Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
Mensch muß seinen Namen verschweigen?«
»Meinen Namen? Kapitän Simmer.«
»Den habe ich schon vorhin aus dem Munde Ihres Begleiters gehört. Und Sie suchen mich schon lange in aller Welt? Ich kenne Sie nicht.«
Wieder raffte er sich gleichsam auf.
»Nicht ich suche Sie, sondern … ich handele in einem Auftrage.«
»In wessen Auftrage?«
»Haben Sie nicht damals, als Sie von Monrovia aus dem entführten Wrack nachjagten, einen Matrosen aus dem Wasser gefischt?«
Meine Ahnung hatte mich nicht betrogen!
»Ja.«
»Er machte Ihnen einige Andeutungen, nicht wahr?«
»Sehr spärliche. Dann erhielt ich in Kapstadt mich einen Brief, in dem sich der Schreiber, der mir für das Wrack und für …«
»Richtig, richtig, das ist der beste Anknüpfungspunkt!« fiel mir der blonde Kapitän lebhaft ins Wort. »Der Schreiber dieses Briefes, der sich als einen Mann bezeichnete, welcher zwar noch lebt, sonst aber nicht mehr der Welt angehört – der ist mein Herr, dem ich diene, und in dessen Auftrage werden Sie seit einiger Zeit in aller Welt gesucht.«
»Und wer ist dieser Mann?«
»Darüber darf ich nicht sprechen.«
Das konnte ich begreifen. Sonst hätte mir doch auch schon jener Matrose erzählen können.
»Aber darf ich wenigstens fragen, weswegen er mich sucht?«
»Um Sie in seine Dienste zu nehmen.«
»In seine Dienste? Ich bin ein freier Kapitän, überhaupt ein freier Mensch.«
Der andere mußte gleich etwas herausgehört haben.
»Um sich mit Ihnen zu verbinden,« lenkte er schnell ein.
Das war etwas anderes. Also ich sollte wieder einmal ›Kumpe‹ machen.
Uebrigens war das ja Unsinn von mir gewesen. Ich war nur so ein Starrkopf. Ich war doch überhaupt ein Mensch, der von jeher für andere gearbeitet hatte und noch ferner dazu bereit war. Aber ich war eben keine Landratte, sondern Seemann. Ich wollte nichts von ›Dienst‹ und von ›dienen‹ hören. Bei mir dienten nur Dienstmädchen, Hausknechte und dergleichen. Hätte jener von ›Heuer‹ oder ›mustern‹ gesprochen, da hatte ich keine solche protzige Bemerkung gemacht.
»Und Sie sind der einzige Ueberlebende Ihres Schiffes?«
»O nee. Wir alle leben noch und sind kreuzfidel.«
»Wie,« rief da Simmer, wie ich ihn nun gleich nennen will, in heller Freude, »Ihre ganze Mannschaft ist gerettet?!«
»Bis auf die letzte Hand.«
»Vortrefflich, vortrefflich!« jubelte der Kapitän immer mehr auf. »Und die Dame, die Sie an Bord hatten – die Lady Blodwen von Leytenstone?«
»Die ist unterdessen Mutter geworden.«
»Was?!«
»Ein Kind hat sie gekriegt – von mir,« erklärte ich, etwas voreilig – aber ich war damals nun einmal so.
»Und sie ist im Wochenbett gestorben?« erklang es betrübt zurück.
»Ganz im Gegenteil. Die ist so fidel wie unser Kindchen. Nur mit dem Wochenbett war’s mau.«
»Und sie ist hier auf dieser Insel?«
»Nu natürlich. Wir sind alle beieinander und nutschen Eier aus.«
»Dann ist ja alles gut, dann ist ja alles gut!!« ertönte es jetzt mit einem Jubel, wie nur ein Mensch jubeln kann. »Die Lady von Leytenstone war uns ja mit die Hauptsache!!«
»Aber erlauben Sie mal gütigst – warum interessieren Sie sich denn eigentlich so für meine Lieb … für diese englische Dame?«
»Nun, mein Herr will diesem unglücklichen Weibe, dem man die Heimat genommen, eine ihrer würdige Freistatt gewähren!«
Da wurde mir plötzlich – ich weiß selbst nicht warum, dies alles kam eben so herzlich heraus – mein eigenes Herz ganz weit und ganz heiß, ich sagte nur ein Wort – ›Top!!‹ – und ich schlug in die Hand, die jener so zufällig offen hingehalten hatte.
»Wo sind die Leute?«
»Gar nicht weit von hier. Unser Lagerplatz ist an der Quelle, wohin doch auch Sie wollen.«
»Woher wissen Sie das?« staunte der andere, jetzt aber ohne das geringste Mißtrauen.
»Ich hörte Sie vorhin mit Ihrem Begleiter darüber sprechen – nur die letzten Worte.«
»Ach so! Ja, und wie kommen Sie eigentlich … doch darüber wollen wir uns später aussprechen. Kapitän Richard Jansen, zunächst habe ich Ihr Ehrenwort zu fordern.«
Er hatte sein Wesen geändert, ernst blickte er mich an, hielt mir schon die Hand hin.
»Worüber?«
»Daß Sie absolutes Stillschweigen bewahren.«
»Worüber Stillschweigen?« mußte ich doch immer wieder fragen.
»Ueber – über – daß Sie nicht – daß Sie zu keinem Menschen über – über …«
»Ich weiß, ich weiß,« kam ich dem Stockenden zu Hilfe, »ich weiß, weswegen Sie mein Ehrenwort fordern – hier haben Sie es.«
Unsere Hände kamen noch einmal zum Drucke zusammen.
Ich selbst konnte eigentlich gar nicht sagen, woraufhin ich denn mein Ehrenwort gab. Auch Simmer hatte es nicht mit Worten ausdrücken können. Das lag eben im Gefühl, gewissermaßen in der Luft.
»Mein Herr hat mir befohlen, Ihrem Ehrenwort unbedingt zu trauen.«
»Nu natürlich, dieser Befehl wäre gar nicht nötig gewesen.«
»Nein, denn Ihnen braucht man nur ins Auge zu sehen, nur Ihren Händedruck zu fühlen, um nicht daran zweifeln zu können.«
»Und ein Herr,« entgegnete ich, »dem ein Mann wie Sie dient, den will auch ich gern meinen Herrn nennen, der wird nie etwas Unbilliges von mir verlangen.«
Man wird gestehen müssen, daß wir beide uns da ganz schneidige Komplimente sagten, aber das waren keine leeren Phrasen, sondern aus offenstem Herzen kommend.
Was mich betrifft, so hatte ich wegen meiner Fähigkeiten ja Pastor werden sollen – in diesem jetzt ganz patent gekleideten Kapitän aber lernte ich noch einen tüchtigen Seebären kennen, der auch lieber aus der Pulle als aus einem Gläschen trank und mit rabiaten Matrosen umzuspringen wußte, daß es nur so seine Art hatte. Ich meine also: das war nicht etwa sonst so ein geschniegelter Zieraffe, der sich immer gedrechselte Redensarten ausklügelte.
Kurz, hier auf dieser einsamen Insel im Sargassomeere hatten sich zwei wackere Männer getroffen – das darf ich wohl sagen, obgleich ich selber mit dabei war.
Wir gingen langsam unseres Weges, der Quelle zu.
»Sie leiden mit Ihrer Mannschaft keine Not?«
»Nein. Bis auf Kleidung und Tabak, der bei uns nun einmal zu den unersetzlichen Lebensbedingungen gehört. Und dann die Lady – und das Kind …«
»Natürlich. Es muß fürchterlich sein. Nun, ich bin mit meiner Jacht hier, die Lady kann sofort darauf untergebracht werden, alle Ihre Leute können sofort hinmarschieren.«
»Und wohin geht die Jacht?«
»Dorthin, wo mein Herr sein Domizil aufgeschlagen hat… bitte!«
Ich hatte verstanden. Dann allerdings würde ich noch weiter fragen.
»Und wo ist Ihr Schiff gescheitert?«
Ich gab für den Seemann