Dr. Daniel Staffel 6 – Arztroman. Marie Francoise
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»Ich glaube, wir können nicht mehr länger warten«, meinte Dr. Scheibler. »Anscheinend wurde Dr. Daniel aufgehalten.«
Offene Angst stand in Eva-Marias Augen. Sie fürchtete sich so schrecklich vor der anstehenden Magenspiegelung, und am liebsten hätte sie jetzt noch einen Rückzieher gemacht und zugegeben, daß das mit den Magenschmerzen überhaupt nicht stimme…, daß sie es lediglich behauptet hatte, um noch nicht entlassen zu werden. Nur die Tatsache, daß Sàndor sie dann für eine Lügnerin gehalten und wohl nie wieder angeschaut hätte, hielt sie davon ab.
Aufmerksam sah Dr. Scheibler sie an. Er erkannte, welche Angst in der jungen Patientin steckte, und mittlerweile glaubte auch er nicht mehr daran, daß sie tatsächlich simulierte. Wer würde sich schon freiwillig einer so unangenehmen Untersuchung unterziehen?
»Soll ich eine Schwester holen?« wollte er wissen. »Bianca hat Sie oben in der Gynäkologie versorgt. Sie könnte Ihre Hand halten und…«
Eva-Maria schluckte schwer. »Schwester Bianca ist sehr nett, aber in letzter Zeit…, ich meine…, meistens hat sich der junge Pfleger um mich gekümmert…, Sàndor…«
Es erstaunte Dr. Scheibler ein wenig, daß Eva-Maria gerade jetzt nach einem Mann verlangte, der nicht nur jung, sondern auch noch ausgesprochen gutaussehend war. Im ersten Moment hatte der Oberarzt gedacht, Eva-Maria wäre vielleicht in Sàndor verliebt, doch er verwarf diesen Gedanken rasch wieder. Wäre sie das tatsächlich, dann würde sie sich ihm nicht gerade in einer solchen Situation zeigen, die mehr Schwächen als Stärken widerspiegeln könnte. Auch junge Mädchen wollten dem Mann ihres Herzens doch schließlich imponieren.
»Wenn Sie zu Sàndor genügend Vertrauen haben, werde ich ihn gern holen«, meinte Dr. Scheibler.
Eva-Maria nickte nur, weil ein dicker Kloß in ihrem Hals zu stecken schien, der ihr kein Wort erlaubte. Es gefiel ihr nicht besonders, sich gerade vor Sàndor eine solche Blöße zu geben, andererseits wußte sie, daß ihr die ruhige Sicherheit, die der junge Mann zu vermitteln verstand, gerade jetzt sehr guttun würde.
Sàndor war auch wirklich sofort zur Stelle, und in seinen Augen entdeckte Eva-Maria etwas, das reine Sympathie bei weitem überstieg. Ihr Herz machte ei-
nen Luftsprung. Sollte Sàndor tatsächlich ähnlich fühlen wie sie?
»So, Eva-Maria«, meinte Dr. Scheibler und benutzte dabei absichtlich ihren Vornamen, um ihr ein gewisses Gefühl der Geborgenheit zu geben. »Sàndor wird Ihre Hand halten, und von Dr. Parker bekommen Sie eine Spritze. Damit wird die Untersuchung für Sie nicht ganz so unangenehm.«
Eva-Maria fühlte den feinen Stich und umklammerte Sàndors Hand impulsiv ein wenig fester. Das Gesicht des jungen Mannes begann sich vor ihren Augen zu drehen. Sie hatte das eigenartige Gefühl, hier im Untersuchungsraum zu liegen und gleichzeitig unendlich weit weg zu sein. Sie fühlte einen glatten, runden Gegenstand in ihrem Mund und mußte würgen, dann glitt sie in eine tiefe Benommenheit.
»Merkt sie davon denn gar nichts?« fragte Sàndor, der mit wachsendem Unbehagen zusah, wie Dr. Scheibler den gleitfähig gemachten Gummischlauch in Eva-Marias Mund schob. Das Mädchen würgte, und ihre Hände zuckten, als wolle sie den Schlauch herausziehen, doch ihre Bewegungen waren zu unkoordiniert.
»Sie spürt, daß sie etwas in den Mund geschoben bekommt, aber das Beruhigungsmittel, das Dr. Parker ihr gespritzt hat, ist so stark, daß sie es nicht als unangenehm empfindet«, antwortete Dr. Scheibler, während er den Schlauch weiter in die Speiseröhre schob und dabei auf dem Monitor den Weg des Gastroskops verfolgte.
»Sàndor, erschrecken Sie nicht, wenn die Kleine noch mal würgen muß«, erklärte Dr. Scheibler. »Ich erreiche jetzt gleich den Mageneingang, da ist das ein ganz natürlicher Reflex.«
Unwillkürlich begann Sàndor Eva-Marias Hand zu streicheln, obwohl er wußte, daß sie das ebensowenig spüren würde wie die Magenspiegelung.
»Das gibt’s doch nicht«, murmelte Dr. Scheibler, während er das Bild verfolgte, das ihm aus Eva-Marias Magen gesendet wurde.
Sàndor erschrak. »Ist es etwas Ernstes?«
Doch der Oberarzt schüttelte den Kopf. »Eben nicht. Ich kann überhaupt nichts finden. Kein Geschwür, keine Entzündung – nichts.«
In diesem Moment kam Dr. Daniel atemlos herein. »Es tut mir leid, Gerrit, aber ich mußte dringend zu einer Patientin mit vorzeitigen Wehen.«
»Nicht so tragisch«, meinte Dr. Scheibler, dann lächelte er. »Mit Sàndors Hilfe hat Eva-Maria die Beruhigungsspritze ganz gut überstanden, und abgesehen von dem unangenehmen Würgegefühl merkt sie nichts von der Untersuchung.«
»Und?« wollte Dr. Daniel wissen. »Was ist jetzt mit ihrem Magen?«
»Nichts«, antwortete Dr. Scheibler achselzuckend. »Es ist der schönste Magen, den ich seit langem gesehen habe.«
Dr. Daniel runzelte unwillig die Stirn. »Hat sie etwa doch simuliert?«
»Sieht so aus, wenn ich mir auch nicht vorstellen kann, aus welchem Grund sie das tun sollte.« Er schwieg kurz. »Tatsache ist außerdem, daß sie sich zweimal übergeben mußte.«
Dr. Daniel dachte über diese Worte nach. »War jemand dabei?«
Erstaunt sah der junge Oberarzt ihn an. »Wie meinen Sie das, Robert?«
»Nun ja, eventuell könnte sie das Erbrechen auch irgendwie herbeigeführt haben. Immerhin haben sämtliche Untersuchungen, die wir durchgeführt haben, ergeben, daß sie völlig gesund ist.«
Zügig, aber dennoch mit der gebotenen Vorsicht zog Dr. Scheibler den Schlauch heraus, dann wandte er sich Sàndor zu. »Bringen Sie die Patientin wieder auf ihr Zimmer. Ich werde dann gleich nach ihr sehen.«
»Nicht nötig«, entgegnete Dr. Daniel. »Ich bleibe bei ihr, bis sie wieder zu sich kommt.«
Das dauerte nur wenige Minuten.
»Ist es… vorbei?« flüsterte Eva-Maria.
Dr. Daniel nickte. »Ja, mein Kind, du hast es überstanden, allerdings sind wir dem Grund für deine Schmerzen damit leider keinen Schritt nähergekommen.« Er bemerkte die leichte Röte, die über Eva-Marias Gesicht huschte. »Nach den Untersuchungsergebnissen kannst du eigentlich weder von Magenschmerzen noch von Übelkeit geplagt sein. Du bist vollkommen gesund, Eva-Maria.«
»Aber ich mußte mich übergeben«, beharrte das junge Mäd-chen. »Ich hatte kaum gegessen, da kam alles wieder hoch.«
Dr. Daniel wurde erneut unsicher. Eva-Maria brachte das alles mit solcher Sicherheit hervor, daß er versucht war, ihr zu glauben. Andererseits sprachen die Untersuchungsergebnisse ja für sich.
»Wir haben dich von Kopf bis Fuß durchgecheckt«, meinte Dr. Daniel, dann kam ihm plötzlich eine Idee. »Heute abend kannst du wieder etwas zu essen bekommen. Ich werde dir dabei Gesellschaft leisten.«
Eva-Maria erschrak. Wenn Dr. Daniel bei ihr bleiben würde, würde er schnell merken, daß ihr keineswegs übel wurde.
Irgend etwas muß mir einfallen, dachte sie verzweifelt. Wenn ich in den nächsten Tagen wieder alles vertragen kann, dann wird man das meiner fortschreitenden Genesung zuschreiben, aber wenn Dr. Daniel erkennt, daß meine ganze Krankheit nur erfunden war, dann…, dann wird sich Sàndor von mir abwenden. Ein Mann wie er will bestimmt keine Lügnerin zur Freundin haben.
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»Herr Doktor, haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?«
Dr. Daniel drehte sich um und sah sich Sàndor gegenüber.
»Natürlich habe ich Zeit für dich«, erklärte er lächelnd. »Worum geht’s denn?« Er wurde ernst. »Du fühlst dich hier in
der Klinik doch hoffentlich wohl, oder?«
Sàndor nickte. »Die Arbeit macht mir sogar großen Spaß, und die Ärzte und Schwestern sind furchtbar