Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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wo wir etwas versenkt vermuteten, aber keinen Grund fanden – dieser rätselhafte Mann könnte vielleicht imstande sein, dort hinabzutauchen.«

      »Nun, und?«

      »Könnte ein Taucher nicht unser Schiff angebohrt haben, um uns untergehen zu lassen oder uns hier auf dieser Insel gefangenzuhalten, auf daß der Wisser dieses Geheimnisses keine Mitwisser hat, oder daß wir den Schatz doch nicht ausbeuten können?«

      Sie sprach aus, woran auch ich schon gedacht hatte!

      Das wäre aber furchtbar für uns, dann wäre das kein Stern des Heils gewesen, er wäre von unseren Feinden ausgegangen!

      Doch das waren ganz leere Vermutungen, auf die ich mich niemals einlasse.

      Immerhin, es war doch besser, die Leute lieber nicht in alles einzuweihen, eben aus diesen Gründen, welche nur die Hoffnung vernichten konnten, und wer noch Hoffnung hat, geht nicht zuschanden.

      Wichtiger war die Beratung, ob ein Feuer oben auf dem Berge und während des Tages eine Flagge Zweck habe.

      Für ein an der Küste vorüberfahrendes Fahrzeug sicher nicht. Von der Küste aus konnte man kein Feuer mehr erkennen, das hier auf dem in der Mitte der Insel liegenden Berge brannte, wenigstens nicht solch ein Feuer, wie wir es zu nähren vermochten, und wenn wir auch ganze Baumstämme hineinwarfen.

      Raketen, das ist etwas ganz anderes, das ist eine besondere Brandmischung. Schon damals hatte man etwas Aehnliches wie das heutige Magnesium, es wurde Leuthocin genannt, der Hauptbestandteil war übrigens ebenfalls Magnesium, welches damals nur noch sehr teuer war.

      Aber wenn die Insel nun doch schon bekannt war und einmal betreten wurde?

      Ja, wir hatten etwas versäumt. Von jetzt an sollte bei Nacht auf der Bergspitze ein großes Feuer unterhalten werden, bei Tage eine Flagge oben wehen, außerdem immer noch ein Offizier oben sein.

      So geschah es. Zwecklos! Bis zur übernächsten Nacht! Da bekamen wir wenigstens wiederum etwas zu sehen.

      Ich selbst hatte gerade die Offizierswache übernommen, als ich abermals eine blendendweiße Leuchtkugel aufsteigen sah.

      Gleich beim ersten Male hatte ich mir die Richtungen mittels des Kompasses äußerst genau gemerkt, auch durch gedachte Linien und andere Hilfsmittel markiert – Sterne waren damals nicht zu sehen gewesen – und so wußte ich jetzt ganz bestimmt, daß die Leuchtkugel diesmal noch südlicher aufstieg.

      Und da kam nördlich das weiße Gegenzeichen, und das stieg genau von derselben Stelle auf, wo ich damals zuerst das bunte Leuchtkugelspiel beobachtet hatte.

      Aus der Verrückung des einen Punktes und dem Stehenbleiben des anderen auf ein Schiff und auf festes Land zu schließen, wäre allerdings voreilig gewesen.

      Genug, wiederum begann zwischen den beiden Signalstationen das farbige Leuchtkugelspiel. Sehr interessant anzusehen, sehr tröstlich für uns, in diesem sonst so toten Wiesenmeere noch andere Menschen zu wissen, welche sogar schon mit Leuchtfeuern signalisieren konnten – im übrigen aber ganz nutzlos für uns.

      Dies war das zweitemal gewesen, und ein drittes Mal sollten wir nichts von dieser nächtlichen Signalisiererei gewahren.

      Wir bauten mit Emsigkeit an unserem Boote. Solange dies nicht fertig war, hatte es gar keinen Zweck, über einen Befreiungsversuch zu sprechen.

      WIR WERDEN ENTDECKT.

       Inhaltsverzeichnis

      Jener Matrose hatte mich wieder in den Kalender hineingebracht. So wußte ich, daß es Ende der vierten Woche unseres Insellebens oder der einunddreißigste Dezember war, als ich eines schönen Morgens Vogelnester nach Eiern absuchte.

      Ich hatte es auf eine besondere Art von Möwen abgesehen, welche die schmackhaftesten Eier liefern, dafür aber ihre Nester an schwer zugängliche Stellen kleben, das heißt, mehr die freie Luft lieben.

      Doch lebensgefährlich war meine Kletterei durchaus nicht. Nur unangenehm. Nämlich deshalb, weil meine Haut auch gar nichts mehr vor den spitzen Steinen schützte, welche auf dieser gesegneten Insel reichlich wuchsen.

      Denn schon seit zwei Wochen bestand mein ganzer Anzug aus einer defekten Bauchbinde. Und ich war der Kapitän! Das sagt wohl genug, wie es mit unserer Garderobe aussah. Wir gingen alle noch viel tiefer dekolletiert als die Hofdamen. Sagen wir gleich: wie Adam. Nur daß Adam ein Feigenblatt anhatte, meine Jungen ein Stück Holz vorzogen. Von wegen Blodwens. Und eine Grasflechterei wäre doch gleich wieder in die Brüche gegangen.

      Dieser Kleiderschwund kam eben durch die ständige Suche nach Eiern und durch die verdammten spitzigen Steine, die sich in jedes Fetzchen, das noch auf dem Körper flatterte, verliebten.

      Wir hatten ja im Kleiderschrank noch ein paar gute Sonntaglumpen hängen, aber die sollten eben für bessere Zeiten aufgehoben werden, wenn wir wieder in die Gesellschaft eingeführt wurden.

      Dann war doch auch das Kind zu versehen gewesen, mit solchen Dingern, welche immer naß sind, wenn sie nicht auf der Leine hängen. Auch Kleidchen hatten geliefert werden müssen, und Blodwen selbst hatte mit ihrer eigenen Garderobe nicht viel aushelfen können, weil ihr Unterrock schon als Flagge dort droben auf dem Berge wehte.

      Die ersten beiden warmen Kleidchen hatte der Koch geliefert. Dieser besaß nämlich ein Paar unverschämt dicke Waden, und der Mann der Kombüse trug trotz seines warmen Aufenthaltsorts auch unterm Aequator immer die dicksten Wollstrümpfe.

      Nun brauchte von diesen Strümpfen bloß unten die Socke abgeschnitten zu werden, und die Erstlingskleider waren fertig, unser Kindchen brauchte nur hineingesackt zu werden. Der linke Strumpf war für Alltags, der rechte Strumpf war das Sonntagskleid.

      Aber dabei blieb es nicht. Der Segelmacher schneiderte für unser Kindchen aus einem Hosenboden, einem Jackenärmel und einem Westenrückenstück ein perfektes Kleidchen zurecht, besetzt mit Bändchen und Schleifchen, deren Ursprung mir ein Rätsel geblieben ist, und der dämliche Fritze lieferte unserem Kindchen aus Lederfetzen ein Paar Schuhchen, die er in jedem Schaufenster hätte ausstellen können.

      Für kritische Leser und mehr noch Leserinnen sei hierzu bemerkt, daß unser Kindchen nach englischen Sitten aufgebracht wurde, und in England weiß man nichts von Wickelbett oder Steckkissen oder dergleichen. Das Wurm kriegt sofort ein Tragkleid und Stiebeln. Tatsache, das ist nicht etwa Scherz. Freilich wird so ein englischer Säugling, wie ich erst später erfuhr, fest gewickelt, was wir vergaßen, weil wir eben nichts davon wußten.

      Nun, unser Kindchen bekam deswegen noch keinen Buckel.

      Der Leser dürfte es schon herausgehört haben, unser Kindchen. Einen Namen hat das Mädel niemals bekommen. Es war und blieb Unserkindchen. Und wenn man das in ein Wort schreibt, so ist das schließlich doch ebenfalls ein Name, Was mich anbetrifft, so konnte ich mich niemals recht als Vater fühlen. Ich hatte immer eine Heidenangst, wenn ich das gebrechliche Dingelchen einmal anfassen mußte. Das überließ ich lieber den anderen. Es war ja auch ›unser Kindchen‹. Wirklich, ich glaube nicht, daß ich mich jemals zum Familienvater geeignet hätte. Deshalb war ich ja auch nicht Pastor geworden.

      Im übrigen war es ein sehr hübsches Mädchen, trotz der frühen Geburt ganz stramm. Und klug! Matrose Pieplack war der einzige, der noch mit einer Teerjacke einherstolzierte – freilich ohne Hosen – und als Pieplack unser Kindchen zum ersten Male auf seinen nackten Knien reiten ließ, da hatte unser Kindchen sofort weg, was eine Tasche zu bedeuten hat, gleich hatte es das Händchen in der Tasche, und seitdem gab es sich beständig Mühe, auch bei den anderen Taschen zu finden, was bei unserer Garderobe nun freilich schwierig war.

      Schließlich hier gleich noch ein Wort über Blodwen.

      Sie ging natürlich ganz in der Pflege ihres Kindes auf. Natürlich? Nun, es soll Mütter genug geben, bei denen dies nicht so natürlich ist. Und ich hatte mir die Lady von Leytenstone nie als Mutter vorstellen können, ja, ich hatte gleich direkt zu zweifeln


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