Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
daheim bin.«
Sie küsste Anne, sie küsste ihren Vater und dann legte ihr Daniel den Mantel um die Schultern und führte sie hinaus.
Anne standen Tränen in den Augen. »Sie ist so tapfer, Hannes«, flüsterte sie. »Und dabei ist sie doch so zerbrechlich.«
»Das scheint nur so«, sagte Johannes Cornelius heiser. »Es wird nun doch ein Sonntagskind. Du hast die Wette verloren, Anne.«
Noch nicht, dachte Anne, aber wie gern würde sie diese Wette, die in fröhlicher Stimmung mit ihrem Mann, Katja und David abgeschlossen worden war, verlieren, wenn nur alles ohne Komplikationen abging. Was bedeuteten fünf Flaschen Champagner, wenn man einem Ereignis entgegensah, dessen glückliches Ende immer im Ungewissen lag. Allzu viel konnte geschehen, was nicht vorauszusehen war.
»Du hast Angst, Anne«, sagte Johannes Cornelius.
»Ich kann es nicht leugnen«, gab sie zu. »Fee bedeutet mir so viel, Hannes. Es klingt vielleicht theatralisch, aber sie steht mir näher als Katja.«
»Aber warum?«, fragte er.
»Es ist schwer zu erklären. Vielleicht deshalb, weil Katja nur auf David eingestellt ist.«
»Sie sind doch öfter bei uns als Daniel und Fee«, wandte Johannes Cornelius ein. »Und du hast lange um Katja bangen müssen.«
Katja, Annes Tochter aus ihrer ersten Ehe, war durch ein Lawinenunglück Monate an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Durch ihre Liebe zu dem berühmten jungen Pianisten David Delorme war sie geheilt worden von dem Schock, den sie erlitten hatte. Diese Liebe erwies sich allen gegenteiligen Prognosen zum Trotz als dauerhaft, und seit Monaten waren David und Katja ein glückliches Ehepaar. Öfter als Daniel und Fee weilten sie auf der Insel der Hoffnung, auf der sie sich kennen- und liebengelernt hatten, aber ihr Leben verlief doch in ganz anderen Bahnen als das von Daniel und Fee. Sie waren zum glanzvollen Mittelpunkt einer Gesellschaft geworden, mit der weder Johannes Cornelius und Anne, noch Daniel und Fee Norden etwas gemein hatten.
»Ich habe um Katja gebangt, solange sie mich brauchte, Hannes«, sagte Anne, »aber jetzt braucht sie mich nicht mehr.«
»Sie ist glücklich in ihrer Welt«, sagte Johannes Cornelius. »Gönnen wir ihr dieses Glück. Fee ist in ihrer Welt auch glücklich.«
»Aber diese Welt steht uns näher, Hannes. Und sie ist deine Tochter. Ich liebe sie so sehr, weil sie dir so ähnlich ist.«
Es war wohl die schönste Liebeserklärung, die ein Mann in reifen Jahren gesagt bekommen konnte, und dennoch empfand Johannes Cornelius dabei kein überströmendes Glück.
»Ich liebe Katja genauso wie Fee«, erwiderte er. »Deshalb, weil sie so unbeschwert jung und froh sein kann, Anne. Wir werden, wenn sie ein Baby bekommt, um sie genauso zittern, wie jetzt um Fee. Wir werden die gleichen Ängste haben, glaube es mir.«
»Meinst du nicht, dass sie sich mit der Zeit nicht immer weiter von uns entfernen werden, Hannes?«
Ein flüchtiges Lächeln legte sich um seinen Mund. »Wir wollen doch nicht so vermessen sein, nur Ärzte in der Familie zu haben, Anne. Für einen Künstler ist es wichtig, wenn er im Licht der Öffentlichkeit steht, für einen Arzt finde ich das nicht so gut. Ein Künstler braucht den Applaus, für einen Arzt darf solcher nicht wichtig oder erstrebenswert sein. Womit ich nicht sagen will, dass überragende medizinische Erfolge stillschweigend übergangen werden dürfen.«
Er dachte zurück an den Tag, als Anne, damals war sie noch nicht seine Frau, ihre Tochter Katja im Rollstuhl zur Insel der Hoffnung gebracht hatte.
Fast aussichtslos schien eine Heilung, um die sich schon berühmte Ärzte bemüht hatten. Anfangs war er auch manchmal nahe der Resignation gewesen, weil sie kaum Fortschritte machte, bis dann David Delorme auf die Insel kam. David hatte Katja mit seinem Klavierspiel verzaubert, und die Liebe zu ihm hatte ihr dann ungeahnte Willenskräfte verliehen. Wo ärztliche Kunst zu versagen drohte, hatte diese Liebe geholfen.
»Haben wir nicht gebangt, dass Katja von David enttäuscht werden könnte?«, fragte Johannes Cornelius leise, »fürchteten wir nicht, dass sein Erfolg ihn die kleine Katja vergessen lässt? Was machst du dir nur für Gedanken, Anne? Sie werden uns innerlich immer verbunden bleiben.«
Schlafen konnten sie jetzt ohnehin nicht, also redeten sie, um das bange Warten zu verkürzen. Dass Daniel in der Klinik bleiben würde, wussten sie.
*
Schwester Claudia hatte Nachtdienst, und Dr. Leitner war rasch zur Stelle, als ihm telefonisch Bescheid gegeben wurde, dass Daniel seine Frau brachte.
Fee zeigte noch immer eine fröhliche Miene, obwohl es ihr schon recht mulmig war. Es war alles in allem doch ganz anders als bei Dannys Geburt. Vielleicht kam es ihr nur so vor, dass die Wehen viel schmerzhafter waren.
Die Hebammenschwester Rosi, die auch bei Dannys Geburt geholfen hatte, war auch aus dem Schlaf geholt worden.
»Diesmal dauert es länger«, sagte Fee zu ihr, als sie ein paar Minuten allein waren.
»Es ist nicht immer so, dass das zweite Kind schneller kommt«, meinte Rosi, »aber allzu lange werden wir wohl nicht warten müssen. Pünktlich am Sonntag wird es auf jeden Fall sein.«
Rosi war eine resolute Person, aber mit Fee Norden ging sie doch recht sanft um, aber diesmal brauchte Daniel nicht in die Sprechstunde. Er erlebte die Stunden der Geburt mit, in der die Wehen kamen und manchmal auch minutenlang, was ihm wie Ewigkeiten dünkte, ausblieben.
»Das wird schon so ein Langweiler sein«, murmelte Fee erschöpft, als der Uhrzeiger auf die Sechs rückte. Daniel wurde es bewusst, dass sie nun bereits durch Dannys Missgeschick mit dem Bett seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen hatten.
Aber er konnte sich nicht mehr lange den Kopf zerbrechen, dass dies für Fee einfach zu viel sein könnte, denn nun ging alles plötzlich sehr schnell, und schon eine Viertelstunde später meldete sich sein zweiter Sohn mit kräftigem Gebrüll.
»Jesses, der hat vielleicht eine Stimme, so was habe ich noch nicht gehört«, sagte Schwester Rosi.
Claudia, immer zur Hilfe bereit, war im Geburtszimmer geblieben. Aber sie hatte sich ganz schweigend verhalten und sagte andächtig:
»Lieber Gott, ist der niedlich. Es ist das erste Mal, dass ich bei einer Geburt dabei war.«
»Dafür haben Sie sich aber tapfer gehalten«, stellte Dr. Leitner fest.
Daniel brachte kein Wort über die Lippen. Er küsste die Hände seiner Frau, tupfte ihr Gesicht mit einem feuchten Tuch ab und küsste dann auch ihre blassen Lippen.
»Du bist vielleicht ein Brocken«, flüsterte sie, als sie ihren zweiten Sohn betrachtete, dann fielen ihr die Augen zu. Es war doch ein bisschen viel für sie gewesen.
Mehr als sieben Pfund brachte Felix auf die Waage, und mit seinen dreiundfünfzig Zentimetern war er auch einen Zentimeter länger als sein »großer« Bruder gewesen war.
»Hoffentlich wächst er Danny nicht sobald über den Kopf«, sagte Daniel, als er sich halbwegs erholt hatte. »Jetzt muss ich aber daheim anrufen. Hannes und Anne können bestimmt auch nicht schlafen.«
»Wie wäre es denn, wenn du heimfahren und dich richtig ausschlafen würdest?«, fragte Schorsch.
»Wie wäre es denn, wenn du mir ein Lager zur Verfügung stellen würdest, damit ich halbwegs fit bin, wenn Fee erwacht?«
»Das kannst du auch haben, aber was wird Danny sagen, wenn weder Mami noch Papi zu Hause sind?«
»Omi und Opi werden es ihm schon erklären«, erwiderte Daniel. »Ich möchte bei Fee sein, wenn sie aufwacht.«
Der kleine Felix schlief längst dem werdenden Tag entgegen, als auch seinem Vater die brennenden Augen endlich zufielen. Jetzt langt es erst mal für die nächsten paar Jahre, dachte Daniel noch.
»Wollen Sie sich nicht auch noch ein paar Stunden niederlegen, Herr Doktor?«, fragte Schwester