Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
es wie ein Schlag durch meine Leute gegangen. Ein ganz neues Leben entwickelte sich im Zwischendeck und auch oben. Vergessen war alle Kleiderflickerei – was sie ja auch gar nicht nötig hatten, nur eine alte Angewohnheit – Matrosen wie Heizer kürzten sich den Schlaf ab, um sich an der Reckstange zu schwingen, oder erst daran zu zappeln; dann wurde ein Barren konstruiert, dann wurde gesprungen, Hans hatte schon ein Pferd gesehen, und für eine Landratte mochte es erstaunlich sein, mit welch fabelhafter Geschwindigkeit diese Matrosen nur nach Beschreibung aus Segeltuch, Seegras und anderen Materialien solch ein Pferd und einen Bock gefertigt hatten, die jedem professionellen Handwerker zur Ehre gereicht hätten, und nun ging es erst recht los, und ich hatte schon das Gefühl, daß dies kein Strohfeuer war, daß ich nicht erst Prämien auszusetzen brauchte, hier herrschte allein die eigene Lust, vielleicht kam noch der Ehrgeiz dazu, einer wollte es dem anderen zuvortun, und was dies alles zu bedeuten hatte, merkte ich auch sofort bei der Arbeit an Deck. Es war plötzlich ein ganz anderes Leben in die Mannschaft gekommen. Ja, sogar beim einfachen Gehen war das schon zu merken.
»Bei Thor und Odin!« hatte Blodwen wieder einmal mit ganz großen Augen gerufen, als sie den kleinen Herkules am Reck hatte wirbeln sehen. Dann hatte sie die kläglichen Versuche der anderen beobachtet; aber ohne dabei lachen zu müssen. Sie war tiefernst geblieben, und immer mehr fingen ihre herrlichen blauen Augen zu strahlen an.
Und dann hatte es nicht lange gedauert, und alle mußten hinaus aus dem Zwischendeck, und kaum war die Schiebetür geschlossen, so hing schon Blodwen an der Reckstange und … zappelte mit den Beinen, nicht viel eleganter mit ihren schlanken als der alte Bootsmann mit seinen krummen.
Daß sie durchaus nichts fertig brachte, nicht einmal einen Klimmzug, vom Bauchaufschwung und dergleichen Künsten gar nicht zu sprechen, daran mußten nach ihrer Ansicht unbedingt ihre Röcke schuld sein.
Sie wollte Hosen haben. Meine waren ihr reichlich einen halben Meter zu lang, und daß sie keine von Matrosen anziehen wollte, konnte ich ihr nicht verdenken, obgleich Hans ihr versicherte, er hätte seine besten erst viermal angehabt.
Also Matrosen herbei, so ungefähres Maß genommen, aus Segeltuch Hosen gemacht. Der Segelmacher war der Hauptmann, der fettete schon seine kulbige Sacknadel ein.
Doch bis die Hosen fertig waren, das dauerte ihr zu lange. Nun, sie hatte ja selber welche. Wie sie nun so in ihrem Unterkostüm an der Reckstange herumzappelte – ich habe gelacht, daß ich dachte, der Kopf müßte mir platzen – bis sie’s übelnahm.
Dann waren die Segeltuchhosen fertig, nach allen Regeln der Kunst, nur schade, daß, weil wegen der Schnelligkeit an jedem Hosenbein ein Matrose genäht hatte, das rechte länger geraten war als das linke. Doch das ließ sich schnell umändern.
Blodwen zappelte weiter an der Reckstange herum, zuerst immer hinter verschlossener Tür, auch ich mußte gehen, weil ich so dumm gelacht hatte, dann mußte ich aber doch wieder hereinkommen, um nachzuschieben – »schieb, Richard, schieb!« – und dabei soll nun ein Mensch ernst bleiben! – Dann aber hatte sie sich an das Kostüm gewöhnt, es war ihr egal geworden, auch die Mannschaft durfte während ihrer Uebung mit im Zwischendeck sein, schließlich fanden auch die Matrosen und Heizer nichts mehr dabei, man gewöhnt sich eben an alles, es wurde um die Wette geturnt, und ich sehe noch das rote, glückstrahlende Gesicht, wie Lady Blodwen von Leytenstone da oben an der Stange klebte und keuchte:
»Richard, das war mein erster Bauchaufschwung, den ich ganz, ganz allein gemacht habe.«
Na, ein bißchen nachgeschoben hatte ich doch.
Man sieht, wir wußten uns die Zeit zu vertreiben, Trübsinn gab’s bei uns nicht, und immer Neues kam hinzu, schon wurde ein starkes Seil ausgespannt, und schon stand Blodwen in einer Ecke, die Füße oben an der Wand und den Kopf nach unten …
Am 14. Juni gegen Abend, die See war fast spiegelglatt, ließ ich Segel reffen, sie faßten auch kaum den schwachen Wind, und ließ Bootsmanöver vornehmen, die Matrosen mußten in den verschiedenen Booten pulen, Heizer und alles mußte heran, auch der Schiffsarzt.
Ich selbst kommandierte das Ganze von Deck aus, hatte ja überhaupt etwas ganz anderes vor, und Blodwen wußte schon Bescheid.
Ich will hier keine genaueren Bestimmungen geben, sondern nur sagen, daß wir uns auf dem elften Breitengrade befanden, gegen dreihundertfünfzig Seemeilen von der Küste entfernt.
Hier zeigte die Karte nämlich eine ausgedehnte Untiefe mit felsigem Boden, zwanzig bis fünfundzwanzig Meter unter der Meeresfläche gelegen.
Peilung mit dem eingefetteten Lot, an dem etwaiger Sand hängen geblieben wäre, ergab die Richtigkeit dieser Angabe.
Wir hatten das gemünzte Gold zum Teil schon in die Kassetten verpackt, Blodwen und ich in aller Stille. Mit der Anzahl der Kassetten, als ich gleich fünfhundert Stück kaufte, hatte ich mich etwas verrechnet. Da kann man sich eben bei dem sehr schweren Golde grimmig irren.
Die Kassetten waren nur klein, etwa zwanzig Zentimeter lang, zehn breit und sechs hoch, und doch gingen in jede bequem 1200 Goldstücke hinein, die einem Gewichte von rund zwanzig Pfund entsprachen, so daß ich zu den 400 000 Pfund Sterling nur dreihundertundvierzig Kassetten gebraucht hätte. Doch ich hatte ja gleich einen ganzen Vorrat zu billigem Preise gekauft, und mancher hätte sich vielleicht noch mehr geirrt als ich.
Als ich Boote und Sklavenschiff so dirigiert hatte, daß wir von ihnen aus nicht beobachtet werden konnten, dafür auch an Deck und sonst gesorgt hatten, warfen wir zum Bollauge, wie die runden Fensterchen heißen, unserer gemeinsamen Kabine zwölf solcher gewichtigen Kassetten hinaus und versenkten damit 14 400 Pfund Sterling oder 96 000 Taler im Meere.
Ich hätte ganz gern noch ein paar hundertausend Taler nachgeschmissen – mir kam’s ja gar nicht darauf an, ich hatte ja noch genug von dem Zeug – aber Blodwen reizte es, ihren Schatz in kleineren Portionen über die ganze Erde zu verteilen, soweit diese mit Wasser bedeckt ist, um überall in diese nasse Tasche greifen zu können.
Nun, wie sie wollte. Es war ja ihr Geld.
Jetzt schnell an Deck geeilt und nochmals die letzte Bestimmung nach der untergehenden Sonne gemacht. Es stimmte. Ich konnte den Punkt bezeichnen, wo die Kassetten auf dem Meeresgrunde liegen mußten. Dahinab konnte auch ein Taucher gelangen, und ich dachte schon daran, mir im nächsten größeren Hafen wo so etwas zu haben war, eine Dynamomaschine zuzulegen mit einem Elektromagneten, der solch eine Kassette von zwanzig Pfund Gewicht mit Leichtigkeit herausheben mußte.
Wie ich auch sonst vorsichtig war, an manches dachte, zeigte auch, daß ich schon während der vierzehn Tage immer eine der lackierten Stahlkassetten im schärfsten Salzwasser hatte liegen lassen, und nicht die geringste Aenderung war mit ihr vorgegangen. Jene Firma hatte für viele Jahre garantiert, der Lacküberzug sei einfach unverwüstlich.
Die geographische Ortsbestimmung wurde auf zwei Zettelchen geschrieben, jeder trug das seine in einem Ledertäschchen auf der Brust, doch riet ich Blodwen, ein noch unauffindbareres Versteck zu wählen, oder lieber diese Ortsbestimmungen unvergeßlich auswendig zu lernen, so wie auch ich es tun würde.
Dieses erstemal habe ich ausführlich beschrieben, wie wir unseren Schatz nach und nach versenkten, und so wurde es immer gemacht.
SENORITA MERCEDES CALIONI, UND WIE SIE AUF DEM SEILE TANZT.
Dieses harmonische Zusammenleben, was auch besonders betreffs Blodwen und meiner galt, sollte leider gestört werden.
Am anderen Tage in aller Frühe sichteten wir ein Fahrzeug, oder vielmehr ein Schiff, eine dreimastige Bark, ganz unter schneeweißen Segeln verborgen, und wir mußten lange hinblicken, ehe wir uns überzeugten, daß dieses Schiff gar nicht so weit entfernt von uns war.
Es war nämlich eine Jacht, aber nun was für eine, eine Spielerei, ein Miniaturschiffchen, und ich will