Marken müssen bewusst Regeln brechen, um anders zu sein. Dominic Multerer
weshalb etwas an anderer Stelle nicht funktioniert. So werden Beispiele greifbar und vorstellbar. Dann ist es möglich, Vorstellungen umzusetzen.
Grenzen setzt man sich selbst
»Geht nicht« gibt’s nicht – sagte sich auch ein Arbeitsloser in Dresden. Einfach machen. Das Produkt, das er anzubieten hatte, war er selbst. Er war seine eigene Marke. Statt darauf zu warten, bis ihn jemand vermittelt, vermarktete er sich buchstäblich selbst. Statt wie alle eine gewöhnliche Bewerbungsmappe nach dem Gießkannenprinzip an Unternehmen zu versenden, ging der 28-jährige Elektroingenieur einen anderen Weg. Er gestaltete und produzierte Flyer und Plakate. Darauf war der Arbeitsuchende in der berühmten Pose von »Uncle Sam« zu sehen: eine Zeichnung eines weißhaarigen, bärtigen Mannes in einem blauen Anzug mit einem Zylinder in US-Farben und ausgestrecktem Zeigefinger. Darunter stand der Spruch: »I want you to give me a job!« Kurz und knapp schildert der Elektroingenieur, was er kann, was er möchte, was er sich an Bezahlung vorstellt und was er nicht möchte. Es hat funktioniert. In kurzer Zeit wurde er mit Angeboten überschüttet.
So einfach kann »machen« sein. Neben der Idee, sich selbst als Produkt zu sehen, kommt hier der Bruch mit Bewerbungsregeln zum Tragen. Die Aktion folgte der Philosophie des Guerillamarketings. Der Dresdner präsentierte sich seiner Zielgruppe, potenziellen Arbeitgebern, an Plätzen, wo sie kaum damit rechnen konnten, und nutzte so den Überraschungseffekt für sich. Die Story ist einfach gelungen. Mit einer klassischen Bewerbungsmappe wäre der Arbeitsuchende einer unter vielen gewesen. Hätte er eine Anzeige geschaltet, ebenfalls.
Planloses Machen
»Einfach machen« kann allerdings auch ins Chaos führen. Es gehört neben dem Bewusstsein auch ein Stück weit Überlegung im Sinne von Planung dazu. Kein Handwerker fängt planlos an. Das beginnt mit der Beschaffung des Materials und endet bei Überlegungen zur praktischen Ausführung: Wie verlege ich die Fliesen am sinnvollsten?
Im Bereich des Tourismus frage ich mich öfter, ob irgendwer von den Verantwortlichen nachdenkt. Hier findet man viele Beispiele für planloses Machen. Dabei sind touristische Ziele oder Destinationen ebenfalls eine Marke. Dessen sind sich die Entscheider vor Ort offenbar nicht immer bewusst.
Auch Destinationen sind eine Marke
Auf einen ausgeschriebenen Marketingetat werden mehrere Agenturen eingeladen, ihre Ideen und Vorstellungen zu präsentieren. Jeder Dienstleister hat seinen eigenen Ansatz und eine eigene Vorstellung zur Vermarktung der Destination. Über den Zuschlag für einen Anbieter entscheidet in der Regel ein Gremium. Das besteht aus einem Tourismuschef, dem Bürgermeister und weiteren Mitgliedern des Gemeinde- oder Stadtrates. Bestenfalls ist noch der Tourismuschef vom Fach. Alle anderen meinen, sie wären vom Fach. Schließlich hat jeder von ihnen schon öfter mal Urlaub gemacht. Neben dem fehlenden Fach- und Marketingdenken stellt sich das Kostendenken als weiteres Problem dar, zumal die Budgets für Tourismusmarketing in vielen Gemeinden kleiner geworden sind. Statt sich nun für einen Dienstleister und damit einen roten Konzeptfaden zu entscheiden, wird allen Agenturen dankend abgesagt.
Aus Kostengründen werden also anschließend die »besten Ideen« aller Agenturen in einen Topf geschmissen. Das Tourismusbüro bekommt die Aufgabe übertragen, aus den gesammelten Gedanken ein Konzept zu erstellen und das Marketing selbst zu betreiben – einfach machen. So wundert es nicht, dass es zahlreiche schlechte Beispiele für touristische Vermarktung gibt, ganz ohne einen erkennbaren roten Faden!
Es gibt aber auf jeden Fall auch erfreuliche und zukunftsorientierte Beispiele wie Sölden im Ötztal. Die Verantwortlichen haben den Ort Sölden als Marke begriffen. Das ziehen alle im Ort konsequent und auf allen Ebenen durch. Es beginnt bei der Visitenkarte, reicht über die Auto- oder Liftbeschriftung und das Gastgeberverzeichnis bis hin zum Internetauftritt. Im Netz kommen 360-Grad-Kameras, Blogs, Apps und Webcams zum Einsatz; und neben touristischen Informationen finden sich auch Jobangebote (www.soelden.com). Ideen bleiben keine Visionen. Ideen werden umgesetzt und für den Gast erlebbar. Diese Konsequenz und der Erfolg führen dazu, dass sich andere Marken als Partner anbieten. Im Falle von Sölden ist es BMW (vgl. Kapitel: Marke werden).
Die Extraportion Leistung
Ein erfolgreicher Markenauftritt zieht attraktive Partner an
Was Regelbruch, sprich den Bruch mit Konventionen, auch bedeuten kann, können Sie auch bei einem Restaurantbesuch erfahren. Wenn Sie dort ein Gericht bestellen, wird das in der Regel weit von Ihnen entfernt in einer Küche zubereitet. Weil das so üblich ist und es alle machen, ist das »die Regel«. Nun gibt es seit einigen Jahren japanische Restaurants, da wird das Essen vor lhren Augen zubereitet. Allein das ist schon eine coole Show. Weil es ungewöhnlich ist, erzählen Sie bestimmt Ihren Freunden davon. Es ist anders. Wenn Sie so wollen, ist das Kochen vor dem Gast ein Regelbruch. Mittlerweile hat sich auch in Deutschland rumgesprochen, dass es so in japanischen Restaurants zugeht. Es ist insofern bereits ein Stück weit »gelernte« Normalität. Wenn jetzt in einem Steakhaus das Fleisch vor lhren Augen zugeschnitten und dann gegrillt wird, ist das wieder ungewöhnlich. Natürlich haben die japanischen Restaurants und solche Steakhäuser auch Speisen auf ihren Karten stehen, die in der Küche vor- und zubereitet werden. Der Kick besteht aber darin, etwas mehr zu bieten, etwas mehr zu leisten als andere. Dieses Stück »mehr« Leistung differenziert bereits vom Markt. Das »Mehr« an Leistung macht etwas erlebbar. Ich mache mich damit ein Stück zur Marke. Natürlich gehört noch mehr dazu (vgl. Kapitel: Marke werden). Voraussetzung für die Extraportion an Leistung ist die innere Bereitschaft, mehr zu bringen als andere. Das gehört auch zum Entwickeln eines Bewusstseins für Marke.
Kein Medaillengewinner käme aufs Treppchen, wenn er vorher nicht bereit gewesen wäre, mehr zu trainieren – mit allen Konsequenzen. Dazu gehören Verletzungen, Schweiß, Tränen, viele Trainingsstunden, Rückschläge, aber auch Erfolge. Zum Schluss sieht das Publikum aber nur den strahlenden Sieger. Wie der Sieger auf das Podest gekommen ist, sieht keiner. Doch der Sieger weiß: Will er da bleiben, muss er wieder mehr leisten. Nach dem Spiel ist eben vor dem Spiel. Dessen ist sich jeder Sportler bewusst. Warum eigentlich nicht auch jeder Unternehmer? Vielleicht weil die Einsicht fehlt, dass jeder und alles eine Marke sein kann?! Um Marke zu sein, braucht es jedoch Bewusstsein, Charakter und ein Stück »mehr«.
Abstract
Der Anfang von allem ist das Bewusstsein für mich, mein Produkt, meinen Markt, meine Kunden und das Jetzt – also die Situation, in der sich all das befindet. Ohne Bewusstsein scheitert schon der Anfang. Dennoch reicht es nicht, nur nachzudenken. Man muss auch »machen«, sonst übernehmen andere die Kontrolle über mein Handeln. Ich reagiere dann nur noch auf das Machen von anderen.
→ Machen kommt (auch) von Macht!
→ Wer Macht abgibt, hat schon verloren.
→ Aktiv ist besser als passiv.
Zu jedem Handeln gehört ein Entschluss, die eigenen Vorstellungen umzusetzen. Planloses Handeln ohne Überlegung lässt allerdings jede noch so gute Idee scheitern. Zur Umsetzung gehört ein Plan, eine Strategie.
→ Wie gehe ich vor?
→ Was brauche ich dazu?
→ Wer unterstützt mich?
→ Wer oder was behindert mich?
→ Wie sieht mein Plan B aus?
Rückschläge kann es immer geben. Sie sind Teil des Prozesses. Durch einen Rückschlag sollte man sich nicht entmutigen lassen oder gar ans Aufgeben denken. Man kann aus Rückschlägen lernen, um noch besser zu werden.
→ Warum gab es einen Rückschlag?
→ Woran bin ich gescheitert?
→ Warum war jemand besser als ich?
Zum Machen gehört das Probieren. Das Probieren erweitert das Bewusstsein und führt zu neuen Erkenntnissen. Dabei ist es egal, ob ich einen Berg besteigen möchte oder eine Marke aufbauen will. Entscheidend ist, es zu probieren,