Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman. Toni Waidacher
auch net anders zu erwarten.«
Karsten Steiner äußerte sich nicht dazu. Seit er beim Ottinger-Wenzel angestellt war, hatte er mitbekommen, daß mit dem Kinderkarussell nicht das große Geld zu verdienen war. Sein Gehalt war dem entsprechend auch eher mager, und wahrscheinlich hätte er sich längst nach einer besser bezahlten Stelle umgeschaut, wenn da nicht die Tochter seines Chefs gewesen wäre, auf die der Bursche, von Anfang an, ein Auge geworfen hatte.
Er hatte sich Zeit gelassen und abgewartet, ehe er damit begann, der hübschen Christel Avancen zu machen. Allerdings biß er bisher auf Granit. Die junge Frau wehrte seine Annäherungsversuche schmunzelnd ab und gab ihm zu verstehen, daß er nicht der Mann war, der ihr Herz ansprach.
Karsten hingegen liebte Christel Ottinger mit Haut und Haaren, und in den einsamen Stunden, wenn er in seinem Bett lag und das Schnarchen des Alten von der anderen Seite her hörte, dann stellte er sich vor, wie schön es wäre, zusammen mit Christel das Fahrgeschäft zu führen. Dabei träumte er sogar noch kühnere Pläne. Längst hatte er erkannt, daß die Kinder andere Attraktionen wollten, und im Geiste sah er sich schon als Besitzer eines großen, modernen Karus-
sells. Damit würden er und Christel nicht mehr die kleinen Festplätze abklappern, sondern auf richtigen Volksfesten, wie den Münchener Wiesn das große Geld machen. Einen großen Wohnwagen würden sie haben, in dem sie gücklich sein konnten.
Aber dazu mußte er sie erst einmal erobern und davon überzeugen, daß er das Zeug zu etwas Großem hatte und in der Lage war, ihr etwas zu bieten. Doch der gestaltete sich schwieriger, als er zu Anfang geglaubt hatte.
»Möchtest noch Kaffee?«
Christels Frage unterbrach seine Träumereien. Karsten blickte überrascht auf.
»Was hast’ gesagt?«
»Ob du noch Kaffee willst?«
»Ja, danke schön«, nickte er und hielt ihr seinen Becher hin.
Die Tür des Nachbarwohnwagens wurde geöffnet. Anton Kaiser hatte das Gefährt unmittelbar neben dem von Wenzel Ottinger abgestellt, wohlwissend, daß der andere sich ganz bestimmt nicht darüber freuen würde.
»Grüßt euch«, rief er zu Christels Erstaunen herüber.
Sie erwiderte den Gruß, während ihr Vater nur brummelnd nickte. Anton kratzte sich den Bauch und wandte sich grinsend ab.
»Ich fahr’ dann jetzt«, sagte Christel, nachdem sie das Frühstücksgeschirr abgeräumt hatte.
Sie schaute ihren Vater eindringlich an.
»Geh’ ihm einfach aus dem Weg«, bat sie, mit einem Kopfnicken zum Nachbarn.
Wenzel verzog das Gesicht, erwiderte aber nichts auf die Bitte seiner Tochter.
»Wir müssen ein paar Glühbirnen auswechseln«, wandte er sich an Karsten Steiner.
Der Gehilfe hatte sich schon erhoben.
»Mach’ ich, Chef«, antwortete er und warf Christel einen sehnsüchtigen Blick hinterher.
Die hatte sich in den PKW gesetzt, der sonst ihren Wohnwagen zog, und fuhr vom Platz. Bis ins Dorf war es nicht sehr weit, aber die Vorräte, die eingekauft werden mußten, konnte sie nicht alle zurücktragen.
Trotz der gestrigen Auseinandersetzung, die ihr Vater mit Anton Kaiser gehabt hatte, und der geringen Einnahmen des ersten Tages, war die junge Frau zuversicht-
lich. Heute, am Freitag, begann
das eigentliche Wochenende. Da hatten mehr Leute Zeit, zur Kirchweih zu gehen, und das Wetter schien auch zu halten. Jedenfalls strahlte die Sonne vom blauen Himmel.
Während sie nach St. Johann hineinfuhr, dachte Christel an Karsten Steiner. Natürlich hatte sie seinen Blick bemerkt, und daß er sie liebte, war für sie keine Neuigkeit mehr. Doch mehr als Sympathie konnte sie einfach nicht für ihn empfinden. Dabei sehnte sie sich schon manchmal danach, von einem Mann geküßt zu werden. Aber viele Möglichkeiten jemanden kennenzulernen, gab es in ihrem unsteten Leben nicht.
Gewiß, unter den Schaustellerkollegen gab es schon ein paar attraktive Burschen, und man begegnet sich immer wieder. Aber oft waren sie schon vergeben. Außerdem hatte Christel unter ihnen noch keinen getroffen, von dem sie auf den ersten Blick gewußt hätte, daß er ihr Traumprinz war.
Seufzend lenkte sie den Wagen auf den Parkplatz vor dem kleinen Supermarkt und stieg aus.
Wer weiß, dachte sie, vielleicht ist’s mein Schicksal, als alte Jungfer zu sterben...
Allerdings mußte sie bei diesem Gedanken dann doch schmunzeln. Sie war jung, und bis dahin lag noch ein ganzes Leben vor ihr.
Warten wir also ab, was dieses Leben noch für Überraschungen für mich bereit hält, ging es ihr durch den Kopf, während sie eine Münze für den Einkaufswagen aus der Geldbörse holte.
*
Karsten Steiner hatte die Glühbirnen ausgewechselt, und Wenzel Ottinger überprüfte, ob die bunten Lichter jetzt wieder vollständig brannten. Zufrieden schaltete er sie aus und schlurfte zum Wohnwagen zurück, den er und sein Gehilfe bewohnten.
»Chef, kann ich einen Vorschuß haben?« fragte Karsten ihn.
Wenzel war erstaunt. Es kam selten vor, daß der Bursche um Vorauszahlung auf sein Gehalt bat. Warum sollte er auch? Miete brauchte Karsten Steiner nicht zu zahlen und Verpflegung gab es auch. Geld auszugeben, dazu hatte er selten Gelegenheit. Außerdem wußte Wenzel, daß sein Angestellter jeden Cent sparte, deshalb war es schon verwunderlich, daß er einen Vorschuß wollte.
Der Schausteller nickte dennoch.
»Wieviel brauchtst’ denn?«
Karsten zuckte die Schultern.
»Ich denk’, hundert Euro reichen«, antwortete er.
Wenzel nickte wieder und stieg in den Wohnwagen. Drinnen nahm er die Geldkassette aus dem Schrank, zählte die Scheine ab und reichte sie Karsten.
»Dank’ schön, Chef«, sagte der und steckte das Geld in die Hosentasche.
»Verlier’s net«, mahnte der Alte ihn. »Was hast’ denn damit vor?«
Karsten Steiner wirkte verle-
gen.
»Die Christel hat doch im nächsten Monat Geburtstag«, antwortete er. »Ich wollt’ ihr eine Freud’ machen...«
Wenzel war verblüfft.
»Für hundert Euro?« fragte er. »Was willst’ ihr denn schenken«
Die beiden Männer setzten sich unter das Vordach, wo gegessen wurde, oder sich ausgeruht, bevor am Nachmittag das Geschäft begann.
Karsten sah seinen Arbeitgeber zögernd an.
»Ich..., ich hab’ an einen Ring gedacht«, erwiderte er schließlich und spürte, daß er feuerrot anlief.
Wenzel Ottinger schmunzelte. Daß sein Gehilfe ein Auge auf die Christel geworfen hatte, das wußte er schon seit langem. Allerdings hatte er seiner Tochter gebenüber bisher kein Wort darüber verloren. Wenzel wollte sich da nicht einmischen. Er mochte den stets zu einem Scherz aufgelegten jungen Mann und hätte nichts dagegen gehabt, wenn der sein Schwiegersohn würde.
Überhaupt machte er sich seit geraumer Zeit Gedanken darüber, wie es weitergehen sollte. Mit dem Geschäft, mit Christel und überhaupt. Schließlich lebte er nicht ewig, und mehr als das Karussell hatte er nicht zu vererben. Da wäre es schon gut, zu wissen, daß die Tochter einen tüchtigen Mann zur Seite hatte, der etwas von dem Geschäft verstand. Und ein bissel was auf der hohen Kante hatte der Karsten ja auch.
»Mußt net verlegen werden«, schmunzelte der Ottinger. »Von mir aus kannst du die Christel haben. Ich hab’ nix dagegen.«
Der junge Bursche schluckte vor Aufregung.
Er hatte lange überlegt,