Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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kehrte sie nach dem Turmzimmer zurück und fand dort abermals den Doktor vor mit einem ähnlichen Bande, wie den bereits gebrachten.

      Er übergab ihr denselben feierlichst als den letzten Teil der Chronik des Hauses Falkner, in den sie jetzt das Datum des Todes ihres Vorgängers im Falkenhofe einzutragen und ihre eigene Autobiographie zu beginnen hatte, die fortgeführt werden mußte, bis ihr Nachfolger die Reihe der Blätter, die von ihr Kunde geben sollten, schloß. Dieser Band blieb von nun an in ihrem Besitz, bis sie selbst den Ahnen des Hauses angehörte, und ein goldener Schlüssel, der das Buch doppelt schloß, ward von nun an ihr Eigen. So wollte es das Hausgesetz der Falkner seit alten Zeiten, und drüben in der Bibliothek standen aufgereiht die Bände, die Kunde gaben, oft in wunderlichen Schriftzügen von den Falkners, besser als Stammbäume es können.

      Dolores nahm diesen Band mit einem Gefühl der Ehrfurcht entgegen, denn seine noch unbeschriebenen Blätter enthielten ja schon ihre Geschichte bis zu dem Tage, da eine andere Hand wiederum das Datum ihres Todes darein eintragen würde. Dabei legte sie das Missale und das Medaillon seitwärts auf ihren Schreibtisch – sie wollte vorläufig nicht davon sprechen, ihren Fund nicht bekannt geben. Allein das scharfe Auge Ruß' entdeckte die Gegenstände sogleich.

      »Welch' köstliches altes Buch haben Sie da?« fragte er, und setzte hinzu: »Verzeihen Sie einem Archäologen die zudringliche Frage!«

      »Es ist ein Gebetbuch,« entgegnete Dolores kurz. »Ich zeige es Ihnen ein andermal!«

      Dagegen war nichts zu machen, und Ruß war zu klug, um seine Neugier sofort befriedigen zu wollen. Er warf daher noch einen scharfen Blick auf das alte Buch – die Kapsel vermochte er schwer zu unterscheiden, wünschte Dolores »Gute Nacht« und entfernte sich.

      Als sie allein war, schlug sie den älteren Band der Chronik, den Ruß mit einem Zeichen versehen hatte, an der betreffenden Seite auf. Links stand in steifer, ungelenker Handschrift ein Todesdatum verzeichnet, rechts begann dieselbe Handschrift weiter zu schreiben, und Dolores las wie folgt:

      »Heut' am 15. des Mayen, anno domini 1618, zwo Tage nach dem Tode meines Herrn Vatters trat ich, der Freyherr Ferdinand von Falkner, mein Erbe auf dem Falkenhofe an. Gott gebe mir Seinen Segen dazu.

      Die Beysetzung meines Herrn Vatters war fein und pomphafft, wie es sich vor einen Falkner ziemt, und außer einer großen Menge frembder Damen und Kavaliere waren von der Sippschaft gegenwärtig meine Frau Mutter, die verwittibte Freyfrau, ich, der regierende Freyherr, mein Herr Bruder Lupold, Kayserlicher Reuter-Hauptmann, mein Herr oncle, der Freyherr Robert, und Maria Dolorosa, dessen wunderholtes Töchterlein, deren Frau Mutter eine Hofjungfer der Königinn in Hispanien gewesen, dahero sie ihre dunklen Augen hat, wohingegen ihr roth Gelock an ihre teutsche Abstammung gemahnt. Ich sahe den Oheim wenig bis dato, sein Töchterlein nie, aber mein Bruder scheint sehr bekannt mit ihnen von seinem Aufenthalt in Wien her, allwo sein Regiment steht, allwo der Oheim wohnt und Maria Dolorosa Hofjungfer ist bey der teutschen Kayserinn, von wegen der Hispanisch-Habspurgischen Blutverwandtschaft.«

      Diesem Bericht fügt der Schreiber eine genaue Beschreibung der Beisetzung hinzu und fährt dann fort:

      »Am letzten May, dasselbe Jahr. Wir alle von der Familie sind noch beysamm, auf meine Bitt, dieweil ich mein Herz verloren an meine schöne Bas. Darob freut sich meine Frau Mutter sehr, und sprach davon mit dem Freyherrn Robert, und der verschwur sich hoch und teuer, keine andre als sein Töchterlein solle Herrin werden auf dem Falkenhof. Dazu sag' ich Amen, denn ich schwur dasselbe schon vor ihm.

      Am Tage darauf. Warum nur wollen Weiberherzen so schwer gewonnen werden? Warum nur sprühen Funken aus den Augen der schönen Base, wenn ich ihr süße Worte flüstere? Wohl, ich will um sie freien, langsam und trew, wie sie es will.

      Mitte Junii. Ich möchte schier verzweiffeln – warum nur will meine Werbung nicht fruchten?

      Am 20 Junii. Heut' ward sie mir verlobt, aber sie sah finster dabey drein. Warum? Ist doch eine schöne Sach', Herrin zu werden im Falkenhoff. Und über vier Wochen ist die Hochzeit! Der Oheim will nicht die weite Reise machen bis Wien, und Maria Dolorosa bleibt unter dem Schutze meiner Mutter bis zum Hochzeittag. Und Lupold ward abgesandt, es der Frau Kayserinn in der Hofburg zu melden, und ihre Erlaubniß zu holen zur Vermählung auf daß die hohe Frau sie freigebe aus ihrem Dienst.

      Am 30 Junii. Wir rüsten auf den frohen Tag. Wie ist mein Bräutchen so schön – es malt sie ein Herr Maler aus der Residenz im Brautgewand und Jungfernkranz, ich meine, das Bild wird gar ähnlich. Der Maler ward eigentlich beordert, mein Conterfey zu nehmen, aber sie ist doch ein schöner Modell, und auch ein Hofmaler zu Wien soll sie gebannt haben auf Elfenbein, und ich bat sie um das Bild. Da erröthete sie tief – tiefer als ich's je gesehen und sagte schnell, das Bild sei in Wien verblieben. Und ihr Herr Vatter sagte, es sey eine copia davon genommen worden. Zum Unglück ist die auch in Wien. Aber Lupold wird Alles mitbringen, was ihr gehört, wenn er zur Hochzeitfeier zurückkehrt, da wird das Kapselbild auf Elfenbein doch mein, denn das große kommt in den Ahnensaal.

      Am 19 Julii. Es ist der Vorabend meiner Hochzeit, doch um mich hängt es wie Trauerflöre und braust es wie rothes Blut, das wider mich zum Himmel schreit. Wie soll ich's sagen, was geschehen? Ich muß es dem Blatt hier anvertrauen, sonst find' ich nicht Kraft für den morgigen Tag. Heut' früh kam er an, Lupold von Wien mit der Kayserinn Erlaubniß und Hochzeitsgabe und einem Missale, schön in Samt und mit Goldklammern gebunden für Maria Dolorosa. Und – wie ich vor einer Stunde hinaus schritt zum Walde, da traf ich sie an, meine Braut, in den Armen meines leiblichen Bruders. Und wie ich zustürmte auf beide, da schrie er, daß er vermählt sei mit ihr seit Monden, heimlich in Wien, gegen den Willen ihres Vatters, der sein Töchterlein dem Manne nicht geben wolle, der nichts habe, als seinen Degen, und sie weinte und sagte, ihr Vatter wolle sie zwingen mein zu werden, obwohl er's ahne, wie es um sie und Lupold stehe, und daß sie fliehen wollten heut Nacht –! Mich aber ergriff es im Liebeswahn für die treulose, schöne Braut, und in dem Jähzorn gegen den falschen Bruder, daß ich das Schwert zog und ihm zuschrie, er müsse sich vertheidigen, wenn ihm sein Leben lieb sei – – und ich drang auf ihn ein – – und ehe er sein Schwert ziehen konnte, lag er todt und blutend am Boden – vor ihren Augen. Da ward sie furchtbar bleich und sagte nur das Wörtlein: Kain. Und da brauste es vor meinen Ohren, und ich sagte ihr, jetzt sei sie frei, und morgen wollte ich meines Bruders Wittib zum Weibe nehmen. Da warf sie sich über ihn und schrie laut auf!

      Ich weiß nicht, wie mir ist, aber um mich singt und klingt es wie des Teufels Melodien und die Buchstaben tanzen vor meinen Augen – und –

      Am 20 Julii Morgens. Der Oheim kam und sagte mir, er hätte den Leichnam entdeckt gestern Abend und Maria Dolorosa bewußtlos neben ihm, er habe ihn verhüllt mit Laub und Reisig, auf daß er erst gefunden werde, wenn Maria Dolorosa mein Weib sei. Er wolle sie schon zwingen, es zu werden, dann könne sie nicht zeugen wider mich, ihren Eheherrn. Zudem habe er geschworen, sein Kind solle Herrin werden auf dem Falkenhof. Mir graute vor dem Hehler wie mir vor dem Mörder graut, und mich schüttelt es wie im Fieber und jedwedes Vögelein scheint mir das Wörtlein Kain zuzusingen. O wie elend bin ich! Wie wird es enden?

      Fünf Stunden später. Soeben ward sie mein Weib. Man zieht aus, meinen Bruder zu suchen, den man seit gestern Abend vermißt. Keines ahnt, wie nahe ihnen der Mörder ist, sie würden ihn sonst dem Hochgerichte überliefern. Der Oheim will an einen Raub glauben machen, hat ihm abgenommen, was er an Werth besaß und mir gegeben. Darunter eine Kapsel mit sein und ihrem Bilde und dem Spruch:

      Das Band, das der Hertzen zwo Verbindet,

       Lös't keiner, ob auch das Leben Schwindet.

      Es ist gelöst – ich hab's gelöst und meines Bruders Wittib gefreit. Die Kapsel habe ich aber vernichtet mit den anderen Dingen. Und ich liebe sie doch, die schöne Falkin – bleich wie der Tod stand sie neben mir am Traualtare, mit seltsam auf mich geheftetem Blick – – still, man kommt –«

      Hier endeten die Aufzeichnungen des unglücklichen Ferdinand. Auf der nächsten Seite stand in festen, großen Schriftzügen:

      »Am 20 Julii anno domini 1618 vermählte sich der Freyherr Ferdinand von Falkner auf dem Falkenhofe mit seiner


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