Rübezahl: Die beliebsten Sagen & Märchen vom Berggeiste aus dem Riesengebirge (Illustriert). Rosalie Koch

Rübezahl: Die beliebsten Sagen & Märchen vom Berggeiste aus dem Riesengebirge (Illustriert) - Rosalie  Koch


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Der Fremde ging nun mit ihr in das Häuschen, wo Susy schon rüstig aufgeräumt, das Bett des Kranken aufgemacht und die Fenster geöffnet, um dem Staube freie Bahn zu geben, den sie jetzt mit flinker Hand ausfegte. Der Kräutersammler sah ihr wohlgefällig zu. „Ist das Eure Tochter?“ fragte er Else, die ihm einen Sessel brachte, den sie zuvor sauber mit der Schürze abgewischt hatte.

      „Nein, lieber Herr!“ antwortete diese, „es ist meiner Schwägerin Kind aus Böhmen, eine Waise, und erst seit gestern bei uns!“

      Mittlerweile hatten Susy und der Ohm den Eintretenden verwundert angeschaut; Susy nahm ihm dienstfertig die schwere Blechkapsel vom Rücken und war so flink und gewandt, das es eine Freude war, ihr zuzusehen. Der Fremde nahm nun aus seiner Büchse ein Büschel grünen, starkriechenden Krautes, hieß Else dies kochen und die lahmen Glieder des Kranken damit waschen, — wollte aber keine Belohnung dafür annehmen und nur ein Stündchen in der Hütte ausruhen. Susy war nun wieder rasch bei der Hand, die Kräuter zu kochen und den Umschlag zu bereiten, und fragte, als sie damit fertig war, was sie nun schaffen solle?

      „Kannst du spinnen, mein Kind?“ fragte die Base; aber darauf schüttelte das Mädchen den Kopf. „Nun, so will ich es dich lehren,“ sagte Else, und aufmerksam trat jene hinzu.

      Aber der Fremde sprach: „Ich will das Mädchen eine leichtere Art zu spinnen lehren, als ihr da mit der Spille habt; sie soll bald schneller als ihr, gutes Mütterchen, die volle Weise an die Wand hängen können.“ Ungläubig lächelte Else, doch schon nach wenig Stunden kam der Kräutersammler mit einem Spinnrädchen zurück, dessen Gebrauch den armen Köhlerleuten noch ganz unbekannt war, zeigte der aufmerksamen Susy, wie man den feinen Faden um die eiserne Spille rollen müsse und machte ihr dann mit der kleinen schnurrenden Maschine ein Geschenk. Er sagte ihr noch, daß er ihr einen andern Garnhändler zuschicken wolle, der das Garn besser bezahle, und entzog sich dann rasch dem Danke der Familie, die ihren unbekannten Wohltäter im dichten Walde verschwinden sah.

      Susy spann vom Morgen bis zum Abend, sang ein böhmisches Liedchen dazu und drehte das Rädchen so flink, daß Else und der Ohm ihr mit Verwunderung zuschauten. Das Garn flog nur so auf die Spule, und niemals riß der Faden der fleißigen Spinnerin. So ging es einige Zeit; der Kräutersammler kam nicht wieder, und auch der fremde Garnhändler, der nun jeden Sonnabend kam, um das Gespinst zu kaufen, kannte ihn nicht, obgleich er sagte, der Kräutersammler habe ihn hierher gewiesen. Mit dem Kranken wurde es von Tage zu Tage besser, bald konnte er die gelähmten Glieder wieder bewegen und erlangte endlich, durch die wunderbaren Heilmittel des fremden Kräutersammlers, seine völlige Gesundheit wieder.

      Nun schnitzte und künstelte er so lange, bis er für Else ein ähnliches Rädchen zusammengesetzt hatte, die nun mit ihrem Lieblinge um die Wette spann und jetzt schon jede Woche einige Groschen zurücklegen konnte; so mehrte sich ihr Verdienst. Vater Bieder beschäftigte sich damit, Spinnrädchen zu bauen, da ihm das erste so gut gelungen war, und er konnte gar nicht genug davon fertig machen, so sehr fragte man danach und bezahlte diese neue Erfindung so gut, daß schon eine Art Wohlstand in die arme kleine Hütte einkehrte, durch den Fleiß und die Sparsamkeit ihrer Bewohner.

      Jetzt gab es Mutter Else auch nicht mehr länger zu, daß ihr liebes Pflegetöchterchen auf dem Heu schlafe, und sie ging mit der ersparten Barschaft nach der Stadt auf den Jahrmarkt, um ihr heimlich ein Federbett zu kaufen. Aber die kleine Summe reichte dazu nicht aus, und betrübt stand die gute Alte, als ihr plötzlich im dichtesten Menschengedränge der Kräutersammler begegnete. Sie hielt ihn sogleich fest bei der Hand, erzählte ihm, daß ihr Mann gesund geworden sei, und dankte ihm tausendfach für seine Hilfe; eben wollte sie ihm sagen, wie fleißig ihre liebe Susy sei — da war er spurlos vor ihren Blicken entschwunden, und sie hielt statt seiner Hand eine kleine lederne Börse fest, die genau jene Summe enthielt, die ihr zum Ankaufe des Bettes noch gefehlt hatte.

      Wer könnte das Staunen, aber auch die Freude der guten Else beschreiben! Sie kaufte nun fröhlich ein, und ein junger Landmann, den sein Weg an Elses Hütte vorüberführte, nahm diese samt dem Federbett mit auf seinen Wagen nach Hause. Susy saß eben am offenen Fenster, drehte ihr flinkes Rädchen und sang eins ihrer vaterländischen Liedchen, als der junge Bauer vor dem Häuschen hielt und verwundert dem hellen Gesange der emsigen Spinnerin zuhörte. Aber kaum bemerkte das Mädchen die Ankunft der Base, als sie fröhlich herausgesprungen kam und sogleich Hand anlegte, das Bett in das Haus zu tragen.

      Peter bot freiwillig seine Hilfe dazu an und konnte sein Auge von der flinken, blühenden Dirne kaum mehr abwenden. Seine Pferde mußten lange vor der kleinen Hütte stehen; denn die dankbare Else nötigte ihn in die Stube hinein, und auf seine Bitte mußte Susy das Lied noch einmal singen, in dem sie durch die Ankunft der Base gestört worden war. Als der junge Bauer endlich zögernd Abschied nahm, dachte er, wie glücklich er sein würde, wenn einmal solch eine fleißige, muntere Dirne sein Weib würde. Vater und Mutter waren ihm gestorben, und sein schönes Bauerngut kam ihm jetzt recht einsam und öde vor. — Kurz, nach wenig Wochen ging er in seinem Sonntagsstaat zu dem alten Bieder und warb um Susy. Er war ein guter, ordentlicher Bursche, den das Mädchen wohl leiden mochte, darum erhielt er ihre freudige Zustimmung unter der Bedingung, daß sie ihre liebe Pflegeeltern mit in die neue Heimat bringen dürfe, um sie nun erst recht zu pflegen und ihre Liebe dankbar vergelten zu können.

      Darin willigte Peter mit Freuden, und die Hochzeit ward auf das Osterfest festgesetzt. An demselben Tage, wo die arme Susy vor einem Jahre verwaist und trostlos aus ihrer Heimat gegangen war, sollte sie in das neue, schöne Besitztum einziehen, darin ihrer ein sorgenfreies Leben wartete.

      Nur ein Gedanke verkümmerte Susys Freude über ihr Glück; sie war so gar arm und konnte nicht einmal einige Webe Leinwand, wie es wohl unter den Dirnen Sitte ist, in die neue Wirtschaft mitbringen. So fleißig sie auch gesponnen hatte, immer hatte sie das Garn verkaufen müssen, um den Unterhalt davon zu bestreiten und einen neuen Anzug für sich und die Eltern zu kaufen. Sie war recht traurig darüber und stützte gedankenvoll den Kopf in die Hand; da pochte es leise an die Scheiben des Fensterleins, und der fremde Garnhändler nickte ihr freundlich zu. Als sie aber hinausging, war der verschwunden, und im Hausflur lagen sechs Ballen der schönsten Leinwand; „der fleißigen Susy zum Brautschatz“, stand auf einem Zettel, der darauf lag.

      Wer da die überraschte Braut gesehen hätte, wie sie, weinend vor Freude, bald der Base, bald dem Alten um den Hals fiel und wie ein Kind jubelte, der hätte die Armut um ihr schönes Vorrecht beneidet, aus dem kleinsten Glücke eine Fülle der Freude zu ziehen. — Susy schnitt und nähte nun fleißig; der Garnhändler aber kam nicht mehr wieder. Man gedachte seiner wie des Kräutersammlers mit heißem Danke.

      So war der Hochzeitstag herangekommen, der ganz still begangen ward; doch als Susy an der Hand ihres Bräutigams aus der Kirche kam, in anspruchsloser Schönheit, die blühende Myrte im kunstvoll geflochtenen Haar, — als alle Zuschauer Peters Glück priesen, der eine so sittige, gutherzige und fleißige Hausfrau heim führe, — da stand plötzlich der Kräutersammler vor dem Brautpare und reichte Susy einen frischen, blühenden Strauß, indem er sprach:

      „Fleiß, Gottvertrauen und Demut sind die beste Aussteuer eines Weibes, mehr wert als Tausend Gulden — Dieser Strauß wird nie welken, so lange du diese drei Dinge besitzest, und du wirst dabei glücklich sein.“ — Nach diesen Worten zerfloß die Gestalt des Kräutersammlers in Luft, und „Rübezahl“ scholl es durch die ganze Versammlung, denn der Berggeist und kein anderer war der in wechselnden Gestalten erschienene Freund gewesen.

      Der Musterreiter.

       Inhaltsverzeichnis

      Rübezahl saß eines Tages oben auf dem Grubenstein, der Rübezahls Kanzel genannt wird, und sah hinunter auf die Welt, und dachte dies und jenes. Da kamen drei Reisende über die Sturmhaube auf die Schneegruben zu, und Rübezahl merkte bald aus ihrem Gespräch, daß es Kaufleute waren, so eine Art von Hausierern, die man heutzutage Musterreiter nennt.

      „Worin reiset ihr denn?“ fragte der eine; „in Fischtran,“ erwiderte der andere; „und ich,“ fuhr der erste fort, „reise in Wagenschmiere.“


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