Reise im Glück. Barbara Cartland

Reise im Glück - Barbara Cartland


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dem Earl so heftig zusetzte, daß er das Zeitliche segnete. Er hinterließ der mittlerweile fünfundzwanzigjährigen und zur gefeierten Schönheit gewordenen Dolly ein Vermögen, das es ihr ermöglichte, in London ein sehr angenehmes Leben zu führen.

      Nach ihrer offiziellen Trauerzeit hatte sie zwei oder drei flüchtige Affären mit verheirateten Männern, die sie zwar anbeteten, ihr aber keine Ehe bieten konnten.

      Und dann war sie Lord Harleston begegnet.

      Ihre Freundinnen hatten sie vor ihm gewarnt und sie nicht nur über seinen Ruf aufgeklärt, sondern ihr auch zu verstehen gegeben, die Chancen, mit ihm im Hafen der Ehe zu landen, seien gleich Null.

      »Dolly, eines muß dir klar sein«, hatte eine Freundin sie belehrt. »Er ist unerreichbar wie die Sonne und ebenso heiß man verbrennt sich an ihm die Finger, wenn man sich mit ihm einläßt! Außerdem würden sich deine allgemeinen Heiratschancen erheblich vermindern!«

      »Ich kann selbst auf mich achtgeben«, hatte Dolly erwidert, ohne zu wissen, wie viele vor ihr schon dasselbe gesagt hatten.

      Sie hatte sich bis über beide Ohren in ihn verliebt für Lord Harleston, der diesbezüglich einige Erfahrung hatte, nicht weiter überraschend. Da er aber überzeugt war, ihre Gefühle seien ebenso oberflächlich wie ihr Verstand schwach, hatte er ihr nicht einmal zugehört, als sie ihm mit Selbstmord drohte.

      Diese Drohungen waren für ihn ebenfalls nichts Neues und hatten keinerlei Wirkung auf ihn. Als er sie verließ, tat er es jedenfalls ohne Reue.

      Dolly war aber keineswegs daran gelegen, sich selbst zu vernichten. Sie hatte beschlossen, ihn zu vernichten.

      Da Princess Alexandra sich in der Gesellschaft eine einzigartige Position geschaffen hatte, war dem Prinzen und Lord Harleston klar, daß es einem Gentleman unmöglich war, sich ihren Wünschen zu widersetzen, wenn sie sich dazu entschlossen hatte, Partei für eine Frau gegen ihren Ehemann oder Liebhaber zu ergreifen.

      Nachdem der Prinz nun alles losgeworden war, wirkte er noch verlegener.

      »Selby, ich weiß, Sie haben sich geschworen, nie zu heiraten«, sagte er schließlich. »Aber Sie wissen so gut wie ich, daß Sie früher oder später einen Erben brauchen, einen Jungen, der die Jagd auf Ihren Besitzungen genießen kann ... so wie ich. Ich hoffe, ich werde im Oktober wieder eingeladen.«

      »Selbstverständlich, Sir«, murmelte Lord Harleston, während er darüber nachdachte, ob Dolly vielleicht zu jenen Frauen gehörte, denen die Natur die Freuden der Mutterschaft versagte, da sie dem Earl of Derwent, der zugegebenermaßen betagt war, keinen Sohn geschenkt hatte. Aber er würde sie nicht heiraten, auch dann nicht, wenn man Druck gegen ihn ausübte!

      Im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, als zu sagen: »Sir, ich hoffe, daß Sie Ihrer Königlichen Hoheit meinen Dank übermitteln. Ich fühle mich sehr geehrt, daß sie sich meinetwegen Gedanken macht.«

      Er konnte nur hoffen, daß man aus seinen Worten weder den Sarkasmus noch die Wut hören konnte, die er empfand.

      Der Thronfolger, dessen Einfühlungsvermögen sehr beschränkt war, schien sehr erleichtert.

      »Selby, verdammt anständig von Ihnen«, stellte er fest. »Und jetzt wollen wir von Ihren Pferden sprechen. Haben Sie die Absicht, das Derby zu gewinnen?«

      Er legte den Arm um Lord Harlestons Schulter und geleitete ihn zur Tür. Die unangenehme Unterredung war vorüber, und der Prinz konnte sich nun guten Gewissens wieder seinen Freunden widmen. Im Ballsaal angekommen, entfernte sich Lord Harleston respektvoll. Da der Prinz keinen Versuch machte, ihn aufzuhalten, verließ er Marlborough House umgehend.

      In einer kleinen, bequemen Kutsche, die er in London benutzte, fuhr er zu seinem an der Park Lane gelegenen Haus.

      Kaum hatte sein verschlafener Kammerdiener sich wieder zurückgezogen, trat Lord Harleston, der noch nicht zu Bett gehen wollte, ans Fenster. Den Blick auf die Bäume des Hyde Park gerichtet, fragte er sich, was er in dieser Situation unternehmen sollte. Er hatte zwar schon manches erlebt, aber so sehr hatte er noch nie in der Klemme gesteckt.

      So hatte er einmal, die Regenrinne entlangrutschend, aus einem im zweiten Stock gelegenen Boudoir einer Dame flüchten müssen, als deren eifersüchtiger Ehemann, der argwöhnte, daß ihm Hörner aufgesetzt wurden, unvermutet zurückkehrte.

      In Frankreich war er einmal in ein Duell verwickelt gewesen, das zum Glück nicht mit einem Skandal geendet hatte. Als flinker und guter Schütze hatte er es so eingerichtet, daß sein Schuß den Gegner nur streifte, worauf der Sekundant erklärte, der Ehre sei Genüge getan.

      Unzählige andere Male war er nur um Haaresbreite der Entdeckung und einem Skandal entgangen, doch seine jetzige Situation war anders ganz anders.

      Ihm war klar, daß ein königlicher Befehl an ihn ergangen war, der Befehl, eine Frau zu heiraten, die ihn nicht mehr interessierte und an die er nicht für den Rest seines Lebens gekettet sein wollte.

      »Was soll ich tun? Was, zum Teufel, soll ich tun?« fragte er in die Dunkelheit hinein, und dieselbe Frage verfolgte ihn, als er am Morgen erwachte.

      Noch vor dem Zubettgehen hatte er veranlaßt, daß seinem Freund, Captain Robert Ward, die Bitte übermittelt wurde, er möge sofort am Morgen zu ihm kommen.

      Lord Harleston war daher nicht weiter verwundert, als man Robert Ward meldete, während er im Morgenzimmer beim Frühstück saß.

      Captain Ward, ein gutaussehender, sympathischer Mann, hatte bei der Garde gedient, jedoch im vorangegangenen Jahr seinen Dienst quittieren müssen, um sich der Verwaltung des Familienbesitzes zu widmen, weil sein Vater todkrank war.

      Da ihn das Leben in Hampshire anödete, hielt Robert Ward sich sehr häufig in London auf, wo er in der Half Moon Street eine Wohnung hatte.

      Beim Betreten des Morgenzimmers sah man ihm an, daß er nicht viel Zeit im Bett verbracht haben konnte.

      »Was ist denn passiert, daß du mich zu dieser unchristlichen Zeit zu dir bestellst? Ich bin erst um vier ins Bett gekommen.«

      »Um vier? Dann darf ich annehmen, daß du so lange bei White’s am Kartentisch gesessen hast.«

      »Ja, ich hatte eine Glückssträhne«, berichtete Robert Ward.

      »Daß ich am Ende alles verlor, brauche ich wohl nicht eigens zu erwähnen.«

      »Ich habe dich oft genug gewarnt, die Finger davon zu lassen!« tadelte Lord Harleston ohne jegliches Mitgefühl.

      »Ich weiß, ich weiß«, winkte Robert Ward ab und nahm unaufgefordert Platz. »Aber sicher hast du mich nicht kommen lassen, um mir die Leviten zu lesen!«

      Lord Harleston enthielt sich einer Antwort, da der Butler eintrat und Captain Ward fragte, ob er zu frühstücken wünsche.

      »Um Himmels willen an Essen darf ich gar nicht denken!« lautete die Antwort. »Bringen Sie mir einen Brandy!«

      Der Butler stellte ein Glas neben ihn, goß Brandy ein und ließ die Karaffe auf dem Tisch stehen.

      Lord Harleston wartete, bis sie wieder ungestört waren.

      »Robert, ich bin in großen Schwierigkeiten.«

      »Ach, schon wieder?« Sein Freund nippte an seinem Glas.

      »Diesmal ist es sehr ernst.«

      Sein Ton ließ Captain Ward sein Glas auf den Tisch stellen und den Hausherrn besorgt ansehen.

      »Selby, hast du etwas angestellt? Ich dachte, du seist im Moment ganz frei.«

      »Das war ich bis gestern abend.«

      Captain Ward zog erstaunt die Brauen hoch.

      »Geht es um Marlborough House?«

      »Ja, genau.«

      Robert Ward schenkte Brandy nach.

      »Dann sag mir, was sich zugetragen hat! Gottlob ist der Brandy ausgezeichnet. Langsam regen sich meine Lebensgeister


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