Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman. Toni Waidacher
herausgehalten.
»Auf die Burschen werd’ ich allerdings ein Auge haben müssen«, sagte Max. »Auch wenn ich damals keine Beweise gefunden hab’, bin ich mir fast sicher, daß die zwei net die Unschuldslämmer sind, für die sie sich ausgeben.«
Sebastian Trenker nickte. Er wußte, was sein Bruder meinte.
Während der Kirchweih im letzten Jahr, war es in dieser Umge-bung von St. Johann wiederholt zu Einbrüchen und Diebstählen gekommen. Der Verdacht war gleich auf die Kaiserbrüder gefallen. Mehrmals waren sie in unmittelbarer Nähe der Tatorte gesehen worden. Allerdings gelang es dem Polizeibeamten nicht, sie zu überführen. Anton Kaiser gab an, daß seine beiden Söhne zu den fraglichen Zeiten im Wohnwagen der Eltern gewesen wären, und seine Frau bestätigte diese Aussagen. Der alte Schausteller wetterte über den ungeheuren Verdacht gegen seine Familie und sprach von Vorurteilen, die man gemeinhin gegen Leute seines Berufsstandes habe.
Natürlich waren diese Vorwürfe gegen Max Trenker absurd. Der Bruder des Bergpfarrers empfand gegenüber niemandem irgendwelche Vorurteile und was er tat, um die Diebstähle aufzuklären, ge-schah ganz legal im Rahmen seiner Dienstvorschriften.
Aber die Beweise reichten eben nicht aus, und es stand Aussage gegen Aussage.
Daß die Einbruchsserie indes endete, nachdem die Kirchweih zu Ende war, und die Schausteller weitergezogen waren, gab ihm schon zu denken.
»Hoffen wir, daß es diesmal net zu neuen Diebstählen kommt«, sagte Sebastian Trenker.
*
Am ersten Abend war recht früh Schluß. Die meisten Besucher mußten am nächsten Morgen wieder früh aus den Federn und konnten es sich nicht leisten, lange zu feiern. Sepp Reisinger, der Festwiesenwirt, war dennoch zufrieden mit dem Umsatz. Es war reichlich Bier geflossen, und von den gegrillten Hendln waren keine mehr übriggeblieben. Während der Wirt und seine Angestellten aufräumten, saßen nur noch ein paar Schausteller im Zelt und tranken ihr Feierabendbier. Auch Tobias und Wolfgang Kaiser waren noch hereingekommen, nachdem sie ihre Geschäfte geschlossen hatten.
Die beiden Brüder teilten sich das kleine Familienunternehmen. Tobias hatte die Schießbude übernommen, sein Bruder verkaufte Lose. Anton Kaiser und seine Frau, Maria, fuhren eigentlich nur noch aus Gewohnheit mit über die Plätze. Der Senior war schon Mitte Sechzig, Maria Kaiser nur knapp drei Jahre jünger als ihr Mann. Sie saß ebenfalls in der Losbude und teilte die Gewinne aus.
Die Kaiserbrüder hatten sich bereits von den anderen Schaustellern hingesetzt und steckten die Köpfe zusammen.
»Wolln wir gleich heut’ nacht unser Glück versuchen?« fragte Wolfgang grinsend.
Er war der ältere der beiden, vor zwei Monaten gerade dreißig Jahre alt geworden. Allerdings sah er wesentlich älter aus. Das Haar war schon dünn und fiel bereits aus. Und man sah ihm an, daß er gerne aß und trank. Der Umfang seines Bauches war beeindruckend.
»Ich weiß net«, gab Tobias zurück. »Vielleicht sollten wir erst einmal abwarten. Morgen ist Freitag, da bleiben die Leut’ länger und schlafen schließlich fester, wenn sie dann daheim sind. Denk’ nur daran, wie’s letztes Jahr war. Der Polizist war uns ziemlich dicht auf den Fersen.«
Tobias war der besonnenere der zwei Brüder. Fünf Jahre jünger als Wolfgang, war er deutlich schlanker und hatte eigentlich ein umgängliches Wesen. Allerdings stand er sehr unter dem Einfluß des Älteren und ließ sich immer wieder von ihm mitziehen und anstiften.
»Dann laß uns was anderes unternehmen«, schlug Wolfgang vor.
Wieder grinste er schief.
»Was meinst’ denn?« wollte Tobias wissen.
Sein Bruder kratzte sich am Kinn.
»Ich hab’ schon lang’ kein richtiges Stück Fleisch mehr zu beißen gehabt«, antwortete er. »Hast’ net auch Lust auf einen schönen Rehbraten?«
»Du meinst...Wildern?«
Wolfgang stieß ihn an.
»Pst! Net so laut. Braucht doch net jeder zu hörn, wovon wir reden«, sagte er.
Tobias beugte sich zu ihm hinüber.
»Aber..., das ist doch gefährlich«, wandte der Jüngere ein.
»Pah, net gefährlicher, als in ein Haus einzusteigen oder ein Huhn zu stibitzen. Wenn s’ uns erwischen, sind wir eh’ dran.«
Er nahm seinen Bierkrug und leerte ihn.
»Also, was ist? Machst’ mit?«
Tobias zuckte die Schultern. Was blieb ihm anderes übrig? Erstens tat er immer, was der Bruder sagte, zweitens hatte Tobias recht. Der Speisezettel war wirklich recht mager. An drei Tagen in der Woche gab es Nudeln, weil sie billig waren und satt machten. Schließlich irgendwelche Eintöpfe, und Fleisch, wenn es hoch kam, vielleicht zweimal im Monat. Alles in allem keine rechte Kost für gestandene Mannsbilder.
Wolfgang wandte sich um.
»Zahlen«, rief er.
Sepp Reisinger kam herüber.
»Schon gut«, sagte der Gastwirt, »das geht aufs Haus.«
»Dank’ schön, Sepp. Dann noch einen schönen Abend«, nickten die beiden und verließen das Zelt.
Über dem Festplatz lag Ruhe Die meisten Schaustellerfamilien waren schlafen gegangen, nur in wenigen Wohnwagen brannte noch Licht. Auch Anton Kaiser und seine Frau schliefen schon. Wolfgang und Tobias, die zusammen in einem Wagen wohnten, öffneten die Tür und stiegen ein. Drinnen zogen sie sich um. Dunkle Jacken und Hosen, Wollmützen, die sie aufsetzten und weit bis in die Stirn schoben.
Rechts und links befanden sich die Betten. Sie waren hochgebaut, darunter gab es Schränke, in denen man allerhand verstauen konnte. Wolfgang öffnete eine Schiebetür unter seinem Bett und kramte in dem Schrank herum. Nach einer Weile kam er ächzend wieder hoch. In den Händen hielt er einen länglichen Gegenstand, der in eine Wolldecke gewickelt war. Sie war mit einer Schnur zusammengebunden. Der Schausteller wickelte den Gegenstand aus, der sich als ein Jagdgewehr entpuppte. Sorgfältig überprüfte er die Waffe, griff dann noch einmal in das Versteck und holte eine Schachtel Munition hervor.
»Können wir?« fragte er seinen Bruder.
Tobias nickte. Sie löschten das Licht und stiegen aus dem Wagen. Nachdem sie die Tür verriegelt hatten, schlichen sie sich durch die Büsche am Rande der Festwiese. Ihr Ziel war der Ainringer Wald.
*
Christel Ottinger saß draußen vor dem Wohnwagen und machte die Abrechnung vom Vorabend. Seufzend schaute sie in die kleine Geldkassette, in der sich nur ein paar Münzen und wenige Scheine befanden. So gut, wie sie gehofft hatte, war das Geschäft am ersten Tag der Kirchweih in St. Johann nicht gewesen.
Na ja, vielleicht wird’s heute ja besser, dachte sie und trug die Einnahmen sorgfältig in das Kassenbuch ein.
Die Tür des anderen Wohnwagens wurde geöffnet, und ihr Vater kam heraus.
»Guten Morgen, Christel«, sagte er und setzte sich. »Gibt’s Frühstück?«
»Gleich«, sagte das Madl und nahm die Geldkassette und das Kassenbuch. »Kaffee ist schon fertig, ich deck’ schnell den Tisch.«
Christel eilte in ihren eigenen Wohnwagen und richtete Brot, Butter und Aufschnitt auf einem Tablett her. Nachdem sie Geschirr und Bestecke hinzugelegt hatte, ging sie wieder nach draußen. Karsten Steiner war inzwischen ebenfalls aufgestanden und saß schon an dem Tisch, unter dem Vorzelt.
»Grüß dich«, sagte Christel und reichte dem Gehilfen das schwere Tablett. »Ich muß nachher gleich ins Dorf, Vater. Die Vorräte gehen zu Ende. Brauchst du auch was, oder du vielleicht, Karsten?«
Die beiden Männer schüttelten die Köpfe.
»Wie war’s denn gestern, mit dem Geschäft?« erkundigte sich Wenzel Ottinger, während er seinen Kaffee schlürfte.