der vor dem Hauptmast versammelten Mannschaft. Solch eine Erklärung hatte ich als Kapitän ja eigentlich gar nicht nötig, die Leute waren für eine sogenannte wilde Reise gemustert worden, das heißt, für eine Reise ohne bestimmtes Ziel, auf ein Jahr.

      Aber zwischen uns lag doch ein etwas anderes Verhältnis vor. Ich hatte ja meine besten Freunde zusammengesucht und von diesen mir wieder wackere Männer empfehlen lassen, um für das verfolgte Weib einen sicheren Schutz zu haben, und das hatte ich ihnen damals ebenfalls gesagt, weil doch sonst das Bewachen einer verfolgten Unschuld nicht Sache von Matrosen und Heizern ist, außerdem charterte Karlemann selbst das Schiff auf ein Jahr, so daß der Kontrakt der Leute unterdessen ablaufen mußte – kurz, ich hielt es diesmal für angebracht, vor der angetretenen Mannschaft einen Speech zu halten.

      »So und so,« sagte ich, »ich habe in Kapitän Algots Auftrag eine abenteuerliche Expedition zu machen, zu der ich ganze Männer brauche. Um was es sich eigentlich handelt, weiß ich selbst noch nicht, jedenfalls ist es etwas ganz Abenteuerliches, und ich denke doch, ihr laßt mich nicht im Stich. Karlemann versichert mir, daß ich schweres Geld dabei verdienen soll, und daß dann auch ihr daran beteiligt seid, das wißt ihr doch von mir.«

      Nun, das letzte wäre gar nicht nötig gewesen. Für alle diese Matrosen und Heizer galt genau dasselbe, was ich von Blodwen gesagt, und die hatte des angedeuteten Verdienstes auch mit keiner weiteren Frage erwähnt.

      Denn ich hatte ja meine Leute ausgesucht, die meisten waren intime Freunde von mir gewesen, mit denen ich schon als Matrose gefahren war, manches Abenteuer zu Wasser und zu Lande bestanden, manches Renkontre mit der Polizei ausgefochten hatte, und diese meine ehemaligen Freunde hatten wieder andere gehabt, die ich selbst nicht kannte, und so war denn eine nette abenteuerliche Gesellschaft zusammengekommen, jederzeit bereit, mit mir einen Einfall in eine südamerikanische Republik zu wagen, um mich dort als König auszurufen, wenn ich ihnen das nur etwas plausibel machen konnte – bereit zu jedem anderen tollen Streich.

      Dasselbe galt sogar von den Offizieren, also von den beiden Steuerleuten und den beiden Ingenieuren. Die beiden ersteren hatte ich lange Zeit persönlich gekannt – tüchtige Kerls, aber zu jedem Abenteuer bereit – auch den zweiten Maschinisten hatte ich schon gekannt, der war sogar mein Jugendgespiele gewesen, wir hatten zusammen die Obstgärten und noch anderes unsicher gemacht, und der war noch heute zu allem fähig, obgleich er – was man aber oft vereint findet – sonst ein ganz solider, sparsamer Mensch war – hatte er mir doch auch in Kapstadt mit zweihundert Pfund ausgeholfen – und dieser hatte mir den ersten Maschinisten als einen verwandten Charakter zugeführt, der trotz seiner schon weißen Haare immer noch behauptete, daß Dummheiten nur dazu in der Welt seien, um ausgefressen zu werden.

      Also ein allgemeines, jubelndes Beistimmen.

      »Der Klabautermann geht doch mit?«

      Natürlich, so lange sie den an Bord hatten, gingen sie ja überhaupt nicht vom Schiff. Und hatte er uns denn nicht bisher immer Glück gebracht? Wir hatten schon zwei fürchterliche Stürme überstanden, wir hatten anderes Schwere schon durchgemacht, und noch keine Rahe war uns gebrochen, auch noch kein menschlicher Arm, kein Finger.

      Ist das etwa kein Glück? Daß ich viel Geld verloren hatte, daß uns die Baumwolle verbrannte – – bah, was bedeutet denn alles das, wenn man noch Hartbrot hat und gesunde Zähne und einen gesunden Magen, um es zu verarbeiten – was geht denn überhaupt über gesunde Knochen und fröhlichen Lebensmut?!

      Und mein Unglück, auch wie mich der Schiffsarzt so schmählich betrogen, das alles trug ja nur um so mehr bei, jeden dieser wackeren Männer mit ehernen Ketten an mich zu fesseln. Wer in der Foxl geäußert hätte, er habe die Geschichte jetzt satt, wolle das Schiff verlassen, der wäre wohl sofort gelyncht worden. Aber so etwas fiel ja eben niemandem ein.

      Und was ich ihnen nun jetzt offenbart hatte! Mich mit Karlemann verbinden, mit diesem gottverd … Lausejungen!

      Das heißt nämlich, sie alle blickten natürlich zu dem Knirps mit ungeheurer Hochachtung empor, sie waren dabeigewesen, wie er dem Kididimo alles abgekaupelt hatte, schon vorher, diese Fahrt im offenen Boote um ganz Europa herum, und nun hier diese Insel, eigentlich unantastbar, jetzt sein Eigentum, und was man nun darauf alles zu sehen bekam … na, kurz und gut: wenn Käpt’n Karlemann mit uns ist, dann muß es uns diesmal glücken!! Mit dem hauen wir doch die ganze Welt übers Ohr.

      Die absolute Windstille hielt vier Tage an, und wir hatten überhaupt gar keine Möglichkeit, mit unserem Schiff die Insel wieder zu verlassen. Wohl war ein genügender Kohlenvorrat für die drei kleinen Dampfboote vorhanden – ein dritter, alles Karlemanns Eigentum, befand sich nämlich zurzeit in Legala – doch der genügte bei weitem nicht, unser Schiff von tausend Tonnen bis nach dem nächsten Kohlenhafen zu befördern, an Monrovia gar nicht zu denken, und wir selbst hatten nur so viel an Bord gehabt, um noch eine Woche lang unser Essen kochen zu können.

      Wir waren während dieser Zeit Karlemanns Gäste, alles stand uns offen, und meine Leute sowie Blodwen amüsierten sich über die Menagerie vortrefflich.

      Wir durften zuschauen, wie der kleine Kerl in dem tiefen Zirkus ein Tier nach dem andern vornahm


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